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Quelle: dpa/D. Luna

Morde während Militärdiktatur in Argentinien

Ermittler durchsuchen Berliner Wohnung von ehemaligem Junta-Offizier

Der wegen Mordverdachtes gesuchte argentinische Ex-Junta-Offizier Luis K. lebte jahrelang unbehelligt in Berlin. Nun durchsuchten Ermittler des BKA und der Berliner Generalstaatsanwaltschaft K.s Wohnung in Prenzlauer Berg. Von Roberto Jurkschat

Das Bundeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft Berlin (GSTA) haben am Dienstagmorgen in Prenzlauer Berg die Wohnräume eines früheren Angehörigen des ehemaligen argentinischen Militärs Luis K. durchsuchen lassen. Dem Ex-Offizier der Militärjunta werden die Entführung, Folterung und Ermordung von mindestens 15 namentlich bekannten jungen Frauen und Männern vorgeworfen.

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Hinterbliebene stellt Strafanzeige in Deutschland

Wie die Berliner Organisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) berichtet, wurde der ehemalige Offizier in Argentinien per Haftbefehl gesucht, im Jahr 2013 floh er nach Berlin. Vor der geplanten Vernehmung in seiner Heimal habe Luis K. sich nach Deutschland abgesetzt. Behörden in Buenos Aires hatte daraufhin via Interpol eine Auslieferung K.s nach Argentinien ersucht. Da der 75-Jährige aber neben einem argentinischen auch einen deutschen Pass besitzt, war eine Auslieferung von deutschem Boden ausgeschlossen.

Weil die deutsche Justiz allersdings selbst gegen K. ermitteln kann, hat eine argentinische Hinterbliebene im Jahr 2018 gemeinsam mit dem ECCHR Anzeige gegen Luis K. in Deutschland erstattet.

Laut Generalstaatsanwaltschaft wurden bisher unter anderem Akten ausgewertet, die den Ermittlern über ein Rechtshilfeersuchen aus Argentinien zugestellt worden waren. Zudem wurden laut Generalstaatsanwaltschaft "eine Vielzahl von Zeugen" unter Beteiligung deutscher und argentinischer Ermittler vernommen.

Rechtsanwalt Kaleck: "Wir sehen Ermittlungen auf gutem Weg"

Wolfgang Kaleck, Rechtsanwalt und Generalsekratär des ECCHR in Berlin sagte rbb|24, er sei zuversichtlich, dass die Generalstaatsanwaltschaft Anklage gegen Luis K. erheben werde. "Das Verfahren wurde durch die Corona-Pandemie sicherlich verzögert, wir sehen die Ermittlungen aber auf einem guten Weg."

Kaleck selbst vertritt in dem Verfahren zwei Nebenkläger, seit 25 Jahren beteiligt er sich an der juristischen Aufarbeitung der argentinischen Militärdiktatur. "Die Verbrechen sind inzwischen mehr als 40 Jahre her, deshalb liegt in den Verfahren eine besondere Komplexität. Wir sind in diesem Fall sehr zufrieden, wie die Ermittlungsbehörden in Deutschland den Vorwürfen nachgegangen sind. Das zeigt uns, dass es sich lohnt, an solchen Fällen dran zu bleiben."

Keine türkische Staatsbürgerschaft

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Attila Hildmann soll entgegen bisherigen Angaben doch nicht die türkische Staatsbürgerschaft besitzen. Entsprechend könnte er nach Deutschland ausgeliefert werden. Die Fahndungsmaßnahmen wurden erweitert.

Ermittler suchen in Prenzlauer Berg nach Beweisen

Nach Angaben der Berliner Generalstaatsanwaltschaft steht K. im Verdacht, von Anfang 1976 bis Beginn 1977 auf einem Marinestützpunkt im argentinischen Mar del Plata eine Einheit sogenannter "taktischer Taucher" befehligt zu haben. "Oppositionelle wurden dorthin verschleppt und sexuell missbraucht, gefoltert, getötet", heißt es in einer Mitteilung des ECCHR.

Die Generalstaatsanwaltschaft wirft K. vor, als Leiter der Abteilung für Personal, Operationen, Logistik, Navigation, Kommunikation, Abwehr nachrichtendienstlicher Tätigkeiten, Öffentlichkeitsarbeit und Logistik an den Verbrechen beteiligt gewesen zu sein.

Zur Zeit der Militärdiktatur (1976-1983) wurden in Argentinien mehrere zehntausend Oppositionelle verfolgt, inhaftiert, gefoltert oder umgebracht. Laut Staatsanwaltschaft wurden zahlreiche Opfer betäubt und dann lebendig aus Flugzeugen über dem Meer oder der Mündung des Rio de la Plata abgeworfen.

In der Wohnung K.s in Prenzlauer Berg suchten die Ermittler nach Dokumenten, Unterlagen und Datenträgern, die Aufschluss über die Rolle des Beschuldigten in Zusammenhang mit dem sogenannten "Verschwindenlassen" von Oppositionellen und deren mutmaßlicher Tötung geben, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Beitrags war von Augusto Pinochet die Rede, der war jedoch Diktator in Chile. Die argentinische Militärdiktatur wurde (zunächst) von Jorge Videla angeführt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 31.01.2023, 17:00 Uhr

Beitrag von Roberto Jurkschat

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