Er porträtierte Berlin wie kein anderer: Heinrich Zille. Am 10. Januar 1858 im sächsischen Radeburg bei Dresden geboren, kannte der spätere Zeichner, Grafiker und Fotograf die Härten des Lebens. Sein Vater war zeitweise in Schuldhaft, seine Mutter brachte die Familie mit Putzdiensten durch.

"Zehn Fennje der Hampelmann! / Fünf Fennje der goldene Stern!". (Kinder als Verkäufer auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin) 1931

1857 zog der 9-Jährige mit seiner Familie nach Berlin. Sein Vater fand zwei Jahre später eine Anstellung bei Siemens & Halske. Heinrich's Zeichenlehrer erkannte das Talent des Jungen und riet ihm zu einer Ausbildung als Lithograph.

"Winterfreuden" um 1912
Schwarze Kreide, Kohle auf Papier, 17,8 x 11,1 cm

Die Ausbildung absolvierte er bei Fritz Hecht und studierte dann als Abendschüler an der Königlichen Kunstschule. Sein Professor Theodor Hosemann sagte zu ihm: "Gehen sie lieber auf die Straße hinaus, ins Freie, das ist besser, als wenn sie mich kopieren!"
Zille folgte diesem Rat sein Leben lang. Er ging in die Gassen, Hinterhöfe und Kaschemmen...

"Gesellschaft in Altberliner Destille", 1905
Schwarze Kreide, Feder und Aquarell, 26,3 x 25,2 cm

... an den Müggelsee oder Wannsee.

"Handstand machende Jungen", vermutlich 1898
Fotografie, Silbergelatinepapier, 60 × 50 cm

Und Zille fotografierte...

Johann Traugott und Ernestine Louise Zille vor ihrem Haus in Rummelsburg, September 1887.
Fotografie, Silbergelatinepapier

... und zeichnete, was er sah.

"Strandbad Wannsee", um 1912

1877 wurde Heinrich Zille als Reproduktionstechniker bei der "Photographischen Gesellschaft" angestellt. Nach der Heirat mit Hulda Frieske zog das Paar 1883 in den Rummelsburger Kiez. 1884 kamen Margarete, 1888 Hans und 1891 Walter zur Welt. Zille lebte mit seiner Frau und drei Kindern zunächst in Lichtenberg.

Studienblatt "Säuglingskopf" um 1910,
Schwarze Kreide auf Papier, 19,0 cm × 15,2 cm.

1892 zog die Familie in die Sophie-Charlotte-Straße 88 nach Charlottenburg. Die "Photographische Gesellschaft" hatte ihre Werkstätten nach Charlottenburg verlegt. Dort lernte er die Berliner Kunstszene kennen, deren Mitglieder bei der "Photographischen Gesellschaft" ihre Grafiken drucken ließen.

Mit seiner Arbeit setzte er sich gegen die soziale Verelendung, massive Industrialisierung und für die proletarische Unterschicht ein.

"Drei Männer auf dem Heimweg", vermutlich 1898.
Fotografie, Zelloidin matt, 52 × 42 cm.

Seine sozialkritische Haltung, die die Missstände anprangerte, gefiel nicht jedem. 1907 wurde er von der "Photographischen Gesellschaft" entlassen.

"Müllsammler", 1895.
Tinte und Aquarell auf Papier, 16,5 x 23,5 cm

Dies führte dazu, dass er sich seiner Kunst widmen konnte. 1903 war er in die "Berliner Secession" aufgenommen worden und mit Max Liebermann, Käthe Kollwitz oder Claire Waldoff befreundet.

"Geburtstagsblatt zum 80. Geburtstag von Max Liebermann", 1927
Lithographie

Er arbeitete für Verlage und Zeitschriften, veröffentlichte Bücher, Mappen und Filme und wurde Mitbegründer der Zeitschrift "Eulenspiegel". 1924 wurde Heinrich Zille auf Anregung von Max Liebermann als Professor in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen. Seine Frau Hulda starb 1919 im Alter von 54 Jahren.

"Des Lebens satt Ins Wasser", 1899/1900
Lithographie auf Kupfertiefdruckkarton mit gewalztem Chinapapier, 43,4 cm × 34,4 cm

Kurz vor seinem Tod wurde ihm zu seinem 70. Geburtstag die Retrospektive "Zilles Werdegang" im Märkischen Museum gewidmet. Er starb im Alter von 71 Jahren am 9. August 1929 in Berlin und wurde auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf beerdigt. 2.000 Trauergäste folgten seinem Sarg.
Kurt Tucholsky schrieb: "Zilles Seele ist ganz Berlin: weich, große Schnauze, nach Möglichkeit warme Füße, und: Allens halb so schlimm." Sendung: Abendschau, 10.01.2023, 19:30 Uhr | zum Beitrag | weitere Bildergalerien