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Der Absacker

Die Stadt lärmt ungewohnt anders

Dass es in Berlin an allen Ecken und Enden rumort, röhrt und dröhnt – das gehört zur Stadt dazu. Doch wo es laut wird und wo es leise bleibt, das ist derzeit oft erstaunlich unerwartet. Von Haluka Maier-Borst

Manchmal passieren Missgeschicke und auch wir sind nicht davor sicher. Dieser Absacker sollte gestern Abend erscheinen, leider sind verschiedene Dinge dazwischen gekommen. Entsprechend bekommen Sie heute morgen einen Absacker für die Nachrichtenlage von gestern und später heute Abend einen für den heutigen Tag. 

Man gewöhnt sich an jede Form von Lärm. An Kirchenglocken, die einen aus dem Bett läuten. An Nachbarinnen über einem, die mit markanten Gang und Stöckelschuhe auf Parkett jeden Abend für ein charakteristisches Stakkato sorgen. Und natürlich an den Lärm der allgegenwärtigen Demonstrationen in Berlin. Aber was zurzeit auf Demos passiert und wer da laut wird, das ist definitiv auch für Hauptstadtverhältnisse ungewöhnlich.

1. Was vom Tag bleibt

Die Protestkultur hat sich in den letzten Wochen massiv verändert, in Berlin wie im Rest der Republik. Bis dato bekannte Gruppen von "Friday for Future" bis hin zu den Demos für ein souveränes Kurdistan pausieren aktuell weitestgehend ihre Aktivitäten. Stattdessen gibt es nun "Hygiene-Demos" mit einem schwer zu definierenden Klientel, das eben vom Ü80er, der unter der Kontaktsperre leidet, bis hin zu gestandenen Rechtsextremen reicht [daserste.de]. Wir haben auch heute versucht diese Demos und die Gegendemonstrationen so gut als möglich abzubilden. Machen Sie sich selbst ein Bild, ob uns das gelungen ist.

2. Abschalten.

Gleich mehrere Freunde von mir haben gesagt, dass sie seit dem Lockdown auch andere Klänge der Stadt mehr wahrnehmen. Sei es die Amsel im Innenhof oder eben das Rauschen der Baumkronen vor der Haustür. Genau letztere hatten aber in den vergangenen Jahren mit den trockenen Sommern zu kämpfen. Mit "Gieß den Kiez" gibt es nun eine Plattform, auf der man sich über den Zustand und das Alter der Bäume vor der Haustür informieren kann. Und man kann sogar zu einer Art Pflegeeltern für Bäume werden [giessdenkiez.de].

Wer ich bin

Großstadtchaos statt Alpenpanorama, Brandenburger Seen statt britisches Meer. Haluka Maier-Borst war schon an ein paar Orten und hat immer die falsch-richtige Wahl getroffen. Für Berlin. Jetzt sitzt er im Wedding - und mehr oder weniger fest. Denn nach einer Reise in die Schweiz war er zunächst für zwei Wochen in Heimquarantäne. Und jetzt hält er sich natürlich auch an das Kontaktverbot. Jeden Abend genehmigen er und seine Kollegen sich einen Absacker und gönnen sich eine kleine Pause von der Nachrichtenlage.

3. Und, wie geht's?

Heute habe ich meinen Kollegen Stefan Oberwalleney gebeten, zu erzählen, wie es derzeit ist, für rbb|24 Videos drehen zu gehen. Und es gibt ein paar neue Gewohnheiten, die für ihn recht problemlos sind und welche, die ihm schwer fallen. 

Beruflich hat sich das mit dem Abstand ganz gut eingespielt. Ich habe immer meine Maske auf, mache das Richtmikrofon bereit und strecke dann so weit meine Arme aus, dass ich auch die anderthalb Meter einhalten kann. Die meisten Interviewten haben dafür inzwischen auch Verständnis und finden das vielleicht sogar ganz gut, dass man ihnen nicht so auf die Pelle rückt. 

Ansonsten merke ich aber, wenn ich draußen ein Video drehe: Es gibt etwas anderes noch als Corona. Die Bauarbeiter zum Beispiel haben ja eigentlich nie Masken auf und stehen in der Mittagspause zusammen so wie immer. Einerseits ist das irgendwie schön zu sehen, dass es eben diese Normalität gibt. Andererseits fühlt sich das auch komisch an, wenn ich dann mit der Maske da draußen bin.
 
Privat fällt mir allerdings das mit dem Abstand nach wie vor schwer. Vorgestern erst habe ich eine gute Freundin wieder gesehen und dass man sich nicht mehr mit Umarmung und Küsschen hier und da begrüßt, das ist nach wie vor nicht normal für mich.

Woran haben Sie sich schnell gewöhnt und was ist für Sie nach wie vor ungewohnt? Hören Sie Berlin und Brandenburg auch auf eine andere Art und Weise? Schreiben Sie uns doch bitte ihre Erlebnisse an absacker@rbb-online.de.  

4. Ein weites Feld...

Jetzt ging es so viel darum, dass die Stadt anders klingt, aber nirgendwo habe ich einen Verweis zu etwas, das man wirklich hören kann. Das möchte ich an dieser Stelle nun tun, wenngleich es nicht um heimische Klänge geht. Der britische Guardian [guardian.co.uk] hat eine wunderschön illustrierte Klangcollage gebaut, bei der man die Klänge verschiedenster Tierarten in Großbritannien entdecken kann. Ein gutes Stück, um vielleicht in so lärmenden Zeiten etwas gurrende, quiekende, trilliertende Ruhe zu finden.

Ich hoffe Sie hören gleich das leichte Klirren meines Glases aus der Ferne. Bis morgen und Prost, sagt

Haluka Maier-Borst

Beitrag von Haluka Maier-Borst

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