Halbzeit bei Grundsteuerreform - Erst acht Prozent Rücklauf bei Grundsteuererklärung in Brandenburg

Fr 02.09.22 | 14:53 Uhr | Von Amelie Ernst
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Eine Photovoltaikanlage auf einem Eigenheim (Luftaufnahme mit einer Drohne) (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Audio: rbb24 Inforadio | 02.09.2022 | Amelie Ernst | Bild: dpa/Patrick Pleul

Noch bis Ende Oktober haben Grundstücksbesitzer Zeit, ihre Grundsteuererklärung abzugeben. Doch in Brandenburg sind zur Halbzeit erst acht Prozent der Erklärungen bei den Finanzämtern eingegangen. Von Amelie Ernst

Die Schlange in der Dossehalle in Wusterhausen (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) wird immer länger. Zweieinhalb Stunden haben Mitarbeiter des Kyritzer Finanzamts die Fragen von rund 200 Grundstücksbesitzern und -besitzerinnen beantwortet.

Doch jetzt, im Anschluss, stellen sich viele von ihnen noch einmal an – die meisten fragen nach den richtigen Formularen für die Grundsteuererklärung, auf Papier. "Ich mache es mit dem Formular. Computer ist höhere Technik – damit kenne ich mich nicht mehr aus", sagt eine Rentnerin. "Mit Elster klappt es ja nicht im Internet. Das ist eine Katastrophe", pflichtet ihr ihr Sitznachbar bei.

Kyritzer Finanzamt wird mit Nachfragen bombardiert

Die Abgabe in Papierform sollte eigentlich die Ausnahme sein, doch die Brandenburger Finanzämter haben sich darauf eingestellt, dass vielen die Umstellung auf die digitale Steuererklärung schwerfällt. Und die Fragen, was wo eingetragen werden muss, reißen nicht ab – nicht nur an diesem Abend in Wusterhausen, berichtet Christian Schrinner, der Leiter des Kyritzer Finanzamts. "Fakt ist: Wir werden momentan während der Öffnungszeiten permanent sowohl telefonisch als auch von Leuten, die vorbeikommen, mit Fragen bombardiert. Es ist bei uns das Hauptthema und der Betrieb hat sich seit Beginn der Grundsteuerreform deutlich erhöht."

Die Fragen drehen sich vor allem um Flurbezeichnungen, Grundstücksgrößen und Bodenrichtwerte - Dinge, mit denen sich viele Grundsteuerpflichtige lange nicht befasst haben. Und die meisten verstünden auch nicht, warum sie die Daten nochmal zusammentragen müssten, obwohl diese den Ämtern doch längst vorliegen müssten, so Schrinner. Andere wiederum hadern nicht nur mit den Daten und den Formularen, sondern auch mit der Reform an sich. "Ich bin der Meinung, wir zahlen schon über hunderttausende Euro für die Grundstücke, die wir kaufen. Und jetzt sollen wir auch noch Grundsteuer bezahlen. Finde ich ein bisschen doof", sagt ein Mann in der Warteschlange für die Papierformulare.

Ja, man hätte es leichter machen können. Es ist ja versucht worden, eine Datenbank zu erstellen, die quasi alles weiß, was wir über Grundstücke wissen. Doch das ist leider nicht gelungen

Mitarbeiter eines Brandenburger Finanzamts

Minsterin sieht keine Probleme bei digitaler Abgabe

Einen Teil des Frusts kann Sachgebietsleiter Maik Brandl vom Kyritzer Finanzamt sogar verstehen, sagt er – tatsächlich lägen den Finanzämtern viele Daten bereits vor. "Ja, man hätte es leichter machen können. Es ist ja versucht worden, eine Datenbank zu erstellen, die quasi alles weiß, was wir über Grundstücke wissen. Doch das ist leider nicht gelungen."

Diese Probleme sieht auch die Brandenburger Finanzministerin Katrin Lange (SPD). Allerdings gebe es hier – anders als in anderen Bundesländern – grundsätzlich keine Probleme bei der digitalen Abgabe der Grundsteuererklärung. Etwa 1,8 Millionen Grundstücke müssen in Brandenburg neu bewertet werden – bebaute und unbebaute ebenso wie Äcker und Waldflächen. Auch hier gelten immer noch die Einheitswerte von 1935 – daher sei eine Neuberechnung grundsätzlich angebracht, so Lange.

