Vereins-Ikone zurück bei Hertha - Arm, aber Dardai

Di 18.04.23 | 05:39 Uhr | Von Ilja Behnisch
  11
Pal Dardai während der ersten Trainingseinheit zurück bei Hertha BSC. Quele: imago images/Contrast
Bild: imago images/Contrast

Pal Dardai heißt der neue, alte Trainer von Hertha BSC. Das klingt fantasievoll und fantasielos zugleich - und passt dennoch wie sonst kaum etwas. Zu diesem Klub. Und dieser Stadt. Von Ilja Behnisch

Mitte März 2023, am Tag, als die Trennung zwischen Hertha BSC und Ex-Investor Lars Windhorst auch öffentlich besiegelt wurde, wollte Klub-Präsident Kay Bernstein nicht nur das ungeliebte Label "Big City Club" beerdigt sehen, sondern gleich auch noch Abschied vom Größenwahn und von überzogenen Erwartungen nehmen. Nach der (Wieder-Mal-)Verpflichtung von (Ex-)(Ex-)Trainer Pal Dardai muss man konstatieren: Vorhaben gescheitert.

Hertha in einer Reihe mit Europas Topklubs

Denn die Hertha reiht sich mit dem erneuten Zurück-zum-Ex ein in eine illustre Reihe internationaler Groß-Klubs wie Real Madrid, Juventus Turin oder Bayern München. Vereine, die gleich mehrfach auf denselben Trainer setzten. Trainer wie Zinedine Zidane (zwei Mal Real Madrid), Jose Mourinho (zwei Mal FC Chelsea), Giovanni Trappatoni (zwei Mal Bayern und zwei Mal Juventus Turin) oder Jupp Heynckes (drei Mal Bayern). Übertroffen werden Hertha und Dardai eigentlich nur noch vom FC Schalke 04, der bekanntlich zumindest innerhalb der Stadtgrenzen Gelsenkirchens ein Klub von absolutem Weltrang ist und der gleich vier Mal auf die Dienste von Huub Stevens vertraute.

Was waren die Alternativen?

Von den sportlichen Erfolgen der anderen ist Pal Dardai (noch) ein gutes Stück entfernt. Warum also holt ihn Hertha trotzdem zurück? Mal wieder. Weil der Trainermarkt keine besseren Alternativen parat hatte, um den Klub in den kommenden sechs bis acht Spielen (dann über die Relegation) in der Liga zu halten? Dabei ist die Liste der arbeitslosen Coaches doch ebenso lang wie illuster. Auch wenn Übungsleiter aus dem "Nach den Sternen greifen"-Regal, wenn Antonio Conte (ehemals Juve, Inter und Tottenham), Luis Enrique (ehemals Barcelona und Spanien) oder Mauricio Pochettino (ehemals Tottenham und Paris St. Germain) bei einem Anruf mit der Vorwahl +4930 wahrscheinlich schneller weggedrückt hätten, als Jürgen Klinsmann Mehrwert sagen konnte.

Doch auch realistischere Optionen wie Ralph Hasenhüttl (Leipzig, Southampton), Jesse Marsch (Leipzig, Leeds) oder Gerardo Seoane (Leverkusen) sind nicht auf Sandro Schwarz gefolgt. Oder Kandidaten wie Markus Gisdol (Hoffenheim, Hamburg, Köln) und Achim Beierlorzer (Köln, Mainz), die den Tabellenkeller der Bundesliga zumindest schon einmal besichtigt haben. Stattdessen also Pal Dardai, die Dritte.

Wein, Gulasch, Zigarre - und trotzdem Hertha BSC

"Wir sind vielmehr Berliner Eckkneipe als Rosenthaler Platz. Und trotzdem ist der Rosenthaler Platz auch Hertha", sagte Tommy Kempert-Gmuer, ehedem Betreiber des mit einem Augenzwinkern betriebenen Twitter-Accounts "Big City Club", Mitte März gegenüber rbb|24. Pal Dardai ist weder Eckkneipe noch Rosenthaler Platz. Er liebt ungarischen Wein, ungarisches Gulasch, er raucht offenbar gern mal eine Zigarre, die hoffentlich weder aus Berlin noch aus Ungarn stammt.

