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Audio: rbb24 Inforadio | 06.12.2022 | Oberarzt Martin Wetzke zum RS-Virus | Quelle: dpa/Amelie-Benoist

Fragen und Antworten

Was Sie über das RS-Virus wissen sollten

Die Kinderkliniken in Berlin und Brandenburg sind aktuell überfüllt mit Kindern, die sich mit dem RS-Virus infiziert haben. Gefährlich kann das ausgerechnet für die ganz Kleinen werden.

Was ist das RS-Virus und wie erkennt man es?

Das RS-Virus ist ein endemisches Virus, das die Atemwege betrifft und jedes Jahr im Winter eine Krankheitswelle verursacht. Bis zum zweiten Geburtstag haben sich normalerweise nahezu alle Kinder mindestens einmal mit dem Virus angesteckt.

Typische Symptome einer RSV-Infektion bei Säuglingen und Kleinkindern sind Husten mit Keuchen und schwerem Atem, zäher Schleim in Nase und Luftröhre, Atemaussetzer und Atemnot, trockene und kalte Haut, Blaufärbung von Haut, Lippen und Schleimhäuten, Kraftlosigkeit und ein allgemeines Krankheitsgefühl. Auch Probleme beim Füttern sollten Eltern ernstnehmen. So kann es laut Robert Koch-Institut sein, dass das Kind Nahrung oder Trinken verweigert oder erbricht.

Der Kinderinfektiologe Friedrich Reichert sagte der ZEIT [zeit.de], er wisse schon, wenn er den "ganz charakteristischen, gepressten Husten" von kleinen Kindern aus dem Wartezimmer höre oft schon, dass das betreffende Kind am RS-Virus erkrankt sei.

Laut dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) kann eine RSV-Infektion zu einer Bronchiolitis führen, einer Entzündung der kleinen Bronchien. Die Schleimhäute schwellen dann an, außerdem bildet sich Schleim, der dem Kind das Atmen schwer macht. Eine RSV-Infektion kann auch zu einer Lungenentzündung führen.

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Ab wann sollten Eltern zum Arzt gehen?

Wenn das Kind sehr viel schneller atmet als normal und den Kopf beim Atmen mitbewegt. Auch bei Atemaussetzern sollte ein Arzt das Kind anschauen. Auch wenn das Kind lethargisch wird, sich nicht mehr zum Trinken meldet, ist ein Besuch beim Kinderarzt angezeigt.

Hat die Kinderarztpraxis geschlossen, fährt man in eine Kinderrettungsstelle [berlin.de].

Für wen ist das RS-Virus gefährlich?

Für die meisten Kinder (und Erwachsene) ist die Infektion nicht gefährlich. Sie äußert sich wie eine normale Erkältung.

An RSV kann man also in jedem Alter erkranken, aber vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern ist der Erreger in der Erstinfektion bedeutsam. Er kann eine einfache Atemwegsinfektion hervorrufen, aber auch schwere Verläufe bis hin zum Tod sind möglich. Bei einem schweren Verlauf, sagt Martin Wetzke, Oberarzt für pädiatrische Pneumologie an der Kinderklinik der Medizinischen Hochschule Hannover, "reicht die Atmung nicht mehr aus und die Kinder brauchen zum Teil Sauerstoff". Im Extremfall sei dann eine intensivmedizinische Behandlung mithilfe von Beatmung notwendig. "Aber das sind Ausnahmefälle". Ingesamt müssen nach Angaben von Wetzke zwei bis drei Prozent der Kinder in der Klinik.

Zu Risikopatienten zählt das RKI zum Beispiel Frühgeborene und Kinder mit Lungen-Vorerkrankungen, aber auch generell Menschen mit Immunschwäche oder unterdrücktem Immunsystem. Aber vor allem bei Neugeborenen und Kindern bis zu einem Jahr ist die Gefahr für einen schweren Verlauf groß.

Weltweit birgt das RSV für kleine Kinder das größte Sterberisiko nach Malaria. Global sterben jährlich etwa 100.000 Kinder an einer RSV-Infektion, vor allem, weil sie nicht rechtzeitig Sauerstoff bekommen. In Deutschland wird die Sterblichkeit nicht zentral erhoben, denn Infektionen mit RSV sind nicht meldepflichtig.

Warum erkranken derzeit so viele Kinder?

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland Anfang Dezember, dass die RSV-Welle in diesem Jahr besonders stark ausfalle, weil es "wahrscheinlich eine Art Nachholeffekt" gäbe. "Denn in den vergangenen Jahren haben Kinder durch Corona-Maßnahmen wie Kita-Schließungen weniger Kontakt mit Viren gehabt", so Gaß.

In der rbb Abendschau vom 1.12. sagte Stefan Schreier, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin in der Immanuel Klinik Rüdersdorf, man sehe, dass die Kinder, die derzeit an RSV erkrankten, "schwerer krank werden. Die Säuglinge haben nicht mehr so einen guten Nestschutz durch die Mütter". Denn die Mütter und auch die größeren Kinder in den Familien seien durch das Tragen von Masken seltener krank geworden in den letzten Jahren. Auch größere Kinder erkrankten daher, so Schreier, derzeit "deutlich schwerer" als sonst.

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Wie werden die Kinder im Krankenhaus behandelt?

Laut Robert Koch-Institut [rki.de] besteht die Therapie vor allem in "ausreichender Flüssigkeitszufuhr" und dem Freihalten der Nase. Je nach Zustand des Kindes können auch Sauerstoffgaben und Beatmung erforderlich werden.

Gibt es eine Impfung gegen das RS-Virus?