Erschwerend käme in den ostdeutschen Bundesländern allerdings hinzu, dass man hier gleichzeitig die Veränderung von der Nutzer- zur Eigentümerbesteuerung vornehme. Auch das verursache zusätzliche Fragen. Wohl auch deshalb sind in Brandenburg bisher vergleichsweise wenige Grundsteuererklärungen erfasst worden – gerade einmal acht Prozent vom Gesamtsoll. Fast 15 Prozent sind es dagegen im Bundesschnitt.

Ämter und Grundstücksbesitzer überlastet

Belastet durch die Grundsteuerreform sind damit nicht nur die Grundstücksbesitzer:innen, sondern auch die Mitarbeitenden in den Finanzämtern. Viele Ämter klagen ohnehin über Personalmangel; es fehlt an Bewerber:innen für die offenen Stellen. Dazu kommen nun die vielen Papieranträge, die von Mitarbeitenden per Hand in die Datenbank eingegeben werden müssen.

"Ja, der Stand ist im Moment noch sehr gering. Wir gehen aber davon aus, dass er jetzt eben auch überproportional ansteigen wird", sagte Lange im Finanzausschuss des Brandenburger Landtags. Forderungen nach einer Verlängerung der Abgabefrist über den 31. Oktober hinaus weist die Ministerin allerdings zurück – vorerst. "Aber machen wir uns nichts vor. Natürlich diskutieren wir innerhalb der Länderfinanzminister und der Steuerfachleute."

Allerdings wolle man die Neubewertung der Grundstücke bis Mitte 2024 abgeschlossen haben. Allzu großzügig dürfte die Frist also auch nicht verlängert werden.

Sendung: Radioeins, 02.09.2022, 09:10 Uhr

Beitrag von Amelie Ernst

48 Kommentare

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  1. 48.

    So ein Quatsch. Bei unserer Steuertante kostete es von Beginn an etwa 500€ und alles ist erledigt. Die meisten sind einfach nur zu geizig. Wenn man es nicht selbst kann wegen Alter oder sonstigen Einschränkungen, dann jammert doch bitte hier nicht so rum und lasst es machen. Wie erledigt ihr denn sonst eure Steuer? Am PC ist nicht viel anders als auf’n Papier. Ich kann das Gejammer echt nicht mehr hören.

  2. 47.

    "Bis letzten Monat war der Stand so, dass die Steuer-Büros nicht helfen durften." Wo haben Sie diese Information her?

  3. 46.

    Es gibt reichlich Anbieter, die einem gegen entsprechendes Geld das Ausfüllen der Formulare abnehmen.
    Bei manchen Diskussionsteilnehmern frage ich mich wirklich, wie sie es bis auf diese Website geschafft haben.

  4. 45.

    Und wie sind die Berliner Zahlen?

  5. 44.

    Bis letzten Monat war der Stand so, dass die Steuer-Büros nicht helfen durften. Hat sich etwas daran verändert?

  6. 43.

    Ich habe mein FA per Frist in Verzug gesetzt, da meine Angaben laut Grundbuch als Fehler angezeigt werden. Mal sehen was jetzt passiert.

  7. 42.

    " Nur an dem Hebesatz könnte sich noch was ändern." Nein! Dazwischen fehlt noch ein wichtiger Schritt. Sonst bräuchte es das Finanzamt nicht. Das Wunderwort heißt Steuermesszahl.

  8. 41.

    "Nicht eingerechnet die Arbeitsstunden der Eigentümer," Und wie dreist die Regierung den Aufwand derer runtergerechnet hat, lässt sich nachlesen.(*) Vorab: Für alle Bürger in ganz Deutschland wurden 2.100.000 Stunden angesetzt. Plus 445K Euro fürs versenden von Papier. Da die Papiere mehr als 50gr wiegen, wäre allein das Porto 1,60 + Umschlag + zur Post....
    Aber für die Wirtschaft mal schnell 100Mio eingerechnet. Die Armen.

    (*) https://dserver.bundestag.de/btd/19/110/1911085.pdf (Seite 2 bis 4)

  9. 40.

    Die Bodenrichtwerte sind schon festgelegt. Nur an dem Hebesatz könnte sich noch was ändern. Was hoffentlich auch passiert. Denn die hier erhobenen Bodenrichtwerte entsprechen unter Garantie nicht den erzielten Verkaufspreisen und sind viel zu hoch angesetzt.

  10. 39.

    Ich bin bereits an Zeile 1, dem Aktenzeichen gescheitert. Immer wieder vom letzten Grundsteuerbescheid diesed eingetippt. Mit und ohne Leerzeichen Bindestriche etc., pure Verzweiflung bereits in Zeile 1! Anruf beim Finanzamt ergab, dass sich durch die Zusammenlegung der Ämter die Aktenzeichen geändert haben. Die Bürger wurden darüber natürlich nicht informiert...Ja geht's noch?