Und trotzdem ist natürlich auch Pal Dardai Hertha BSC, allein schon, weil er seit Januar 1997 zu diesem Klub gehört. Als Spieler, Nachwuchstrainer, Trainer, Nachwuchstrainer, Koordinator Talentförderung, Trainer und, nun ja, wieder Trainer.

Dardai? Ein "komplett anderer Mensch"

Er sei die absolute Wunschlösung, niemand stehe für den Berliner Weg so sehr wie Pal, sagte Herthas Sportdirektor Benjamin Weber auf der Antritts-Pressekonferenz Dardais und: "Pal kennt hier jeden Grashalm, jede Tür." Auch die zahlreichen Falltüren, möchte man anfügen, aber gut, Dardai "mag die Herausforderung", wie er selbst sagt, außerdem wolle er der Hertha-Jugend, die ihm besonders am Herzen liege, eine Bundesliga-Mannschaft zum träumen überlassen und keinen Zweitligisten. Und auch Anhänger, die mit dem Trainer Dardai eher schwer verdauliche Fußballkost verbinden, dürften erleichtert aufatmen, schließlich ist Dardai inzwischen "ein komplett anderer Mensch", denn er habe sich einen Hund gekauft: "Ich habe Menschen ausgelacht, die sagen, dass ein Hund dich als Mensch verändert - ist aber so."

Wieviel Maltipoo steckt in der Mannschaft von Hertha BSC?

Ein Maltipoo ist es geworden, über den Wikipedia zu berichten weiß, er vereine "in sich die Liebenswürdigkeit des Maltesers mit der Intelligenz des Pudels. Die Mischung ergibt einen aufmerksamen, fröhlichen und verspielten Familienhund, der sich leicht erziehen und im Alltag führen lässt." Bleibt die Frage: Wieviel Maltipoo steckt in der Mannschaft von Hertha BSC? Wie gut passt sie zu Dardai? Und was unterscheidet ihn eigentlich von seinem Vorgänger, von Sandro Schwarz? Denn die Parallelen zwischen beiden sind frappierend. Als Spieler waren sie im defensiven Mittelfeld beheimatet. Auch Schwarz trainierte lange im Jugendbereich. Beiden wird Geradlinigkeit und eine klare Ansprache attestiert. Hörte man sich rund um den Verein um, galt auch Schwarz als außerordentlich leidenschaftlich in der Sache und für Hertha BSC. War Schwarz einfach nur kein (Spiel-)Glück beschieden? Oder gehört doch mehr dazu?

In einer Sache jedenfalls scheint Dardai noch etwas entschiedener als Schwarz und vielleicht ist es das, was ihn so prädestiniert für diesen Klub, für diese Stadt: Pragmatismus. Auch Schwarz war und ist kein Idealist, niemand, der stur seiner Wunschvorstellung von Fußball folgte und an ihr festhielt. Doch kaum ein (Hertha-)Trainer der jüngeren Vergangenheit vertraut(e) so sehr auf die Basics des Fußballs wie Pal Dardai. Der Ungar schwört auf wenige Grundregeln. Eine davon besagt, dass zwischen Abwehrreihe und vorderstem Angreifer nie mehr als 30 Meter Abstand herrschen darf. Der Rest ist: laufen, Zweikämpfe gewinnen, Fehler minimieren. Reinbeißen ins Spiel, geduldig auf die eigenen Chancen warten, sie werden schon kommen und dann muss man sie nur noch nutzen.

Springt Hertha mal wieder vom Galgen?

Und vielleicht ist nichts mehr "Berliner Weg" als das. Im Fußball und überhaupt. Kühne Träume und große Pläne mögen weltstädtisch klingen. Berlin aber lebt weniger von Visionen, viel mehr von dem, was immer wieder zwischendrin und nebenbei entsteht. Von Leuten, die richtig Bock haben, etwas zu gestalten und nicht von Menschen, die vor allem viel Geld dafür bekommen, es zu tun. Von Persönlichkeiten und nicht von Ideologien. Jetzt muss der neue, alte Trainer dieser Hertha nur noch möglichst schnell herausfinden, auf wen er dabei setzen sollte. Damit es nicht schön, aber selten wird. Damit sie mal wieder vom Galgen springen, am besten mit einem Spruch auf den Lippen. Damit es nach der und über diese Saison und in Anlehnung an einen Berliner Klassiker heißen mag: arm, aber Dardai.

