rbb24
  1. rbb|24
Video: rbb-Fernsehen | 11.10.2018 | Debatte "Cottbus Unerhört!?" | Quelle: rbb/Thomas Krüger

rbb-Debatte "Cottbus Unerhört!?"

"Die Probleme in Cottbus sind noch nicht gelöst"

Auseinandersetzungen zwischen Flüchtlingen und Deutschen hatten Cottbus zu Jahresbeginn in die Schlagzeilen gebracht. Doch wie ist die Situation in der Stadt jetzt? Der rbb hat am Donnerstag vor Ort nachgefragt. Von F. Ludwig und Th. Krüger

Gewaltvorfälle zwischen Ausländern und Einheimischen in Cottbus hatten zu Jahresbeginn hohe Wellen geschlagen, die Stimmung in der Stadt war angespannt. Der Verein "Zukunft Heimat" organisierte asylkritische Demonstrationen und zog damit teilweise tausende Menschen an. Andere Bürger gingen für eine weltoffene Stadt auf die Straße. Die Stadt erhöhte die Polizeipräsenz. Das brandenburgische Innenministerium ordnete an, zunächst keine weiteren Flüchtlinge aus der zentralen Aufnahmeeinrichtung des Landes nach Cottbus zu schicken.

Im März schob der rbb den Dialog zwischen Gegnern und Befürwortern der Flüchtlingspolitik an - und lud zu einer TV-Debatte Experten, Vertreter der Stadt und der Zivilgesellschaft ein. Am Donnerstag, ein halbes Jahr nach der ersten Sendung, fragte der rbb nun nach: Hat sich die Situation verändert? Und wenn ja - in welche Richtung?

Kelch: Wohnsitzauflage nicht möglich

Zur aktuellen Sendung kamen der Cottbuser Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU), als Vertreter des Landes Brandenburg der Chef der Staatskanzlei, Martin Gorholt (SPD), außerdem Dierk Borstel, Politikwissenschaftler von der Fachhochschule Dortmund, und Christoph Berndt von "Zukunft Heimat".

Oberbürgermeister Kelch bilanzierte, er sehe die Stadt auf einem guten Weg bei der Integration von Geflüchteten und bei der Verbesserung der Sicherheitslage. "Es ist deutlich ruhiger geworden in dieser Stadt" , sagte Kelch. Er räumte aber zugleich auch ein: "Die Probleme sind noch nicht gelöst."

Das Land habe der Stadt inzwischen finanziell unter die Arme gegriffen, blickte Kelch zurück. So hätten neue Stellen in der Sozialarbeit und beim Ordnungsamt geschaffen werden können. Gegen Intensivtäter gehe die Kommune auch entschieden vor. "Die ersten Maßnahmen greifen", so Kelch. Es seien aber noch weitere Maßnahmen und Mittel nötig. So habe er beispielsweise eine Wohnsitzauflage befürwortet, diese sei aber aus rechtlichen Gründen nicht möglich.

Mehr zum Thema

Umfrage im Auftrag des rbb

Wie ist die politische Stimmung in Cottbus?

   

"Zukunft Heimat" sieht keine Verbesserung der Lage

Im Laufe der Diskussionen kam es mehrfach zu Konfrontationen zwischen Christoph Berndt vom Verein "Zukunft Heimat" und Gorholt von der Brandenburger Regierungspartei SPD. Probleme in Deutschland ließen sich nicht lösen, wenn die "unkontrollierte Masseneinwanderung" weiterbestehe, kritisierte Berndt. Er berichtete von Fällen, in denen erst kürzlich wieder Flüchtlinge Straftaten in Cottbus begangen hätten. Martin Gorholt hingegen warnte vor Pauschalisierungen: Nur ein geringer Prozentsatz von Geflüchteten werde straffällig. Tatsächlich seien auch 20 Prozent der Flüchtlinge, die in den letzten drei Jahren gekommen seien, bereits in Arbeit oder in Ausbildung. Berndt wiederum warnte vor "illusionären Lagebeschreibungen".

Polizeidirektion: Mehr Präsenz hat sich bewährt

Politikwissenschaftler Dierk Borstel plädierte für mehr Gespräche, aber auch tatkräftiges Handeln des Staates. Die meisten Flüchtlinge würden voraussichtlich in Deutschland bleiben, zeigte sich Borstel überzeugt; Integration sei oft langwierig, aber wichtig. Probleme müsste der Staat jedoch auch überzeugend lösen. Ängste ernst nehmen, sei eine Sache, aber: "Es darf nicht beim Zuhören bleiben," so Borstel. "Da fehlt noch ein bisschen Einsatz."

Neben den Podiumsgästen kamen in der Debatte auch andere Politiker, Behördenvertreter und Bürger zu Wort, darunter die Cottbuser AfD-Fraktionsvorsitzende Marianne Spring-Räumschüssel oder Hagen Strese, CDU-Fraktionsvorsitzender, oder Sven Bogacz, Leiter der Polizeidirektion Süd.

Bogacz bestätigte, dass ausländische Tatverdächtige überproportional in der Statistik vertreten seien, wenn es um sogenannte Rohheitsdelikte geht. Insgesamt aber sei die Zahl der Straftaten rückläufig, so Bogacz. Bewährt habe sich mehr Polizeipräsenz auf den Cottbuser Straßen und die dauerhafte Videoüberwachung des Brennpunktes vor der Stadthalle.

Mehr Sozialarbeiter am Oberstufenzentrum

Auch der Leiter des Oberstufenzentrums Cottbus, Michael Seifert, lobte die bisherigen Maßnahmen: So gebe es zwei zusätzliche Sozialarbeiter an seiner Schule. Dies habe dazu beigetragen, die Situation an der Schule zu beruhigen, weil man sich intensiver um auffällige Schüler kümmern kann.

Der Geschäftsführer der IHK Cottbus, Marcus Tolle, betonte, dass die großen Probleme der Region - Fachkräftemangel und Strukturwandel - nur mit Menschen aus Deutschland und dem Ausland zu lösen seien.

OB Kelch kündigte in der Debatte an, die Stadt wolle mit den Bürgern im Gespräch bleiben. So würden die Bürgerdialoge fortgeführt. Erste Gesprächsrunden hatte es bereits im Frühsommer gegeben.

Beitrag von Florian Ludwig & Thomas Krüger

Artikel im mobilen Angebot lesen