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Audio: rbb24 Inforadio | 17.08.2022 | Carla Spangenberg | Quelle: rbb/dpa/J. Carstensen

Demografie in Berlin und Brandenburg

Land ohne Jugend

Der Anteil der Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung in Deutschland schrumpft seit Jahren. Und nirgendwo ist er so gering wie in Brandenburg. Allerdings liegt auch Berlin unter dem Bundesdurchschnitt. Innerhalb beider Länder gibt es aber Unterschiede.

Wer in Deutschland heute zwischen 15 und 25 Jahren alt ist, gehört fast schon zu einer seltenen Spezies: Nur zehn Prozent der Bewohner Deutschlands befanden sich 2021 in dieser Altersgruppe - 2005 waren es noch zwölf Prozent. Und das war im Vergleich zu 1980 schon wirklich wenig: Damals gehörten 17 Prozent der Bevölkerung auf dem Gebiet des heutigen Deutschland zu dieser Altersgruppe.

Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen aber noch etwas anderes: Nirgendwo in Deutschland gibt es so wenige junge Menschen dieser Altersgruppe wie in Brandenburg: Hier waren es zum Stichtag am 31. Dezember 2021 lediglich acht Prozent. Damit sind die Jugendlichen in Brandenburg eine der kleinsten Altersgruppen im Flächenland.

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Vergleicht man die Altersgruppen in Zehn-Jahres-Schritten, haben in Brandenburg die 55- bis 64-Jährigen den größten Anteil. Er lag 2021 bei 17 Prozent und hat stark zugenommen: 2005 betrug er noch zwölf Prozent.

Brandenburg steht damit stellvertretend für viele andere Bundesländer des ehemaligen Ostens, in denen sich vergleichbare Effekte zeigen. Diese Altersstruktur hat eben auch etwas mit der deutschen Vereinigung zu tun, sagt Sebastian Klüsener, Forschungsdirektor am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB): "Aufgrund der Abwanderung nach der Wende gab es in den 1990ern einen starken Einbruch der Geburtenraten. Die abgewanderten Mütter haben die Kinder dann nicht in Brandenburg bekommen, sondern woanders." Außerdem steige die Lebenserwartung derjenigen, die in der Region verblieben sind. Deshalb macht die Jugend aktuell einen so geringen Teil aus.

Auch Berlin unter Bundesschnitt

Auch in der Hauptstadt sind die 15 bis 24-Jährigen eine der kleinsten Altersgruppen. Hier liegt ihr Anteil mit 9,5 Prozent ebenfalls unter dem Bundesschnitt. Vergleicht man die Altersgruppen wieder in Zehnjahresgruppen, zeigt sich in Berlin allerdings ein etwas anderes Bild. Denn hier haben die 30 bis 39-Jährigen mit 17 Prozent den größten Anteil. Und auch deren Gruppe ist in den letzten Jahren leicht gewachsen: 2005 lag ihr Anteil noch bei 15,6 Prozent.

Historischer Trend

In Brandenburg lag der Anteil der jungen Altersgruppe aber auch schon mal niedriger als aktuell: Zwischen 2005 und 2015 sank er rapide von 13 auf sieben Prozent. Seit 2016 steigt er wieder leicht an. Das liegt einerseits wohl an der Wanderungsbewegung von Berlin ins Umland.

Unabhängig davon steige aber auch die Geburtenrate wieder, sagt Demografieforscher Klüsener: Nach dem Einbruch in den 1990ern sei sie in Ostdeutschland aktuell wieder höher als in Westdeutschland. Die Jugend wächst also langsam nach. Ob es sie auch in der Region halten wird, muss sich noch zeigen.

Ein ähnlicher, aber abgeschwächter Effekt lässt sich auch in Berlin erkennen: Seit 2005 ist der Anteil der 15 bis 24-Jährigen an der Gesamtbevölkerung stetig leicht gesunken. Lag er 2005 noch bei knapp zwölf Prozent, betrug er Ende 2021 nur noch 9,5 Prozent.

Weniger Jugend in der Peripherie

Innerhalb von Brandenburg sind nicht alle Regionen gleichermaßen betroffen: Der Anteil der 15 bis 24-Jährigen schwankt zwischen zehn Prozent in Potsdam und 6,6 Prozent im Spree-Neiße Kreis. In den kreisfreien Städten und im Speckgürtel ist ihr Anteil grundsätzlich höher. Am niedrigsten ist er in Spree-Neiße, Elbe-Elster, der Prignitz und der Uckermark - also Landkreisen in der Peripherie.

