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Audio: Antenne Brandenburg | 28.10.2022 | Andreas Pötzl | Quelle: dpa/D. Reinhardt

Stopp in der Prignitz gestrichen

Flixtrain-Züge halten nicht mehr in Wittenberge

Flixtrain expandiert, in Wittenberge aber sieht man den grünen Zügen ab dem Winter nur noch beim Vorbeifahren zu: Das Unternehmen streicht den Halt in der Prignitz. Das betrifft vor allem Pendler nach Berlin und Hamburg.

Der private Bahnbetreiber Flixtrain hat den Halt in Wittenberge (Prignitz) aus dem Fahrplan gestrichen. Das geht das aus dem nun veröffentlichten Winterfahrplan hervor. Zuerst hatte die Zeitung "Der Prignitzer" am Freitag darüber berichtet [svz.de]. Davon betroffen seien vor allem Pendler, die in Hamburg oder Berlin arbeiten.

Wie der neue Winterfahrplan zeigt, fährt von Dezember bis Ende März zwischen Berlin und Hamburg täglich nur ein Zug des Unternehmens. Zwischen den beiden Metropolen wird dieser Zug keinen Halt machen. Für die Zeit danach hat Flixtrain noch keine Pläne veröffentlicht. Ein Sprecher des Unternehmens kündigte eine Stellungnahme für Freitag an.

Neue Verbindungen von Berlin

Flixtrain erweitert sein Netz auf der Fernstrecke

Nach Stillstand in der Corona-Pandemie läuft auch bei Flixtrain das Geschäft wieder. Zurzeit baut das Unternehment sein Fernstrecken-Netz aus - und macht damit der Deutschen Bahn Konkurrenz. Seit Juni gibt es neue Verbindungen ab Berlin. Von Annika Krempel

Bürgermeister: "Für den Bahnkunden schwer erträglich"

Der Wittenberger Bürgermeister Oliver Herrmann (parteilos) zeigte sich empört. "Es sieht ja keiner mehr durch und das ist für den Bahnkunden schwer erträglich", sagte er dem rbb. "Jedes Jahr neu zu gucken, wie ist es denn nur mit verlässlicher Bahnanbindung? Da sind wir dann weit entfernt. Hält der, hält der nicht?"

Flixtrain hatte den Zuschlag für Zeitfenster auf einigen IC-Strecken erhalten, die bisher die Bahn bedient hatte. Hermann forderte eine Gesamtkalkulation mit den Haltevorgaben in den Orten in den ländlichen Regionen. Denn bisher könnten Anbieter im Fernverkehr selbst nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entscheiden, an welchen Bahnhöfen gestoppt wird. "Natürlich sagen die Unternehmen, wer bezahlt mir das. Das muss geregelt werden", so Hermann. Geschiehe dies nicht, werde der Umstieg auf die Bahn und die Verkehrswende nicht gelingen. Aus Sicht des Wittenberger Bürgermeisters seien die Kunden im ländlichen Raum die Leidtragenden.

Der Bund müsse als Regulierungsbehörde dafür sorgen, dass die Halte funktionieren und dass die Fahrkartenverkäufe kundenfreundlich gestaltet werden. Denn der Anbieterwechsel hat für die Bahnpendler weitere Folgen: ihre bisherigen Jahres- und Monatskarten der Deutschen Bahn werden in den Flixtrain-Zügen nicht akzeptiert. Der Kunde müsse seine Fahrkarten in allen Zügen – unabhängig des Anbieters – nutzen können, fordert Hermann. "Ansonsten macht das alles gar keinen Sinn mehr."

Großprojekt in der Prignitz

Bauarbeiten am Bahnhof Pritzwalk dauern mindestens einen Monat länger

Offener Brief an Bahn und Bund

Bereits vor zwei Wochen hatte Herrmann einen offenen Brief an unter anderem die Deutsche Bahn und das Bundesverkehrsministerium gerichtet [wittenberge.de]. Darin kritisierte der Bürgermeister die damals bekanntgewordene Entscheidung, Flixtrain ab dem Fahrplanwechsel 2022/23 den Zuschlag für die Nutzung von drei bis vier Trassen zwischen Hamburg und Berlin zu erteilen.

Er befürchte für seine Stadt eine Verschlechterung des Angebots im Fernverkehr, schrieb Herrmann. Das Unternehmen habe bereits 2020/21 den Fahrplan aus wirtschaftlichen Gründen zuerst nur eingeschränkt bedienen können - und wegen der Corona-Situation dann ganz eingestellt. Angesichts von Investitionen in Höhe von rund 50 Millionen Euro am Bahnhof Wittenberge sei diese Entscheidung falsch.

Der parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Fraktion im Brandenburger Landtag, Thomas Domres, sagte, durch den Wegfall des Halts Wittenberge werde der ländliche Raum als Arbeits- und Wohnort unattraktiver. "Diese Fehlentwicklung muss gestoppt und die diesbezüglichen Entscheidungen müssen schnellstmöglich zurückgenommen werden. Mindestens das jetzige Angebot muss über den Fahrplanwechsel hinaus erhalten bleiben", forderte der Abgeordnete aus der Prignitz. Von der DB AG erwarte er, dass sie die jetzt freien Trassenkorridore nutze und die Prignitz entsprechend bediene.

Busverkehr ist fast ausgereizt, deshalb Schiene

Das Streichen des Halts in Wittenberge steht entgegen der Wachstumspläne des Privatunternehmens. Seit vergangenem Sommer gibt es drei neue Verbindungen von und nach Berlinm außerdem zwischen Stuttgart und Hamburg. Außerdem verdichtete Flixtrain seinen Takt auf den Verbindungen von München über Köln nach Hamburg sowie zwischen Hamburg, Berlin und Leipzig. "Tatsächlich sind wir dabei, unser Angebot zu verdoppeln", sagte Matthias Müller, Geschäftsführer von Flixtrain, im Juni rbb|24.

Flixtrain ist Teil von Flix. Dieses hatte mit Fernbussen erst vor wenigen Jahren sein Geschäft aufgenommen. Seit 2013 ist Flix in über 30 Länder expandiert, auch nach Nord- und Südamerika. In den USA hat das Unternehmen erst im vergangenen Jahr die Traditionsmarke Greyhound übernommen.

Weil es den Fernbusverkehr in Deutschland und Europa bereits dominiert und hier kaum noch Wachstum möglich ist, setzt Flix auf die Schiene. Seit 2018 fahren grüne Züge für das Unternehmen im Fernverkehr. Damals ging der private Anbieter Locomore pleite, das neue Bahnunternehmen Flixtrain hat die Strecke Stuttgart-Berlin übernommen und das Streckennetz dann Zug um Zug ausgebaut. Auch im europäischen Ausland gibt es Verbindungen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 28.10.2022, 5 Uhr

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