rbb24
  1. rbb|24
  2. Sport

Leider gibt es ein Problem beim Abspielen des Videos.

Audio: rbb24 Inforadio | 25.07.2022 | Jakob Rüger, Simon Wenzel | Quelle: dpa/Collage rbb

13 Episoden aus 130 Jahren Hertha BSC

Sensationen, Siege und Skandale

Am 25. Juli 1892 wurde er gegründet, der Berliner Fußball Club Hertha. Zweimal wurde er deutscher Meister, oft spielte der Verein aber auch nur unterklassig. Immer erstklassig hingegen war der Unterhaltungswert der Alten Dame.

1. Gründungsschiff Hertha

Ein schmissiger Name müsse her, dachten sich die beiden Brüderpaare Fritz und Max Lindner sowie Otto und Willi Lorenz, ehe sie sich anschickten, am 25. Juli 1892 einen Fußball-Club zu gründen. So erinnerte sich Fritz Lindner an eine offenbar gelungene Bootspartie, die er kurze Zeit zuvor mit seinem Vater auf der Havel unternommen hatte. Der Dampfer trug den Namen Hertha, der Schornstein die Farben Blau, Weiß und Gelb und da man schonmal dabei war, sich inspirieren zu lassen, beschlossen die Gründer des Berliner Fußball Club Hertha 1892, auch diese zu übernehmen. Das Gelb verschwand kurze Zeit später, der Name blieb - weitgehend.

Anders als beim 1886 vom Stapel gelassenen Gründungsschiff, das später zunächst "Seid bereit", dann "Seebär" hieß. 2017 erwarb der Verein das Schiff zurück, in der Absicht, es wieder unter dem Namen Hertha als Fahrgastschiff operieren zu lassen. Die Restaurierungsarbeiten sollten ursprünglich zum 130-jährigen Jubiläum abgeschlossen sein, dauern jedoch an [hertha-gruendungsschiff.de]. Und die Fußball-Hertha? Erhielt am 7. August 1923 ihren bis heute gültigen Namenszusatz BSC durch die Fusion mit dem Berliner Sportclub.

Der Gründungsdampfer Hertha bei der Überführung 2017. | Quelle: imago images/Matthias Koch

2. Ein historischer Sieg

Nachdem Hertha 1906 mit der ersten Berliner Meisterschaft und dem Halbfinal-Einzug im Kampf um die Deutsche Meisterschaft (2:3 gegen den VfB Leipzig) erste Achtungserfolge verbuchen konnte, wurde es 1910 direkt historisch. Am 4. Mai empfingen die Berliner den englischen Southend United Football Club aus der Grafschaft Essex. Ein Team aus dem Mutterland des Fußballs, gespickt mit Halb-Profis. Hertha siegte auf dem sogenannten Schebera-Platz in Berlin-Gesundbrunnen nach 0:1-Rückstand noch sensationell mit 3:1. Und wurde nicht nur zur ersten deutschen Mannschaft, die ein englisches (Profi-)Team schlug, sondern zur ersten Mannschaft aus Festland-Europa überhaupt, der dieses Kunststück gelang.

3. Einzug in die "Plumpe"

Die Suche nach einer neuen Spielstätte ist nicht nur Hertha-Gegenwart, sondern auch Hertha-Historie. Nachdem man zunächst auf dem sogenannten "Exer", dem Exerzierplatz des Alexander-Regiments an der Schönhauser Allee, beheimatet war, spielte man ab 1905 auf der nach dem Gastwirt und Platz-Bauherren Joseph Schebera benannten Anlage an der Behmstraße. Nach Streitigkeiten mit Schebera und dank der neuen finanziellen Mittel, die die Fusion mit dem Berliner Sportclub einbrachten, war man 1923 in der Lage, das Grundstück der gegenüberliegenden, ehemaligen Eisbahn zu erwerben. Die Einweihung des Stadions am Gesundbrunnen am 9. Februar 1924 erfolgte im Rahmen eines Ligaspiels gegen den VfB Pankow. Wobei die Spielstätte alsbald nur noch unter dem Namen "Plumpe" firmierte. So wie die Berliner auch den dazugehörigen Stadtteil nannten.

