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Quelle: imago images/Contrast

Interview | Florian Kainzinger zur Zuschauer-Rückkehr

"Eine Vollauslastung mit Testkonzept ist machbar"

Die Zuschauer-Rückkehr war zuletzt kein Thema mehr. Das ändert nun eine Studie. Sie schlägt drei Modelle vor. Im rbb|24-Interview erklärt der Berliner Studienkoordinator Florian Kainzinger, wie diese aussehen. Er hält eine Realisierung schon im März für möglich.

rbb|24: Herr Kainzinger, was unterscheidet dieses neue Hygienekonzept zur schrittweisen Zuschauer-Rückkehr von denen, die wir aus dem Sport schon kennen?

Florian Kainzinger: Es unterscheidet sich aus meiner Sicht, weil es von 20 Autoren geschrieben wurde und nicht von einer Sportliga oder einem Verband. Es ist aus dem Kreis der Experten entstanden und bezieht sehr, sehr viel ein - eben auch nicht nur den Sport, sondern die Kultur mit Theaterhäusern oder Ballett. Wir haben versucht, diesen übergreifenden Ansatz zu wählen, weil wir der Meinung sind, dass bei sehr vielen Menschen eine große Sehnsucht besteht - und es mal einen eben solchen Ansatz braucht, der strukturell und wissenschaftlich fundiert das "Wie" beantwortet. Uns geht es mehr um dieses "Wie" als um das "Wann".

Florian Kainzinger, Berliner Gesundheitsökonom und Koordinator der Studie. | Quelle: rbb

Dieses "Wie" haben Sie in drei Modelle eingeteilt - von einem Basismodell bis zur Vollauslastung. Was unterscheidet sie genau voneinander?

Das Basismodell soll - wie der Name schon sagt - breit und einfach einsetzbar sein. Es hat standardisierte Auslastungszahlen und wir schlagen auch ein konkretes Sitzplatz-Schema vor. Es unterscheidet sich in Indoor- und Outdoor. Indoor kommen wir auf 25 bis 30 und Outdoor auf 35 bis 40 Prozent Auslastung. Dabei gibt es eine ganze Reihe von Standard-Hygieneregeln, die umgesetzt werden. Die Idee bei diesem Basismodell ist, dass es jede Einrichtung umsetzen kann - auch ein kleiner Sportverein im Amateurbereich.

Was baut dann darauf auf?

Das Spezial- und das Testkonzept. Die haben deutlich höhere Anforderungen. Hier müssen dann Experten ran für die individuelle Location. Es müssen gegebenenfalls Lüftungsgutachten gemacht werden und Fachärzte, die sich mit Infektionskrankheiten auskennen, müssen eine Situation bewerten. Dann gehen aber aus unserer Sicht auch höhere Auslastungen als die des Basismodells. Und theoretisch haben wir die Vollauslastung mit einem Testkonzept. Wir halten das für machbar. Die Autoren sind der Meinung, dass man Veranstaltungen nahezu voll machen kann, wenn man ein sinnvolles und kluges Testkonzept etabliert.

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Was müssten Sportvereine noch selbst machen, wenn sie das Basiskonzept aus Ihrer Studie haben?

Sie müssen sich aus meiner Sicht selbst ein bisschen mit Standardhygiene und den Regeln auseinandersetzen. Da stellen aber ganz viele Bundesländer schon super Vorlagen zur Verfügung - und viele von uns haben natürlich auch in der tagtäglichen Praxis schon gelernt, was Abstand, Hände desinfizieren, Maskenregeln und so weiter bedeuten. Von daher gehen wir davon aus, dass es relativ wenig braucht, um das Basismodell umzusetzen. Da ist kein externer Berater nötig. Man muss sich vor allem ein bisschen mit den Zuwegen - sprich: An- und Abreise - beschäftigen, weil die natürlich überall unterschiedlich ist. Oder der Frage, wie ich in der Halbzeitpause verfahre.

Bei Outdoor-Veranstaltungen sieht das Konzept den normalen Verzehr von Speisen und Getränken vor - unabhängig von der Zuschauerzahl -, nur beim Alkohol würde eine Grenze eingezogen, warum?

Beim Alkohol sehen wir schon ein besonderes Thema. Wir haben vorgeschlagen: Bei einer Größe über 1.000 Zuschauer keinen Alkohol auszuschenken. Der Grund ist klar: Alkohol führt zu Enthemmung und Enthemmung führt zu Fehlverhalten - gerade was Masken und Abstände angeht. Diese Regeln sind und bleiben aber wichtig, insbesondere wenn ich eine etwas höhere Auslastung habe. Deshalb würden wir an dieser Stelle einschränken.

