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Audio: rbb24 Inforadio | 16.11.2022 | Jakob Rüger | Quelle: imago images/Jan Huebner

Interview | Unions Geschäftsführer Profifußball Oliver Ruhnert

"Was hier im Moment passiert, ist ein Traum"

Oliver Ruhnert ist maßgeblich für den Erfolg des 1. FC Union in den letzten Jahren mitverantwortlich. Im Interview spricht der Geschäftsführer Profifußball über seine Aufgaben im Verein, seine politische Laufbahn und ein mögliches Karriereende.

Herr Ruhnert, für den 1. FC Union geht es in die WM-Pause. Zeit, um auf die bisherige Saison und das Jahr zurückzublicken. Müssen Sie sich manchmal kneifen, um zu begreifen, was bisher geschah?

Natürlich fängt man jetzt langsam an zu reflektieren und das Ganze mehr zu begreifen. Bisher waren wir im ewigen Spiel-Rhythmus und man denkt immer nur an die nächste Partie. Da fehlte dann der Gesamtblick auf das Jahr 2022. Jetzt hat man die 57 Punkte und das Überwintern in DFB- und Europapokal verinnerlicht. Es war ein intensives Jahr 2022, aber für den 1. FC Union sicherlich auch ein gutes.

Zur Person

Oliver Ruhnert

Sie sind der Macher des Erfolgs bei Union. Können Sie uns erklären, was das Geheimnis ist?

Am Ende ist es Arbeit. Diese wird durch die Verantwortlichen seit einiger Zeit sehr akribisch und intensiv verrichtet. Und ich will natürlich auch noch einmal betonen, dass es letzten Endes die Mannschaft ist, die in den letzten Spielzeiten immer bereit war, das Maximale zu geben. Hätten wir vor den letzten drei Spielen hier gesessen, hätte ich gesagt, dass es eine unfassbare Energieleistung war. Die bleibt es auch, aber man hat dann irgendwann doch eine mentale Leere und Müdigkeit bedingt durch die vielen Spiele gemerkt. Das ändert aber nichts daran, dass die Mannschaft sehr gefestigt ist und als Team das Maximum erreichen will. Das ist das Erfolgsrezept, das uns in den letzten Spielzeiten ausgezeichnet hat.

Welche Rolle haben sie in diesem Erfolgsjahr 2022 gespielt?

Ich bin so ein bisschen das Mädchen für alles. Ich diskutiere mit dem Trainer ab und an Dinge, die andere sicherlich nicht diskutieren. Ich äußere meine eigene Meinung und Sicht. Ich bin auch derjenige, der immer mit den Spielern im Austausch sein muss. Da geht es dann darum, das ein Spieler auch mal eine schwierige Phase übersteht oder gebremst werden muss. Und ich verantworte den Kader gegenüber unserem Präsidium. Von daher ist meine Aufgabe schon umfangreich. Wir haben in der Lizenzspielerabteilung 51 Angestellte. Die sind mal mehr und mal weniger zeitintensiv. Dazu kommen noch die Berater der Spieler. Außerdem habe ich auch noch eine Scouting-Abteilung, die geführt werden will.

Sie haben einen sehr guten Riecher für Spieler, die nach Köpenick kommen und sich im Verein weiterentwickeln und den nächsten Schritt machen. Wie finden Sie diese Profis?

Indem wir versuchen, Entscheidungen zu treffen, die auf den Dingen basieren, die wir mit dem Trainer verbinden. Das heißt, dass wir viel Wert auf Einstellung legen. Die Spieler müssen bereit sein, das Profil, das der Trainer braucht, anzunehmen. Dazu gehören eine taktische Disziplin, ein laufintensives Verhalten und eine komplette Bereitschaft, sich auf das einzulassen, was einen beim 1. FC Union erwartet. Das ist nicht immer der filigranste Fußball, sondern eben Arbeit. In den letzten Jahren ist uns das gut gelungen, weil unsere Scouts genau wissen, was wir wollen.

Sie haben mal in einem Interview gesagt, dass man nur erfolgreich sein kann, wenn man gut ist. Was sagt das über den Geschäftsführer Profifußball des 1. FC Union aus?

Das man gut sein muss, ist ein Anspruch, den ich an meine Scouts und mich selbst stelle. Wenn wir das nicht wären, dann könnten wir uns mit dem Etat, den wir haben, nicht in der 1. Bundesliga halten. Darum müssen wir nicht nur gut sein, sondern auch besser als manch anderer Klub. Das gleiche sagt auch der Trainer immer wieder zur Mannschaft. Wir alle müssen diesen Anspruch haben. Nur wenn du ganz viele Dinge richtig machst, hast du eine Chance, jedes Jahr zu überraschen. Und wir haben vier Jahre in Folge sehr überrascht.

Sie sitzen für die Linkspartei im Stadtrat von Iserlohn. Wie schaffen Sie es Regionalpolitik und Bundesliga-Geschäft zu vereinen? Der Tag hat ja nur 24 Stunden.

Das stimmt, und ich würde mir manchmal wünschen, wir hätten ein paar Stunden mehr. Es ist schon so, dass die Lokalpolitik kürzer kommt als sie es eigentlich sollte. Das war auch einer der Gründe, warum ich meiner Fraktion, als es mit den englischen Wochen losging angeboten hatte, darauf zu verzichten. Das wollte sie aber nicht. Am Ende sind es für mich immer noch wichtige Momente, wenn ich durch die Lokalpolitik zuhause vor Ort etwas bewirken kann. Und ich lebe bei meinem politischen Amt – genauso wie beim 1. FC Union – von meinen guten Mitarbeitern, die mir den Rücken freihalten, mir Informationen geben und mich vorbereiten.

Gab es bei Ihnen auch mal Bestrebungen in die Bundespolitik zu wechseln?

An einer Stelle gab es tatsächlich einmal die Möglichkeit, das zu tun. Da hätte ich vielleicht auf der Bundestagsliste kandidieren können. Ich gebe zu, dass ich kurz darüber nachgedacht habe und mich das natürlich gereizt hat, weil ich die Bundespolitik spannend finde. Damals hat es dann aber eine andere Entscheidung gegeben, über die ich auch gar nicht böse bin. Aber ich bin jemand, der gerne versucht Dinge zu beeinflussen und in eine Richtung zu führen.

Sie haben schon mehrfach gesagt, dass Sie den Job des Bundesliga-Managers nicht bis an ihr Lebensende machen werden. Wann kommt der Punkt, an dem es vorbei ist?

Ich glaube, da geht es am Ende um eine Belastungsgrenze. Was hier im Moment passiert, ist ein Traum. Im Grunde hatte ich aber schon seit ein oder zwei Jahren für mich immer diese Überlegung, etwas anderes zu machen oder in eine andere Funktion zu gehen, in der man mehr Luft zum Atmen hat. Mein Job ist 24/7. Du gehst mit vielen Dingen im Kopf schlafen. Ich habe hier im Klub sehr viele Menschen, die mich entlasten und mir Freiräume geben. Das weiß ich sehr zu schätzen und das ist auch der Grund, warum wir hier so eng und gut miteinander auskommen und arbeiten können. Im Moment macht es mir weiterhin viel Spaß und ich fühle mich wohl. Klar ist aber auch, dass wir im Klub sehr offen über diese Thematik sprechen.

Das Interview führte Jakob Rüger, rbb Sport. Es wurde für die Online-Version gekürzt und redigiert. Das ganze Gespräch können Sie mit einem Klick auf das Lautsprecher-Symbol im Titelbild hören.

Sendung: rbb24, 16.11.2022, 18 Uhr

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