Konzertkritik | Future Islands in der Columbiahalle
Melancholischer, aber extrem tanzbarer Indiepop mit viel Synthesizer. Das ist das Markenzeichen der Band Future Islands aus den USA. Am Donnerstag verzauberten sie mit ihrem Sound eine vollgepackte Berliner Columbiahalle. Von Hendrik Schröder
Wahnsinnig heiß ist es. Fast 3.000 Leute sind am Donnerstagabend in die Columbiahalle gekommen und der Schweiß läuft einem aus jeder Pore. Mit ihren Eintrittskarten fächeln sich die Leute Luft zu, manche auch mit mitgebrachten Fächern. Das ist überhaupt ein Accessoire, das man derzeit häufiger auf Konzerten sieht.
Wäre vielleicht eine Marktlücke, die mal in lässig zu produzieren. Wenn das so weitergeht mit dem Klimawandel, müssen sich die Club- und Hallenbetreibenden jedenfalls echt was einfallen lassen in Sachen Kühlung. Zumal bei so starken Bands wie den Future Islands, die an diesem Abend kaum jemanden im Zuschauerraum ruhig stehen lassen.
"We've got plenty of time to talk, let's make some fuckin' music first", sagt Sänger Samuel Herring gleich zu Beginn. Übersetzt also etwa: "Wir haben noch viel Zeit zu reden, lasst uns erst mal ein bisschen verdammte Musik machen". Das ist ein super Einstieg. Alle johlen und wollen genau das.
Die Band legt dann los und schon die Aufstellung der Musiker ist echt einmalig: Keyboarder, Drummer und Basser stehen beziehungsweise sitzen auf einem weißen Podest hinten auf der Bühne. Und sehen dabei aus wie die Nerds, die in der Schule immer gemobbt wurden wegen ihrer Uncoolness und die sich dann gefunden haben, um die coolste Band von allen zu gründen.
Gut, der Drummer wackelt, einmal warm gespielt, doch ordentlich mit dem Oberkörper, aber die anderen beiden schauen einfach nur auf ihre Instrumente und machen Musik. Vorne aber hat Sänger Herring etwa vier Mal 20 Meter Platz, um sich auszutoben und nutzt jeden Zentimeter davon. Was für ein Typ, was für ein Frontmann, dieses Mal im wahrsten Sinne des Wortes.
In engen blauen Jeans und schwarzem Shirt sieht Samuel Herring erst mal aus wie der unscheinbare Typ von nebenan, aber er brennt ein Feuerwerk an Show ab, dass einfach mitreißt. Keine Sekunde steht er still, läuft, rennt, sprintet über die Bühne, hinter sich ein paar meterhohe, mit weißem Stoff bespannte Elemente als einzige Bühnendekoration. Er kniet sich hin, vorne an den Bühnenrand, geht an der ersten Reihe vorbei und singt allen ins Gesicht.
Dabei zeigt Herring ein so ehrliches, herzliches, entwaffnendes Lachen im Gesicht, das alles und jeden umarmt und den Leuten das Gefühl gibt: Wir erleben das wirklich gerade alles gemeinsam, wir gehören zusammen. Zwischendurch schreit er auch ganz unvermittelt, so ein wenig wie der Hulk, dann geht jedes Mal ein Raunen durchs Publikum.
Und dann lassen sich alle, Band und Publikum, in diese Musik fallen, die zwar von Song zu Song nicht sonderlich variiert, aber so etwas schön Hypnotisches hat. Die nie wirklich schnell ist, aber auch nie langsam, weil die Drums das ganze Ding immer zackig voran treiben und die Keyboards so schöne Flächen legen - und der Bass so spröde und trocken läuft und läuft und läuft. Ein wirklich fantastisches Konzert einer ganz und gar ungewöhnlichen Band.
Sendung: rbb24 Inforadio, 19.08.2022, 06:55 Uhr
Beitrag von Hendrik Schröder
Artikel im mobilen Angebot lesen