Beim Sport ist die Anfeuerung des Teams eigentlich fester Bestandteil. Als phasenweise während der Pandemie wenige Zuschauer in die Stadien durften, war das Singen ein großes Thema. Wie ist in Ihrem Konzept der Standpunkt dazu?

Wir sagen nichts speziell zum Singen, aber wir beschreiben im Konzept Maskenregeln für In- und Outdoor. Indoor schlagen wir etwa vor, dass die Masken durchgehend zu tragen sind - das heißt auch am Sitzplatz. Dann halten wir es durchaus für machbar, dass ein normales Fanverhalten an den Tag gelegt wird. Ich glaube, es muss ein Stück reduziert werden. Ich habe das selbst beobachtet: Nach der Berliner Infektionsschutzverordnung war Singen im vergangenen Herbst explizit untersagt. Und es war für mich überraschend, dass - beispielsweise bei Alba Berlin beim Basketball - sich alle daran gehalten haben. Es wurde nicht gesungen. Das war schon neu und ein anderes Gefühl. Aber ich denke, die Leute würden sehr viel machen und auf sich nehmen an Regeln, wenn sie wieder die Möglichkeit haben - sei es im Sport oder auch der Kultur - das Angebot nutzen können, dem sie gerne nachgehen.

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Aber Sie würden es theoretisch auch für möglich halten, dass mit Maske auch gesungen wird?

Das halten wir für möglich - vor allem auch, wenn man sich die Location anschaut. Wie etwa die Luftbedingungen sind. Wenn wir beim Basketball bleiben und auf die Mercedes-Benz-Arena schauen: Die hat Lüftungsgutachten erstellt, hat einen super hohen Luftwechsel. Da ist - wenn dann noch Masken und Abstände dazukommen - auch die Situation gegeben, dass wirklich eine extrem geringe Ansteckungsgefahr in so einer modernen Multifunktionshalle besteht.

Sie plädieren zudem dafür, bei der Frage nach der Teilzulassung von Zuschauern langsam ein wenig vom Inzidenzwert wegzukommen und mehr darauf zu schauen, ob dem Gesundheitssystem eine Überlastung droht ...

Das liegt aus meiner Sicht auf der Hand. Die Berliner Amtsärzte haben das an diesem Wochenende ja jetzt scheinbar selbst dem Regierenden Bürgermeister mitgeteilt. Es gibt auch viele, viele andere Erkrankungen, bei denen wir nicht nur auf die Inzidenzen schauen. Wir müssen immer überlegen, was die Grundlage war, einen Lockdown zu machen. Einen Lockdown, der Freiheitsrechte der Bürger entzieht - und den übrigens alle Autoren der Studie für richtig halten. Den ersten und den zweiten, der gemacht wurde. Es war eine drohende Überlastung des Gesundheitswesens und der Intensivstationen abzuwenden. Wir gucken uns die Daten ganz genau an.

Und folgern aus Ihnen was?

Ein Drittel des Covid-19-Todesfälle in Deutschland bezieht sich auf Bewohner von Pflegeheimen. Die sind - Stand jetzt - zu 90 Prozent geimpft. Und die Impfung wirkt, wie wir wissen. Aus Israel gibt es ganz aktuelle Daten, die das auch nachweisen. Die Zahl der Patienten auf den Intensivstationen geht zurück. Wir haben jetzt schon fast 3.000 Betten weniger belegt als zum Peak im Dezember. Das ist aus unserer Sicht das Kriterium: Wie ist das Gesundheitswesen belastet? Wenn das wieder zunehmen sollte, muss es auch wieder Einschränkungen geben. Wir sind nicht für blindes Öffnen. Aber wir müssen schauen, was die Grundlage ist, um Freiheitsrechte zu entziehen. Und die ist aus unserer Sicht zunehmend weniger gegeben.

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Sie haben gesagt, dass Sie kein "Wann" festlegen wollen. Aber ich höre schon heraus, dass das Konzept, das Sie heute vorgestellt haben, theoretisch bei den aktuellen Zahlen zeitnah anwendbar wäre.

Das ist unserer Auffassung nach möglich. Also ich denke, man kann im März einsteigen. Man kann auch langsam einsteigen. Man kann auch Dinge ausprobieren und Erfahrungen sammeln. Aber wenn die Politik entscheidet, dass sie noch eine Zeit lang weiter beobachten will, wie es sich weiter entwickelt, ist es uns wichtiger, dieses "Wie" zu besprechen. Wir wollen vermeiden, dass es die eine Pauschalzahl gibt: 25 Prozent. Wir wollen kluge und modulare Konzepte anbieten, die man dann umsetzen kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Simon Wenzel, rbb Sport.

Sendung: rbb UM6, 22.02.2021, 18:15 Uhr

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