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Quelle: rbb/Ilja Behnisch

Lichtenbergs Stadion-DJ Pat Cavaleiro

Auf die Ohren

Musikalische Untermalung bei Sportereignissen gibt es seit den Olympischen Spielen der Antike. In den Fußballstadien der Moderne regiert dabei oft Austauschware. Bei Fußball-Regionalligist Lichtenberg 47 wollten sie das nicht länger hinnehmen. Von Ilja Behnisch

Mit Opa fing es an. DJ Opa. Der heißt mit bürgerlichem Namen Marcus Haefs, ist seit 2005 für die Stadion-Musik bei Fortuna Düsseldorf zuständig und so etwas wie ein Vorbild für Pat Cavaleiro - der wiederum seit fünf Spielen Stadion-DJ bei Regionalligist Lichtenberg 47 ist.

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Cavaleiro, 39, ist gebürtiger Portugiese, an der Algarve aufgewachsen. Anschließend 20 Jahre Düsseldorf, ehe es 2011 nach Berlin ging. Heute arbeitet er für ein unabhängiges Plattenlabel, früher als Musikjournalist. Nebenbei, schon immer: auflegen als DJ. Lange Zeit tat er das unter dem Namen "Ein Mædchen aus Sibirien". Mittlerweile wechselt er munter durch. Zuletzt nannte er sich "Grandmaster Hans Zoschke", so wie der deutsche Widerstandskämpfer und Namenspatron des Stadions von Lichtenberg 47.

Cavaleiro übernimmt

Zu denen geht Cavaleiro seit fünf Jahren, ein Freund nahm ihn mit. Sie hatten ihren festen Platz im "Zoschke", nannten sich selbst die "Eckenbrüller". Die familiäre, unaufgeregte und zugleich sehr ursprüngliche Atmosphäre bei Lichtenberg 47 gefiel ihm. Was ihm zunehmend weniger gut gefiel: die Musik, die vor und nach den Spielen im Stadion lief. "Jedes Mal '36 Grad' von 2Raumwohnung und 'Auf uns' von Andreas Bourani zu hören, das ging mir total gegen den Strich. Da habe ich gesagt: Das können wir auf jeden Fall besser." Er kommt mit den Verantwortlichen ins Gespräch. Und die sind begeistert.

Bis dahin lag die Musik in den Händen von Stadion- und Pressesprecher Stephen Wiesberger. "Er war ganz glücklich, dass ich mich eingeschaltet habe", sagt Cavaleiro - der anschließend fast alles über den Haufen warf. Die Tor-Musik (Rocky Sharpe & the Replays - "Rama Lama Ding Dong") und die Einlauf-Musik (AC/DC - "Thunderstruck") blieben, ein paar Wunschtitel der Spieler (Gala - "Free From Desire"; Darude - "Sandstorm") während des Warmmachens auch. Der Rest ist Cavaleiro.

Lichtenbergs Stadion DJ Pat Cavaleiro, Blick ins Hans Zoschke Stadion und Blick auf das Handy von Pat Cavaleiro und dort auf die Spotify Playlists von den jeweiligen Begegnungen. | Quelle: rbb/Ilja Behnisch

Wenn man ihn so vor sich stehen hat, mit seinen langen Haaren, dem Schnurri und Nasenring, mit der orange getönten Sonnenbrille, Bier in der einen, Zigarette in der anderen Hand, mit weißen Turnschuhen, hellblauer Jeans, dann würde man schon drauf kommen, dass er sich für Musik interessiert. Indie-Rock vielleicht. Aber der Eindruck täuscht. Auch wenn er sagt, er möge jede Musik, mag er es eigentlich gern härter. Er liebt Metal und Hardrock. Für das Stadion sei das aber nichts. Dort setzt er vor allem auf "soulige Sachen".

Ein No-Go gibt es auch: "Ich spiele keinen Deutsch-Rap." Bitter für Casper, den Rapper, der manchmal zu den Spielen ins Zoschke-Stadion kommt. Immerhin könnte er sich ein Lied wünschen, wie alle anderen Zuschauer auch. Cavaleiro erfüllt gern Anfragen. Neulich erst für eine Gruppe Kinder, die auf einen bestimmten Tiktok-Song hofften.