Einen zugelassenen Impfstoff gibt es derzeit nicht gegen RSV. Der Pharma-Konzern Pfizer arbeitet jedoch an einem Vakzin und ist nach eigenen Angaben bereits in der klinischen Erprobung. In der Evaluation habe der Impfstoff die Kindern in den ersten drei Monaten zu gut 80 Prozent und nach weiteren drei Monaten zu knapp 70 Prozent gegen schwere RSV-Erkrankungen geschützt, so das US-amerikanische Unternehmen. Die Impfung würde dann übrigens nicht dem Neugeborenen, sondern der Mutter in der Schwangerschaft verabreicht.

In den USA war in den 1960er-Jahren schon einmal ein Impfstoff entwickelt worden, doch dieser verschlimmerte die Krankheit bei geimpften Kindern.

Wie kann man einer Infektion mit dem RS-Virus vorbeugen?

Es gibt eine Immunprophylaxe. Kinder können während der RSV-Saison eine passive Impfung mit einem monoklonalen Antikörper bekommen. Das kann das Risiko, schwer zu erkranken, reduzieren. Kostenpunkt: zwischen 500 und 700 Euro pro Injektion. Nötig sind fünf davon, die Kasse übernimmt die Kosten nur für Hochrisikopatienten. Eine Vorbeugung für alle Kinder gibt es demnach nicht.

Warum kommt es zu Behandlungsengpässen für am RS-Virus erkrankte Kinder?

Es gibt zu wenig freie Betten auf den Kinderstationen der Krankenhäuser. "Das liegt natürlich zu großen Teilen am Personalmangel - wo keine Ärztinnen und Intensivpfleger sind, können auch keine Kinder intensiv behandelt werden", berichtet der Direktor der Kindermedizin an der Charité, Professor Markus Mall im rbb Inforadio am 1. Dezember. "Interessanterweise kommt in Berlin aber noch dazu, dass in den letzten Jahren einfach mehr Kinder geboren wurden als in früheren Zeiten."

Die vielen Fälle von Atemwegsinfekten bringen auch Brandenburger Kinderkliniken an ihre Grenzen. So erklärte die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Klinikum Westbrandenburg in Brandenburg an der Havel Anfang Dezember, es gebe oft über Stunden gar keine freien Betten mehr. Auch an der Kinder- und Jugendklinik am Standort Potsdam hieß es: Bis zu 80 Prozent der Patientinnen und Patienten auf der Kinderstation seien aufgrund einer RSV-Infektion in Behandlung.

Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) bezeichnet die Situation als "katastrophal": Wenn ein gerade reanimierter Säugling in einer eigentlich voll belegte Kinderklinik aufgenommen würde, müsse dort ein Dreijähriger den dritten Tag in Folge auf seine dringend notwendige Herzoperation warten.

Wie wird das Problem bekämpft?

Angesichts der starken Belastung der Berliner Kinderkliniken sollen weniger dringende Eingriffe möglichst verschoben werden. Ziel sei, die Versorgung einer zunehmenden Anzahl von kritisch kranken Kindern deutlich zu verbessern.

Für vom RS-Virus betroffene Kinder, für die es in der Klinik, in der sie sich befinden, keinen Platz gibt, wird ein Bett in einer anderen Klinik gesucht. Für Berliner Kinder beispielsweise in Brandenburg und umgekehrt.

In Berlin gibt es eine Initiative von Kinderkliniken sich besser zu vernetzen und auszutauschen, auch mit den Rettungsdiensten zusammen - damit die wenigen freien Intensivbetten immer schnell gefunden werden. Berlins Gesundheitssenatorin Gote (Grüne) sagte am 6. Dezember im rbb24 Inforadio, man habe ein System entwickelt, um die knappen Klinik-Ressourcen für Kinder besser zu verteilen und zu steuern. Dazu gehöre euch das Meldesystem, über das die Anzahl der Betten eingesehen werden kann. "Bisher musste viel herumtelefoniert werden, das haben wir jetzt verändert", so Gote weiter. In dieses sogenannte Ivena-System habe man auch Kinderbetten eingezogen.

Sie bekräftigte, Berlin arbeite in dieser Frage eng mit Brandenburg zusammen. Grundsätzlich lasse sich das Problem fehlender Betten aber nur mit Hilfe des Bundes lösen, weil er für die Finanzierung der Krankenhäuser zuständig sei. Gote verwies darauf, dass ab dem kommenden Jahr die Kinderkliniken mehr Geld bekommen sollen.

Vielerorts sollen jetzt, so wie auch an der Charité, notfalls Fachleute aus der Erwachsenen-Medizin abgezogen werden und auf der Kinderstation unterstützen.

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Wie lange kann das noch so weitergehen?

Die Verbreitung des RS-Virus und der Grippe haben dieses Jahr viel eher angefangen als in früheren Jahren. Mediziner haben Anfang Dezember vor einer weiteren massiven Zunahme der Fälle von Atemwegsinfektionen bei Kindern gewarnt. Die hohe Belastung werde vermutlich bis in den Januar oder Februar anhalten. "Der Höhepunkt der aktuellen Welle von Atemwegsinfektionen bei Kindern ist noch längst nicht erreicht. Die Lage in Praxen und Kliniken wird in den kommenden Wochen noch schlimmer werden", sagte Florian Hoffmann, Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI).

Auch der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) rechnet mit einer weiteren Verschärfung der Infektionswelle. "Es fängt jetzt gerade erst richtig an, der Scheitelpunkt ist noch längst nicht erreicht", sagte BVKJ-Präsident Thomas Fischbach.

Sendung: rbb24 Inforadio, 06.12.2022, 11:05 Uhr

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