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Quelle: dpa/Marcel Kusch

Der Absacker

Abwracken ist einfach, Aufmöbeln nicht

Nun gibt es also ein Konjunkturpaket ganz ohne Abwrackprämie. Stattdessen wird es unter anderem bis zum Ende des Jahres drei Prozent weniger Mehrwertsteuer geben. Doch reicht das zum Aufhübschen der eigenen vier Wände, fragt sich Haluka Maier-Borst

So wie es bei manchen Leuten im Kopf aussieht, sah es die letzten Wochen bei uns zu Hause aus. Wir hatten zwar keinen Dachschaden, aber es triefte Wasser in die Wohnung rein. Abwracken war angesagt. Handwerker mussten die Decke aufreißen, tragende Balken tauschen und anschließend alles neu verputzen. Mit den Handwerkern haben wir uns aber auch unverhofft eine Symphonie von Klängen einbestellt.

Morgens ab 7 Uhr gesellten sich fortan Klopfen und Hämmern zum Zwitschern der Vögel. Erst dudelten aus dem Radio rumänische Volksweisen zum Klang der Kreissäge. Später war es Andrea Berg, die von Liebe und Abenteuern sang, während die Maler die Decke verputzten und sie sang von Abenteuern und Liebe, als die Maler das Zimmer neu tapezierten. Vielleicht war es aber auch andersrum. Jedenfalls hatten wir klangtechnischen Ausnahmezustand bei uns, der sich leider nicht so schön anhört wie hier [soundcloud.com]. Aber endlich ist ein Ende in Sicht.

1. Was vom Tag bleibt

Entsprechend hatte ich mir überlegt, wie wir unsere Wohnung jetzt aufmöbeln. Ein bisschen die Küche erneuern oder ein neuer Fernseher vielleicht? Die Mehrwertsteuersenkung aus dem Konjunkturpaket könnte da perfekt sein. Dachte ich heute morgen. Als ich dann das Ganze nochmal bis zum Mittag quer gerechnet hatte, war es recht ernüchternd. Selbst wenn wir in die Vollen gehen, liegt die Ersparnis am Ende ungefähr beim Betrag eines guten Essens auswärts für meine Mitbewohnerin und mich.

Das ist nicht nichts und meiner Meinung nach immer noch besser als eine Abwrackprämie. Aber genau das könnte die gesunkene Mehrwertsteuer laut "Zeit online" vielleicht auf versteckte Art und Weise sein. Denn bei den lächerlichen Penunzen, die ich und meine Mitbewohnerin aufbringen, ist die eingesparte Summe klein. Bei einem neu angeschafften Wagen aber nicht. Ist das also die Abwrackprämie durch die Hintertür? So oder so, verschiedene Stimmen in Berlin und Brandenburg finden jedenfalls, dass dem Konjunkturpaket insgesamt "mehr Fokussierung" gut getan hätte.

2. Abschalten

Während ich mir über die Schäden in der Wohnung und das Aufhübschen der selbigen Gedanken mache, kann man mit Kaputtem auch kreativer umgehen. Die britische BBC hat einen Künstler gefunden, der Risse im Straßenasphalt zum Teil seiner Kreidezeichnungen macht [facebook.com].

Und womöglich ist das auch für Berlin interessant. Denn trotz Konjunkturprogramm und einem eigenen Etat für die Verkehrsinfrastruktur mag ich nicht recht glauben, dass alle Schlaglöcher und Asphaltrisse hier so bald verschwinden werden. Schließlich hat auch schon Harald Martenstein vor Jahren ja zurecht angemerkt, dass die Berliner Baustelle ein ganz eigenes Wesen ist [books.google.de]. Wieso nicht neben Murals an runtergekommen Häusern auch Straßenkunst in den Schlaglöchern? Frei nach dem Motto: Ist das bald weg oder kann da Kunst hin?

Wer ich bin

Großstadtchaos statt Alpenpanorama, Brandenburger Seen statt britisches Meer. Haluka Maier-Borst war schon an ein paar Orten und hat immer die falsch-richtige Wahl getroffen. Für Berlin. Jetzt sitzt er im Wedding - und mehr oder weniger fest. Denn nach einer Reise in die Schweiz war er zunächst für zwei Wochen in Heimquarantäne. Und jetzt hält er sich natürlich auch an das Kontaktverbot. Jeden Abend genehmigen er und seine Kollegen sich einen Absacker und gönnen sich eine kleine Pause von der Nachrichtenlage.

3. Und, wie geht's?

Heute kommt meine unverhoffte Mail-Freundin zu Wort, Frau Bussmann.

Am Wochenende war ich essen mit meiner Schwiegertochter. Endlich Berlin im Prenzlauer Berg ist fast wir früher, nur leerer, eben was für Genießer der Ruhe.

Dagegen sind die Nachrichten aus den USA nach wie vor gruselig. Trump heizt den Rassismus noch an und seine Aufrufe für heute in Washington können zu einem Bürgerkrieg führen. Kann den denn keiner stoppen oder ihn zumindest vom Twittern abhalten?

Ich brauche jedenfalls Twitter nicht, vielleicht leben wir alle besser ohne diesen Nachrichtendruck. Meine Nachbarin sagt, die neue Normalität sollte langsamer sein, mehr auf sich, seine Familie und die Natur gerichtet.

Was denken Sie vom Nachrichtenalltag derzeit, seien es nun die USA oder die drei Prozent mehr im Portmonee? Was beschäftigt Sie zurzeit? Schreiben Sie uns doch bitte Ihre Erlebnisse an: absacker@rbb-online.de.  

4. Ein weites Feld ...

Irgendwie bin ich am Ende dieses Absackers zwiegespalten. Ich verstehe natürlich die Idee hinter dem Konjunkturpaket und klar muss die Wirtschaft wieder angekurbelt werden. Aber ist der einzige Weg dazu Konsum? Sollen wir nach Corona zurückfallen in das ewige Mehr von allem? Ich bin mir da nicht so sicher.

Machen Sie es gut, passen Sie auf sich auf

Haluka Maier-Borst

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