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Audio: Inforadio | 02.08.2021 | Sylvia Tiegs | Quelle: dpa/Silvia Marks

Interview | Mieterrechte und Hitzeschutz

"Da hilft nur feuchte Wäsche aufhängen"

Mit der Sommerhitze wird es vor allem in der Stadt in vielen Wohnungen unerträglich. Was können Mieter tun, um sich wirkungsvoll zu schützen? Ohne Zustimmung des Vermieters leider nicht sehr viel, sagt Rainer Radloff vom Mieterbund Brandenburg.

rbb|24: Herr Radloff, sind Vermieter rechtlich verpflichtet, für ihre Mieter Sonnenschutz anzubringen?

Rainer Radloff: Nein. Eine solche Pflicht gibt es nicht. Der Mieter braucht immer die Zustimmung des Vermieters, wenn er an den Außenwänden etwas anbringen und damit die Fassade verändern will. Insofern ist er immer auf den Goodwill des Vermieters angewiesen. Den kann er auch nicht einklagen, weil die Rechtssituation es nicht hergibt.

Zur Person

Mieter sind dann auf eigene Mittel angewiesen, zum Beispiel einen Sonnenschirm auf der Terrasse, der aber auch von den Temperaturen her nichts bringt, sondern bloß die direkte Einstrahlung auf die Fläche reduziert. Bei Balkonen, wo das möglich ist, kann man natürlich eine Klemm-Markise anbringen. Die muss man ja nicht an der Hausfront befestigen.

Wir raten unseren Mitgliedern in jedem Fall, eine einvernehmliche Regelung mit dem Vermieter hinzubekommen. Wenn das nicht geht, muss man das tun, wofür man keine Zustimmung des Vermieters braucht: Verdunkelung von innen, oder, wenn das nicht reicht, ein Klimagerät aufstellen. Wer das nicht kann oder möchte, kann zu einem alten Hausmittel greifen: einen Wäscheständer mit feuchten Handtüchern aufstellen. Das reduziert die Temperatur, wenn auch nicht extrem. Ich mache das selbst auch so. Es wird dann wenigstens etwas angenehmer in der Wohnung.

Führt das Thema häufig zu Rechtsstreitigkeiten?

Ich weiß aus der Literatur und aus der Analyse von Gerichtsurteilen aus ganz Deutschland, dass es durchaus schon solche Streitigkeiten vor Gericht gegeben hat. Wir als Mieterverein raten unseren Mitgliedern in solchen Fällen immer, nicht zu klagen - denn es hat keine Aussicht auf Erfolg.

Warum denn nicht?

Die rechtlichen Bestimmungen sind eindeutig: Für einen festen Außen-Hitzeschutz ist die Zustimmung des Vermieters erforderlich. Und wenn der es nicht will, gibt es gegen den Willen des Vermieters kein Rechtsmittel, das Aussicht auf Erfolg hätte.

Das heißt, es gibt auch keine festgelegte Temperatur im Mietrecht, ab der man sagen kann: Jetzt ist die Wohnung im juristischen Sinne "zu heiß"?

Die Gerichte sagen schon: Auf Dauer kann man 30 Grad in einer Wohnung nicht aushalten. Das wäre dann ja möglicherweise ein Wohnungsmangel und dann hätte der Mieter möglicherweise gewisse Rechte.

Aus der Erfahrung ist es bisher aber so, dass diese Temperaturen nur an wenigen Tagen im Sommer erreicht werden. Und demzufolge muss - so meinen die Gerichte - vor allem der Mieter sich was einfallen lassen, wozu er die Zustimmung des Vermieters eben nicht braucht.

Nur wenige Vermieter sagen: Ja gut, wenn es so heiß ist, dann mache ich was. Es kostet ja auch alles Geld - und Vermieter sind ohne Kompensation - Stichwort Mieterhöhung - nicht oder nur selten bereit, dort etwas zu machen.

Finden Sie es richtig, dass das im Mietrecht so geregelt ist? Oder ist es angesichts der Diskussion, die wir seit Jahren um Klimawandel und immer heißere Sommer führen, nicht inzwischen etwas merkwürdig?

Wir vom Mieterbund meinen in der Tat, dass der Bund - der als Gesetzgeber für das Mietrecht verantwortlich ist - hier nachdenken muss. Bisher geht es vor allem darum, die Temperaturen im Winter zu regulieren, also Energieverlust in den Gebäuden zu vermeiden.

Hier haben wir nur den entgegengesetzten Fall: man hat zu viel Energie, nämlich Sonnenenergie, und das wird zunehmen.

Demzufolge wird der Gesetzgeber auch darüber nachdenken müssen, ob man da künftig etwas ändert. Wenn Wetterextreme wie wochenlange Hitze auftreten, wird man als Vermieter den Mietern nicht einfach sagen können: "Dann musst du eben ausziehen und dir eine andere Wohnung suchen". Dann muss auch der Vermieter in einer bestimmten Pflicht stehen. Der Klimawandel ist ja kein Problem, das ausschließlich Mieter zu verantworten haben, sondern er ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.

In Städten wie Berlin oder Potsdam haben wir einen sehr hohen Altbau-Bestand: Häuser aus der Gründerzeit, die vielen Nachkriegsbauten, die häufig schlecht isoliert sind, Dachgeschosswohnungen, auf die die Sonne brennt. Ist Hitzeschutz hier eine lösbare Aufgabe?

Natürlich ist die lösbar! Sie kostet eben nur Geld. Und die Frage ist: wer soll's bezahlen? Wir haben ja durchaus auch den umgekehrten Fall: die energetische Sanierung, wo im Altbau bei der Wärmedämmung und bei der Modernisierung der Heizungsanlagen nachgerüstet werden muss, um Energie zu sparen.

Und nun muss man auch bei zunehmender Wärme dafür sorgen, dass die Wohnung erhalten bleiben. Das betrifft sowohl den Altbau-Bestand als auch Wohnungen, die in den 1990er Jahren entstanden sind. Das muss man aus Mietersicht erwarten können. Wir werden als Mieterbund dem Gesetzgeber mehr Druck machen müssen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview mit Rainer Radloff führt Sylvia Tiegs, Inforadio

Sendung: Inforadio, 02.08.2021, 07:45 Uhr

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