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Mittelzentren wie Oranienburg oder Wirtschaftsstandorte im Süden von Berlin erleben dagegen einen starken Zuzug junger Menschen, die wegen der steigenden Mieten aus der Hauptstadt verdrängt werden. Die ländlicheren, schlechter angebundenen Regionen können davon nicht profitieren. Dominik Ringler, Projektleiter des Kompetenzzentrums Kinder- und Jugendbeteiligung (KIJUB) Brandenburg meint, die ländlichen Regionen hätten für junge Menschen noch einen weiteren Nachteil: Es mangele an alternativen Wohnformen.

"Wer nicht mehr bei seinen Eltern wohnen will, gründet eine eigene Familie - oder zieht weg", sagt Ringler. Experimentierfelder wie Wohngemeinschaften gebe es schlichtweg nicht - wenn man einmal von einigen wenigen Leuchtturmprojekten absehe. Die niedrigeren Preise für Wohnen in ländlichen Regionen geben also offenbar nicht immer den Ausschlag.

Außer dem Wohnen sei Mobilität wichtig für die Jugendlichen, sagt Ringler: "Brauche ich immer das Elterntaxi, um mich überhaupt mit Freunden treffen zu können?"

Berlin: Jugendschwund in den östlichen Randbezirken

Auch in Berlin gibt es Unterschiede je nach Bezirk: Wohnen in Mitte zehn Prozent Jugendliche, macht ihr Anteil in Pankow gerade mal acht Prozent aus. Überhaupt ist der Anteil der Jugendlichen in den östlichen Randbezirken wie Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf und Pankow besonders gering.

Demografieforscher Klüsener erklärt, auch das liege an der Abwanderung nach der Wende: Die innerstädtischen Bezirke des ehemaligen Ostberlins hätten zwar zwischenzeitlich wieder einen Zuzug erlebt, der sei aber für die östlichen Randbezirke ausgeblieben.

"Mit Jugendpolitik kann man keinen Blumentopf gewinnen"

Insgesamt machen die 15 bis 24-Jährigen also auch in Berlin einen sehr geringen Teil der Gesellschaft aus. Außerdem sind viele von ihnen noch nicht wahlberechtigt. "Mit Jugend-Politik lässt sich kein Blumentopf gewinnen", fasst es Tilmann Weickmann, Geschäftsführer des Landesjugendrings Berlin zusammen. Die Jugend werde oftmals vor allem als Problem-Gruppe wahrgenommen, was in der Corona-Zeit besonders sichtbar geworden sei.

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Stärkere Beteiligung in Brandenburg

Brandenburg will seine Jugendlichen jetzt stärker beteiligen – und ist auf diesem Feld einer der Vorreiter bundesweit. Seit Ende 2011 dürfen in Brandenburg Jugendliche ab 16 Jahren an Kommunal- und Landtagswahlen sowie Volksbegehren teilnehmen.

2018 wurde das Recht auf Mitbestimmung auch in der Kommunalverfassung verankert. Seitdem sind Brandenburger Kommunen verpflichtet, Kinder und Jugendliche in allen Entscheidungen zu beteiligen, die ihre Interessen berühren. Das habe zwischenzeitlich schon eine positive Wirkung gezeigt, sagt Ringler. In der Corona-Zeit seien dann viele Fortschritte in der Jugendbeteiligung wieder verlorengegangen, weil in den Lockdown-Phasen der persönliche Kontakt gefehlt habe. Insgesamt sei das Beteiligungsprojekt aber noch zu jung, als dass man wirkliche Effekte sehen könne.

Ringler meint, es könne Regionen nur guttun, wenn Jugendliche sich mit ihren Kompetenzen und Potenzialen einbringen: "Ohne eine starke Jugend geht ein großes Innovationspotenzial verloren. Für die Weiterentwicklung von Standorten und auch ein lebendiges kommunales Leben auf dem Dorf sind Jugendliche entscheidend."

Sendung: rbb24 Inforadio, 17.08.2022, 07:10 Uhr

Beitrag von Carla Spangenberg, Wanda Bleckmann und Götz Gringmuth-Dallmer

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