Kommentar | Zukunft der Berliner Flughäfen - Tegel ist juristisch tot
Der Streit um Tegel wird am BER entschieden. Darin sind sich die Juristen einig. Noch bevor der Senat sich daran macht, alles in die Wege zu leiten, um Tegel offen zu halten, hat der alte Flughafen deshalb juristisch keine Chance mehr. Ein Kommentar von Tina Friedrich
Es klingt schön, zu sagen: Vier Juristen, fünf Meinungen. Im Streit um Tegel stimmt das aber nicht. Es gibt zur Frage der Offenhaltung des Flughafens Tegel nicht vier Juristen mit fünf Meinungen. Es gibt vier Politiker mit fünf Meinungen – aber die Juristen sind sich in einigen wesentlichen Punkten im Grunde einig.
Alle Juristen – auch jene, die die Positionen von FDP und CDU stützen – stimmen zu: Sobald der BER eröffnet, wird der Schließungsbescheid für Tegel wirksam. Kein wie auch immer geartetes Offenhaltungsverfahren kann das aufschieben. Sobald der BER aufmacht, ist Tegel dicht. Das führte in einer juristischen Diskussion im Berliner Abgeordnetenhaus am Freitag so weit, dass der von der CDU entsandte Anwalt sagte: "Eigentlich macht der BER zur Unzeit auf." Selbst die Anwälte der Tegel-Befürworter wissen also: Um eine realistische Chance zu haben, Tegel offenzuhalten, darf der BER in den kommenden sechs bis acht Jahren nicht eröffnen.
Warum würde das so lange dauern?
Alle Juristen – auch jene, die für den Bundestag, das Abgeordnetenhaus oder Ryanair arbeiten – sind sich außerdem einig: Um Tegel dauerhaft als Verkehrsflughafen zu erhalten, muss die gemeinsame Landesplanung mit Brandenburg geändert werden. Dort darf nicht länger stehen, dass die Region nur einen einzigen Flughafen bekommt. Streit gibt es lediglich darum, wie leicht es ist, diese Planung zu verändern, und ob dafür zum Beispiel die Interessen der Lärmbetroffenen höher einzustufen sind als die Interessen der Berliner Wähler. Davon hängt ab, wie lange das Verfahren dauert.
Wiederum einig sind sich aber alle Juristen: Selbst wenn das Verfahren zur Änderung der Landesplanung schnell abzuwickeln ist, dürften die betroffenen Kommunen dagegen klagen. Diese Prozesse dauern – weil sie durch die Instanzen müssen – einige Jahre.
Nach der Änderung der gemeinsamen Landesplanung steht dann immer noch der Widerruf des Schließungsbescheids an. Aus Sicht der FDP und der AfD ist das einfachstes Verwaltungshandeln und in kürzester Zeit gemacht - sie berufen sich dabei auf eine juristische Einschätzung des Bundestages. Die meisten Juristen sagen allerdings: Selbst wenn das Land Berlin von Amts wegen die Schließung rückgängig machte, kommt es höchstwahrscheinlich zu Anhörungen. Wenn dann der Schließungsbescheid trotzdem aufgehoben wird, gibt es wieder die Möglichkeit, gegen die Entscheidung zu klagen. Das dauert wieder Jahre.
Der BER dürfte nicht vor 2029 eröffnen
Einer der vier Anwälte an diesem Freitag im Abgeordnetenhaus hat es vorgerechnet: Die Verhandlungen über die neue gemeinsame Landesplanung dauern zum Beispiel zwei Jahre, danach gibt es Klagen, die zu verhandeln im besten Fall drei Jahre dauert. Dann beginnt man also 2023 oder 2024 mit dem Widerruf des Schließungsbescheids, was mit allen Klagen wieder etwa sechs Jahre dauert. Und in all dieser Zeit bis 2029 oder 2030 darf also der BER nicht eröffnen, denn sonst wären alle diese Verfahren hinfällig.
Und ich wage mich jetzt mal aus der Deckung: Ich bin davon überzeugt, dass der BER eröffnen wird, bevor all diese Verfahren abgeschlossen sind. Das mag der gemeine Berliner für wahnsinnig, naiv oder dumm halten (oder von allem etwas). Und ich verstehe die große Frustration mit dem unsäglichen Flughafen. Aber für juristische Überlegungen sind Frust und Emotion wenig hilfreich. Deshalb: Ja, aus juristischer Sicht gibt es Wege, eine Offenhaltung Tegels anzugehen. Aber es gibt aus meiner Sicht keine Chance, sie zu vollenden.