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Audio: rbb24 Inforadio | 02.09.2022 | Amelie Ernst | Quelle: dpa/Patrick Pleul

Halbzeit bei Grundsteuerreform

Erst acht Prozent Rücklauf bei Grundsteuererklärung in Brandenburg

Noch bis Ende Oktober haben Grundstücksbesitzer Zeit, ihre Grundsteuererklärung abzugeben. Doch in Brandenburg sind zur Halbzeit erst acht Prozent der Erklärungen bei den Finanzämtern eingegangen. Von Amelie Ernst

Die Schlange in der Dossehalle in Wusterhausen (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) wird immer länger. Zweieinhalb Stunden haben Mitarbeiter des Kyritzer Finanzamts die Fragen von rund 200 Grundstücksbesitzern und -besitzerinnen beantwortet.

Doch jetzt, im Anschluss, stellen sich viele von ihnen noch einmal an – die meisten fragen nach den richtigen Formularen für die Grundsteuererklärung, auf Papier. "Ich mache es mit dem Formular. Computer ist höhere Technik – damit kenne ich mich nicht mehr aus", sagt eine Rentnerin. "Mit Elster klappt es ja nicht im Internet. Das ist eine Katastrophe", pflichtet ihr ihr Sitznachbar bei.

Stichtag 31. Oktober

Wie die Neuberechnung der Grundsteuer die Digitalisierung beschleunigen soll - und Nerven kostet

Grundstücksbesitzer werden derzeit zum Formular gebeten. Im Steuerportal Elster müssen sie eine Erklärung abgeben, mit der die Grundsteuer neu berechnet wird. Hunderttausende trifft das in Berlin - nicht jeder kommt mit dem System zurecht. Von Iris Völlnagel

Kyritzer Finanzamt wird mit Nachfragen bombardiert

Die Abgabe in Papierform sollte eigentlich die Ausnahme sein, doch die Brandenburger Finanzämter haben sich darauf eingestellt, dass vielen die Umstellung auf die digitale Steuererklärung schwerfällt. Und die Fragen, was wo eingetragen werden muss, reißen nicht ab – nicht nur an diesem Abend in Wusterhausen, berichtet Christian Schrinner, der Leiter des Kyritzer Finanzamts. "Fakt ist: Wir werden momentan während der Öffnungszeiten permanent sowohl telefonisch als auch von Leuten, die vorbeikommen, mit Fragen bombardiert. Es ist bei uns das Hauptthema und der Betrieb hat sich seit Beginn der Grundsteuerreform deutlich erhöht."

Die Fragen drehen sich vor allem um Flurbezeichnungen, Grundstücksgrößen und Bodenrichtwerte - Dinge, mit denen sich viele Grundsteuerpflichtige lange nicht befasst haben. Und die meisten verstünden auch nicht, warum sie die Daten nochmal zusammentragen müssten, obwohl diese den Ämtern doch längst vorliegen müssten, so Schrinner. Andere wiederum hadern nicht nur mit den Daten und den Formularen, sondern auch mit der Reform an sich. "Ich bin der Meinung, wir zahlen schon über hunderttausende Euro für die Grundstücke, die wir kaufen. Und jetzt sollen wir auch noch Grundsteuer bezahlen. Finde ich ein bisschen doof", sagt ein Mann in der Warteschlange für die Papierformulare.

Minsterin sieht keine Probleme bei digitaler Abgabe

Einen Teil des Frusts kann Sachgebietsleiter Maik Brandl vom Kyritzer Finanzamt sogar verstehen, sagt er – tatsächlich lägen den Finanzämtern viele Daten bereits vor. "Ja, man hätte es leichter machen können. Es ist ja versucht worden, eine Datenbank zu erstellen, die quasi alles weiß, was wir über Grundstücke wissen. Doch das ist leider nicht gelungen."

Diese Probleme sieht auch die Brandenburger Finanzministerin Katrin Lange (SPD). Allerdings gebe es hier – anders als in anderen Bundesländern – grundsätzlich keine Probleme bei der digitalen Abgabe der Grundsteuererklärung. Etwa 1,8 Millionen Grundstücke müssen in Brandenburg neu bewertet werden – bebaute und unbebaute ebenso wie Äcker und Waldflächen. Auch hier gelten immer noch die Einheitswerte von 1935 – daher sei eine Neuberechnung grundsätzlich angebracht, so Lange.

Erschwerend käme in den ostdeutschen Bundesländern allerdings hinzu, dass man hier gleichzeitig die Veränderung von der Nutzer- zur Eigentümerbesteuerung vornehme. Auch das verursache zusätzliche Fragen. Wohl auch deshalb sind in Brandenburg bisher vergleichsweise wenige Grundsteuererklärungen erfasst worden – gerade einmal acht Prozent vom Gesamtsoll. Fast 15 Prozent sind es dagegen im Bundesschnitt.

Ämter und Grundstücksbesitzer überlastet

Belastet durch die Grundsteuerreform sind damit nicht nur die Grundstücksbesitzer:innen, sondern auch die Mitarbeitenden in den Finanzämtern. Viele Ämter klagen ohnehin über Personalmangel; es fehlt an Bewerber:innen für die offenen Stellen. Dazu kommen nun die vielen Papieranträge, die von Mitarbeitenden per Hand in die Datenbank eingegeben werden müssen.

"Ja, der Stand ist im Moment noch sehr gering. Wir gehen aber davon aus, dass er jetzt eben auch überproportional ansteigen wird", sagte Lange im Finanzausschuss des Brandenburger Landtags. Forderungen nach einer Verlängerung der Abgabefrist über den 31. Oktober hinaus weist die Ministerin allerdings zurück – vorerst. "Aber machen wir uns nichts vor. Natürlich diskutieren wir innerhalb der Länderfinanzminister und der Steuerfachleute."

Allerdings wolle man die Neubewertung der Grundstücke bis Mitte 2024 abgeschlossen haben. Allzu großzügig dürfte die Frist also auch nicht verlängert werden.

Sendung: Radioeins, 02.09.2022, 09:10 Uhr

Beitrag von Amelie Ernst

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