  11. 37.

    Frist 31.10.22. Ihr Kommentar ist völlig daneben. Wie schon in der Schule. Manche haben die Hausaufgaben Freitag Nachmittag fertig, andere machen sie Montag frag kurz vor Schulbeginn. Wozu gibt es wohl Fristen?

  12. 36.

    Komplexes Thema wie jegliches Steuerrecht in Deutschland. Einfach und unkompliziert kann dieses Land wohl nicht mehr.
    Gab ja schon einige Ansätze das ganze einfacher und transparenter zu gestalten.
    Interessant auch die jetzige „Reform“ verursacht Verwaltungskosten von geschätzt 580 Mio EUR. Nicht eingerechnet die Arbeitsstunden der Eigentümer, um die Aufgaben der Finanzverwaltungen zu erbringen.
    Ja das kostet auch Geld und Arbeitszeit in Unternehmen wo sich Menschen mit solchen Themen nun beschäftigen dürfen. Als hätten wir derzeit nicht genügend andere Sorgen und Probleme.

  13. 35.

    Mit meinem Wohnhaus in Elbe-Elster bin ich schon bei den 8% mit dabei. Mit den Grundstücken meiner Eltern in der Uckermark, die bereits auf meine Schwester und mich überschrieben sind, noch nicht. Weil wir bis heute noch keine Aktenzeichen vom Finanzamt Angermünde bekommen haben. Und hätte ich die nicht angeschrieben würde es auch so bleiben. Aber der Staat setzt Fristen. Ein großes Problem ist auch dass Finanzämter die private Postdienste wie z.B. RPV nutzen. Da habe ich schlechte Erfahrung.

  14. 34.

    Wohin schlägt Ihre Sozialstaatswaage denn eigentlich aus?

    Eher auf „Nehmen“ oder „Geben“?

    Ich habe da so ein subjektives Gefühl, das Sie sicherlich gleich widerlegen werden. ;-)

  15. 33.

    „Steuerbetrug im großen Stil? „

    Halleluja, auf die Idee muss man erstmal kommen!

    Lassen Sie mich raten, sind Sie Geisteswissenschaftler?

  16. 32.

    "Warum sind alle so unwillig?"
    Machen wir mal das andere Fass auf: Seit Jahr und Tag hat die Grundsteuer der Nutzungsberechtigte gezahlt.
    Die anstehende Erklärung MUSS derjenige abgeben, der am 1.1.2022 Eigentümer war.
    So. Und nu: Irgendeine Erbengemeinschaft, denen das Grundstück zwar gehört, aber keiner von denen ist in Brandenburg ansässig... Oder gar in Deutschland. Glauben Sie gibt es nicht?
    Willkommen in der Realität!
    Was denken Sie, wie viele Flurstücke im Land Brandenburg Eigentum von Nicht-Brandenburger sind?
    Fragen Sie mal das Forstamt um die Ecke.
    Oder Ihre Kommune oder gar Gerichte.
    Oh. Letztere zum Nachlesen:
    https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2022/09/brandenburg-rangsdorf-grundstuecksstreit-land-zahlt-schandensersatz.html
    Auch Ihnen willkommen in der Realität.

  17. 31.

    "Würde es Geld fürs Ausfüllen geben, würde es Ihrer Meinung nach ebenso wenige Rückläufer geben? "
    Wollen Sie meine ehrliche Meinung? Sie haben KEINE Ahnung!
    Wie viele haben in Deutschland Anspruch auf Wohngeld und stellen diesen Antrag nicht, wo doch bekannt ist, das jeder Berechtigter einen durchschnittlichen Anspruch von ca. 177 Euro IM MONAT - DAS ENTSPRICHT 2124 EURO IM JAHR (JEDES JAHR!) hat.
    Ups! War Ihnen nicht bekannt? Sie sollten sich informieren!

  18. 30.

    Was meinen Sie mit Pflichten? Dem Finanzamt die leidige Arbeit der Digitalisierung analog seit jeher verfügbarer Daten abzunehmen? Und das ganze kostenlos und in der Freizeit? Sie haben ja eigentümliche Vorstellungen von Bürgerpflichten! Wenn der Fiskus etwas möchte, dann soll er das bitte schön ordentlich feststellen und einen Bescheid schicken. Die erforderlichen Informationen liegen der Behörde ja offenbar längst vor (siehe Kommentar "Ein Bürger").

  19. 29.

    Die Antwort auf ihre Frage, Ansichten finden sie hier - hoffe ich:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Grundsteuer_(Deutschland)

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