Hertha-Star Hanne Sobek wird nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft am Bahnhof Friedrichstraße in Empfang genommen. | Quelle: dpa/Schirner Sporfoto-Archiv

4. Deutscher Meister Hertha BSC

Geduld ist gerade im heutigen Fußball eher selten anzutreffen. Die benötigten jedoch Spieler und Anhänger der Hertha, ehe es tatsächlich etwas werden sollte mit der ersten deutschen Meisterschaft. "Es war ja auch dramatisch, wie das ablief", erinnerte sich der damalige Offensiv-Star Johannes "Hanne" Sobek 1970. "Vier Jahre hintereinander standen wir im Endspiel um die deutsche Meisterschaft, vier Mal gingen wir als Verlierer vom Platz."

1930 war es dann soweit. Mit 5:4 siegte Hertha vor 40.000 Karteninhabern im Düsseldorfer Rheinstadion gegen Holstein Kiel. Ein Jahr später gelang die Titelverteidigung. Diesmal siegte Hertha im Müngersdorfer Stadion von Köln und vor 50.000 Zuschauern mit 3:2 gegen 1860 München. Es war zugleich das letzte Mal, dass die Berliner ein Endspiel um die Deutsche Meisterschaft erreichten. Und das mit einer Mannschaft aus Vollblut-Amateuren. Hanne Sobek erinnerte sich: "Wir machten von morgens bis abends Dienst, gingen zwei Mal in der Woche zum Training. Wir waren teilweise schon müde, wenn wir dorthin kamen."

5. Hertha in der NS-Zeit

"Auch Hertha hat Fehler gemacht", sagt Walter Frankenstein. Seit 1937 durften jüdische Bürger nicht mehr zu den Spielen ins Hertha-Stadion, spätestens 1940 waren alle jüdischen Mitglieder aus dem Verein ausgeschlossen. Darunter auch Herthas Mannschaftsarzt aus den Meisterjahren 1930/31, Hermann Horwitz, der im Frühjahr 1943 nach Auschwitz deportiert und anschließend ermordet wurde. Ohne dass von Vereinsseite interveniert worden wäre. Der Jude Walter Frankenstein, 1924 geboren, ging all die Jahre trotzdem zu seiner Hertha - heimlich. Immerhin kommt unter anderem eine vom späteren Hertha-Präsidenten Bernd Schiphorst in den 2000er Jahren in Auftrag gegebene Studie zur Erkenntnis, dass es zwar opportunistische Anpassungen an das NS-Regime gab, eine ideologische Kompromittierung des Vereins blieb wohl aber aus.

6. Zwangsabstieg 1965

Aus heutiger Sicht klingt es fast nach einer bürokratischen Petitesse, 1965 jedoch hatte der folgende Satz aus der ARD-Sportschau gehörig Sprengkraft: "Der DFB hatte seine Buchprüfer nach Berlin geschickt und sie stellten fest: Es fehlten rund 190.000 Mark." Der Hintergrund der Bilanz-Pfuschereien waren inoffiziell gezahlte Handgelder. Zur Strafe der in den Lizenzunterlagen unverbuchten Summe verdonnerte das DFB-Sportgericht die Herthaner anschließend zum Zwangsabstieg aus der erst drei Jahre zuvor gegründeten Bundesliga. Der zum Not-Vorstand berufene Hanne Sobek zeigte sich überrascht über das Urteil, welches er als "zu hart" empfand, vor allem, da nachweislich auch andere Klubs mehr Handgelder als erlaubt gezahlt hatten: "Wir waren der Meinung, dass wir mit einer Geldstrafe, wenn auch in erkläglicher Höhe, davon kommen würden." Schwacher Trost für den Klub: Im Nachgang des Skandals fand in Sachen Handgeld alsbald ein Umdenken statt.