Die DJ-Opa-Schule

Man kann das, was im Hans-Zoschke-Stadion zu hören ist während der Begegnungen, daheim nachspielen. Cavaleiro stellt die Playlists im Netz zur Verfügung. Welche Songs darauf zu finden sind, hängt dabei immer auch von Gegner und Spielausgang ab - alte DJ-Opa-Schule. Einst hatte er mächtig Ärger bekommen, als er rund um ein Spiel seiner Düsseldorfer gegen RB Leipzig äußerst themenlastig unterwegs war, mit eindeutig zweideutigen Songtitel wie "Ich find’ dich scheiße" (Tic Tac Toe), "Money, Money, Money" (Abba) oder "Kauf Mich!" (Die Toten Hosen). RB beschwerte sich bei der DFL, Opa entschuldigte sich öffentlich.

Gegner-Anfeindung hat Cavaleiro nicht im Programm, aber auch Selbstironie kommt nicht bei jedem gut an. Während der Halbzeitpause des Spiels gegen Carl-Zeiss Jena kommt ein Lichtenberg-Anhänger auf ihn zu und fragt, ob es der Wunsch der Spieler gewesen sei, als neulich nach einer Heimniederlage "Loser" von Beck über die Stadionlautsprecher schepperte. Cavaleiro verneint, der Zuschauer ist wenig begeistert.

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Pannen und Playlists

Doch das ist die absolute Ausnahme. Hört man sich im Stadion um, erntet der neue Stadion-DJ große Zustimmung. "Mal was anderes" oder schlicht "gute Musik" heißt es dann. Es ist aber auch ein dankbares Publikum bei Lichtenberg 47. Selbst größere Pannen werden hier mit viel Verständnis registriert. Pannen wie jene im Spiel gegen den FSV Luckenwalde Anfang März. 77 Minuten waren gespielt, als die Heimmannschaft einen Elfmeter zugesprochen bekam und Spielmacher Christian Gawe antrat, den 1:1-Ausgleich zu besorgen. Er scheiterte, Stadion-DJ Cavaleiro drückte dennoch die Tor-Musik ab: Rama-Lama-Ding-Dong. Von der Sprecherkabine, eine halbe Bushaltestelle schmal, aus, ist der Blick auf das Tor tatsächlich schwer eingeschränkt. Cavaleiro verließ sich auf sein Gefühl und deutete das laute Entsetzen der Lichtenberg-Fans vor ihm als Jubel. Kann passieren, sagten die Verantwortlichen hinterher zu ihm. Vielleicht auch, weil in der ersten Minute der Nachspielzeit doch noch der Ausgleich gelang.

Aber auch sonst gehen sie ansteckend gelassen mit Fehlern und Umständen um. Auch im Spiel gegen Jena. So soll 13 Minuten vor Anpfiff eine Ansage ertönen. Die Mannschaft will sich mit unterschriebenen Bällen, die sie ins Publikum schießen will, bei den Anhängern bedanken. Doch das Mikrofon des Stadionsprechers bleibt stumm. Akku alle. 13 Minuten nach Anpfiff muss Cavaleiros Sohn, der sich das Spiel ansonsten in der Sprecherkabine zwischen Kuchen und Handybildschirm vertreibt, dringend auf Toilette. Kein Problem, Papa kommt mit. Wird schon nichts passieren.

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Bei seinem ersten Einsatz gegen Chemie Leipzig sei andauernd die Sicherung rausgeflogen, so Cavaleiro. Der Fress-Stand nebenan hatte sich an den Stromkreislauf drangehängt. Hat trotzdem irgendwie geklappt. Sie haben draus gelernt.

Gegen Jena ist im nahe der Anzeigetafel gelegenen Strafraum eine der Kreidelinien alles, nur ganz sicher nicht gerade. Es stört: niemanden. Bisschen singen, bisschen über den Schiri meckern, bisschen Fußball schauen - und gute Musik hören. Es ist Teil der Faszination Lichtenberg 47, Teil des Charmes der Regionalliga, dass eben nicht alles mit Verbissenheit auf Perfektion getrimmt ist. Auch nach der 0:2-Niederlage gegen Jena wird das Gros der 844 Zuschauer zufrieden nach Hause gegangen sein.

Pat Cavaleiro ohnehin. Denkt man zumindest, weil man vermuten muss: Der kann gar nicht anders. Der ist glücklich und zufrieden, weil er einfach macht, auch dieses Ehrenamt, und weil er mit sich im Reinen ist. Zum Ende, direkt nach Abpfiff, erklingt "Baby Come Back" von Player. Versprochen, denkt man. Und dass DJ Opa stolz wäre.

Sendung: rbb24, 20.04.2023, 21:45 Uhr

Beitrag von Ilja Behnisch

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