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Quelle: IMAGO/Ed Gar

Interview | Trainer-Legende Ede Geyer

"Es freut mich auch ein kleines bisschen, dass Union vor Hertha steht"

Vom Fast-Abstieg bis zur Premiere in der Europa League haben die regionalen Fußballvereine in diesem Jahr alles erlebt. Trainer-Legende Eduard Geyer schaut im Interview auf das Jahr von Hertha, Union und Energie Cottbus zurück.

Als Eduard Geyer 1994 das Traineramt bei Energie Cottbus übernahm, spielte der Klub in der Regionalliga. Innerhalb von sechs Jahren führte der Dresdner die Lausitzer in die Bundesliga - zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte. Über drei Saisons spielte Cottbus in der höchsten deutschen Fußball-Liga mit, ehe sie in die 2. Liga abstiegen. Insgesamt zehn Jahre lang war Geyer Trainer des heutigen Regionalligisten.

Zur Person

Herr Geyer, verfolgen Sie die sportliche Situation Ihres Ex-Klubs Energie Cottbus noch?

Eduard Geyer: Natürlich, Cottbus verfolge ich immer und auch das Abschneiden der anderen ostdeutschen Mannschaften. Die Regionalliga ist von den Namen her zurzeit richtig stark. Cottbus ist schlecht gestartet und hat dann einen guten Lauf gehabt. Es ist noch alles drin für sie. Sie müssten sich dann natürlich auch gegen den anderen Meister [der Regionalliga Bayern, Anm. d. Red.] qualifizieren. Das ist auch immer ein bisschen eine bittere Erfahrung, weil man nie genau weiß, was am Ende rauskommt. Für die beiden Beteiligten ist das ein Ding der Unmöglichkeit. Drei Teams dürfen sofort aufsteigen und die zwei anderen müssen noch eine Qualifikation spielen. Das ist dann ein bisschen fragwürdig. Da fragt man sich, wer dort am Hebel sitzt oder Ahnung von Fußball hat.

Was würde denn ein Aufstieg von Energie Cottbus in die 3. Liga und damit in den Profifußball für die Region bedeuten?

Das ist wie überall. Alle wollen in den bezahlten Fußball. Die 3. Liga ist die niedrigste Profi-Liga, aber sie steht natürlich im Blickpunkt und man bekommt etwas mehr Fernsehgeld und kann sich besser vermarkten. Ich denke, die 3. Liga wäre vielleicht auch für Cottbus der nächste Schritt. Ich denke da gar nicht weiter, aber die 3. Liga ist zurzeit vielleicht für Cottbus machbar - auch finanziell. Aber es ist natürlich noch ein weiter Weg, denn da wollen ja viele hin: Leipzig, Jena, Erfurt. Es ist ja praktisch wie eine DDR-Oberliga.

Lassen Sie uns auf einen anderen Ost-Klub blicken. Der 1. FC Union ist ja schon sehr beeindruckend: Sie waren lange Tabellenführer und stehen auf Platz fünf. Glauben Sie, dass nächstes Jahr in der Alten Försterei Champions League gespielt wird?

(lacht) Wenn man ein bisschen zur Region und zu Union steht, dann hofft man das natürlich und will auch den Großen ein bisschen ein Bein stellen. Sie haben bewiesen, wozu sie mit ihren Möglichkeiten in der Lage sind. Ich denke, wenn sie am Ende sogar – vielleicht mit viel Glück – die Europa League schaffen, wären sie schon sehr zufrieden. Sie haben einen überragenden Job gemacht. Das kann man nicht hoch genug einschätzen. Alles, was Union in den letzten Jahren gemacht hat, hatte für viele irgendwie auch ein bisschen eine Vorbildwirkung.

Was haben denn die Verantwortlichen in Köpenick konkret richtig gemacht?

Sie haben viele Spieler eingebüßt, die sie eigentlich nicht abgeben wollten und haben gut dazugekauft. Das Scout-System haut hin. Der Trainer hat die richtigen Worte und kann die Mannschaft an der richtigen Stelle motivieren und die Leistung rauskitzeln. Und er spielt einen Fußball, der zu der Mannschaft passt.

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Kommen wir zum anderen Berliner Bundesligisten. Was glauben Sie: Bekommt Hertha BSC unter Sandro Schwarz die Kurve und hat am Ende nichts mit dem Abstieg zu tun?

Der entscheidende Mann wird Sandro Schwarz sein. Ich persönlich finde ihn gut, da hat Hertha einen guten Griff gemacht. Was Hertha sonst angeht, bin ich nicht so begeistert, dass ich mir die Spiele an jedem Wochenende angucken muss. Sie müssen irgendwie mal die Kurve kriegen. Ich weiß nicht, was da nicht funktioniert. Sie wollten schon vor vielen Jahren der erste Verfolger von Bayern München werden. Sie haben sich immer ein bisschen über alle erhoben, es aber am Ende nicht abrufen können. Man muss dem Trainer die Chance geben, auch eine gewisse Zeit zu arbeiten. Ich denke, das wird noch mindestens zwei Jahre dauern. Sie spielen ja auch schon wieder so halb gegen den Abstieg. Sie werden sich zwar retten, denke ich. Aber für die Zukunft kann Berlin natürlich immer zwei Bundesliga-Mannschaften gebrauchen. Insgesamt freut mich das auch ein kleines bisschen, dass Union vor Hertha steht.

Wenn wir auf den Ost-Fußball blicken, hat man das Gefühl, Leipzig und Union sind enteilt – und danach kommt irgendwie lange nichts. Wie bewerten Sie denn die Lage?

RB Leipzig wird natürlich nicht direkt als Ost-Fußballmannschaft gewertet, sondern unter einem anderen Blickpunkt. Was die anderen Mannschaften angeht: Die wollen alle hoch. Aber da kann man fast alle Mannschaften nehmen, die dann mehr oder weniger Probleme haben, ihre ausgebildeten Spieler zu halten. Wenn einer etwas mehr Talent hat, wandert er ab. Der Ost-Fußball ist insgesamt schwach. Das muss man schon so sagen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Fabian Friedmann, rbb Sport.

 

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.12.2022, 9:15 Uhr

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