7. Der Bundesliga-Skandal

Drei Jahre nach dem Zwangsabstieg gelang Hertha die Rückkehr in die Bundesliga - mit Nachdruck. 1970 und 1971 beendete man die Saison jeweils auf Rang drei, im April 1970 glückte mit einem 9:1 über Borussia Dortmund der bis heute höchste Bundesliga-Sieg der Vereinsgeschichte, im selben Jahr scheiterte Hertha erst im Europapokal-Viertelfinale an der Weltklasse-Mannschaft von Inter Mailand. Dann folgte der 5. Juni 1971. Hertha verlor das letzte Heimspiel der Saison gegen abstiegsbedrohte Bielefelder. "Schiebung", raunte es von den Rängen. Mehr aus Spott. Dabei war es genau das.

250.000 Mark hatten die Bielefelder den Herthaner Spielern geboten, die mit sieben zu fünf für die Annahme des Geldes stimmten. "Versaut euch nicht eure Karriere. Es kommt raus, ich wette", sagt der beteiligte Kapitän Uwe Witt heute. 15 Hertha-Spieler und Manager Wolfgang Holst wurden mit Geld- und Spielstrafen belegt. Zudem sah sich der Klub in der Folge gezwungen, die Heimspielstätte "Plumpe" an eine Berliner Wohnungsbaugesellschaft zu veräußern.

Hans Gregorio Canellas (r.), seinerzeit Präsident des Bundesligisten Kickers Offenbach, während der Gerichtsverhandlung rund um den Bundesliga-Skandal 1971. Canellas hatte die Bestechungen mit den von ihm zur Verfügung gestellten Tonband-Aufzeichnungen publik gemacht. | Quelle: imago images/Sven Simon

8. Bleierne Achtziger

"Ich bleib’ bei Hertha. Warum nich’? Die geben sich doch Mühe", sprach eine Passantin dem rbb-Reporter Andreas Witte vor der Saison 1985/86 ins Mikrofon. Hertha war seit fünf Jahren Zweitligist und damit immerhin in dieser Spielzeit nicht allein in Berlin. Auch Blau Weiß 90 und Tennis Borussia gaben sich in dieser Zweitliga-Saison die Berliner Ehre.

Schon ein Jahr später traf das auf keinen der drei Clubs mehr zu. Blau Weiß 90 stieg in die Bundesliga auf, Tennis Borussia und Hertha BSC in die drittklassige Amateur-Oberliga ab. Die Heimspiele Herthas vor durchschnittlich nur noch 2.000 Zuschauern fanden fortan nicht mehr im Olympiastadion, sondern im stark renovierungsbedürftigen Poststadion statt. Nach zwei Jahren war der Spuk vorbei, Hertha zumindest wieder zweitklassig.

9. Bubis im Finale

Zwar gelang Hertha 1990 der Wiederaufstieg in die Bundesliga. Doch statt auf einer Euphorie-Welle zu surfen und das wiedervereinigte Berlin zu begeistern, stieg der Klub direkt wieder ab. Trotzdem verliebte sich die Stadt 1993 in eine Hertha-Mannschaft. Denn die zweite Mannschaft, die sogenannten Hertha-Bubis stürmten als amtierender Verbandspokal-Sieger durch den DFB-Pokal und bis ins Finale.

Freiburg, Meppen, Hannover, Nürnberg und Chemnitz hießen die Opfer der jungen Wilden. Und auch im Endspiel schlugen sich die Bubis wacker. Erst in der 77. Minute besorgte Nationalstürmer Ulf Kirsten den 1:0-Siegtreffer. Herthas Carsten Ramelow, später selbst für Finalgegner Leverkusen aktiv und 42-facher Nationalspieler, erinnerte sich Jahre drauf vor allem an eines: "Die Atmosphäre im Team war einzigartig, eine vergleichbare Lockerheit habe ich nie wieder gespürt."