Sendung: rbb24 Abendschau, 17.04.23, 19:30 Uhr

Beitrag von Ilja Behnisch

11 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 11.

    Hoffentlich wird er nicht zum dritten Mal wieder entlassen, wenn der Klassenerhalt nicht erreicht wird.

  2. 10.

    Der Vorstand inklu Präsi soll sofort abgelöst werden, weil dieser den aktuellen Zustand der Hertha herbeigeführt hat? Sorry, aber das ist doch absoluter Tinnef, Berta. Und wer soll's denn dann machen? Frank Steffel und Entourage, der halbherzig seinen Hut in den Ring geworfen hat und für das "alte Westberlin" und ein "weiter so" steht?

    Bernstein hat von den vormals Verantwortlichen einen Scherbenhaufen übernommen, der im dt. Fußball seines gleichen suchen, aber kaum finden dürfte. Der eingeschlagene Weg ist m. E. richtig, um HBSC wieder eine Identität zurückzugeben, die durch die jahrelange desaströse Großmannssucht des Vereins verloren gegangen ist.

    Wofür steht denn Hertha heute noch? Sicher nicht für das mantraartig beschworene "Wir sind der einzig wahre Hauptstadtclub für ALLE Berliner!" Gefasel, das vor allem in Berlin, aber auch bundesweit als lächerlich wahrgenommen wird.

  3. 9.

    Willkommen zurück Pal und viel Glück das du es mit der Truppe schaffst. Wenn es einer kann dann nur Pal Dardai und wenn nicht bleibt Hertha auch für richtige Herthaner die Nummer 1. egal in welcher Liga.
    HaHoHe

  4. 8.

    Nun wird wieder gefeiert hura der Pal ist wieder da. Als nächstes sollte mal dieser unprofessionell Vorstand abgelöst werden der diesen Zustand herbeigeführt hat. Anstatt Big City nun 1. FC Bernstein. Am schlechtesten Trainer der Vereins Geschichte festzuhalten bis fast zum Abstieg zeugt schon von Naivität und unprofessionell handeln. Dieser Vorstand muss weg.

  5. 7.

    Aber der Unterschied zwischen kritisieren und reflexartigen Beleidigen und Hetzen ist schon bekannt, oder?

  6. 6.

    bin seit 1972 eiserner fan, durch dick und dünn mit diesem verein gegangen.
    ich wünsche pal gutes gelingen...damit auch wieder ....auf spannende ortsderbys...
    pal, ich drücke dir die daumen

  7. 5.

    Hertha wird nicht in den Dreck gezogen, das haben sie, vor allem die Vereinsführung, selbst getan
    Wenn man so arbeitet wie Hertha braucht man sich nicht wundern wenn man kritisiert wird

  8. 4.

    Aus welchem sportlichen Grund sollte Hertha gegen Bremen "auf die Mütze bekommen"? Die sind seit sechs Spielern ohne Sieg.

  9. 3.

    Diese dummen Kommentare. Egal was Hertha macht,manche Menschen können einfach nur meckern. Wie wäre es mal mit ABWARTEN!!! Hertha wird in den Dreck gezogen...

  10. 2.

    "Weil der Trainermarkt keine besseren Alternativen parat hatte, ..." vielleicht aber wollte kein Trainer seine Reputation auf's Spiel setzen.
    Vielleicht aber spielt auch mehr Charakter der auf dem Markt befindlichen Trainer, eine Rolle.
    Vielleicht aber brauchte der Widergänger nur Geld.
    In jedem Fall ist der BCC immer für einen Lacher zu haben.

  11. 1.

    Hertha wird gegen Bremen so was von auf die Mütze bekommen. Daran ändert auch ein Dardai nichts! Hätten die mal den Klinsmann aufräumen lassen. Dann wäre Schluss mit dem „Linke Tasche / Rechte Tasche“ und Zeit für erfolgreichen Fußball. Aber Nö, man weiß ja in Charlottenburg alles besser ….

Nächster Artikel