10. Die Röber-Jahre

"Für mich war es eigentlich das schönste Erlebnis seit der Wende", sagte ein Fan nach dem Wiederaufstieg der Hertha 1997 gegenüber der rbb-Abendschau. Zwei Jahre hatte Trainer Jürgen Röber gebraucht, um aus einem Abstiegskandidaten der zweiten Liga einen Aufsteiger zu formen. Zusammen mit dem 1996 zum Verein stoßenden Manager Dieter Hoeneß sollte das aber noch nicht das Ende sein. Hertha etablierte sich schnell in der Spitzengruppe der Bundesliga, erreichte bereits im zweiten Jahr den Uefa-Pokal. Dieter Hoeneß schwärmt auch heute noch von der aufkommenden Euphorie in der Stadt: "Und dann stand ich da oben und habe gesehen, wie ein Block nach dem anderen voll wurde. Und plötzlich waren 75.000 Zuschauer da."

11. Champions League im Nebel

Immerhin 60.000 Zuschauer kamen am 23. November 1999 ins Berliner Olympiastadion, um Hertha gegen den großen FC Barcelona um die Stars Pep Guardiola, Patrick Kluivert und Luis Figo zu sehen. Oder besser: zu erahnen. Denn dank eines mächtigen Nebels war auf den Rängen die meiste Zeit kaum zu erkennen, was auf dem Rasen vor sich ging.

Als Hertha im März 2000 zum letzten Gruppenspiel gegen den FC Porto auflief, kamen trotz bester Sicht nur noch 30.500 Zuschauer ins Stadion. Sie sahen eine 0:1-Niederlage und das bis dato letzte Champions-League-Spiel Herthas.

Interview | Ehemaliger Hertha-Manager Dieter Hoeneß

"Ich mochte Kay Bernstein schon damals, obwohl er uns einige Sorgen bereitet hat"

Als Manager von Hertha BSC hat Dieter Hoeneß eine der erfolgreichsten Phasen der 130-jährigen Geschichte des Bundesligisten mitgestaltet. Im Interview erzählt er von seinen Erlebnissen bei den Berlinern und wirft einen Blick auf die aktuelle Situation.

12. Die Dardai-Jahre

Er kam im Januar 1997 als junger Spieler aus seiner ungarischen Heimat zur Hertha. Und blieb und blieb und blieb. Keiner hat mehr Bundesliga-Spiele für den Verein absolviert (286), und nur Jürgen Röber (254) und Helmut Kronsbein (241) haben mehr Partien als Hertha-Trainer in ihrer Vita stehen als Pal Dardai (172). Der Trainer Dardai etablierte den Verein nach abermals schwierigen Jahren in der Bundesliga, erreichte zweimal den Europapokal und dämpfte hochtrabende Erwartungshaltungen gern mal mit Allegorien aus Flora und Fauna: "Wenn du kleine Bäume pflanzt und willst im nächsten Jahr 100 Kilo Obst runterholen, ist das unmöglich." Offiziell steht Dardai übrigens auch am 130. Geburtstag des Klubs noch bei ihm unter Vertrag.

13. Windhorst und der Mehrwert

Im November 2019 sollte bei Hertha BSC die Zukunft beginnen. Mal wieder. Durch den Einstieg von Investor Lars Windhorst, der bis heute insgesamt 374 Millionen Euro in den Klub pumpen sollte, erhoffte man sich in Berlin zumindest mittelfristig einen Entwicklungsschub.

Doch es kam anders. Mal wieder. Unglückliche Personalentscheidungen, erhebliche Altlasten und zudem die Corona-Krise sorgten dafür, dass von dem Geld am Ende kaum etwas nachhaltig eingesetzt wurde. Doch Jürgen Klinsmann, Jens Lehmann und Co. sei Dank bleibt Hertha auch rund um den 130. Geburtstag vor allem eines: sehr unterhaltsam. Herzlichen Glückwunsch.

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.07.2022, 9:15 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen