rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Quelle: dpa/Nir Alon

Impfbereitschaft in Gesundheitsberufen

"Auch Pflegepersonal ist für Missinformationen empfänglich"

Berichte von Pflegerinnen und Pflegern, die skeptisch gegenüber den Covid-19-Impfungen sind und sich nicht impfen wollen, machen die Runde. Julia Neufeind, die am Robert-Koch-Institut zum Thema Impf-Akzeptanz forscht, erklärt, wie viel dahintersteckt.

rbb: Frau Neufeind, aktuell machen Berichte zu mäßiger Akzeptanz der Corona-Impfstoffe die Runde. Sie hatten bei einer Untersuchung zu verschiedenen Impfungen festgestellt, dass es zum Beispiel bei Pneumokokken und anderen Erregern sehr niedrige Impfquoten in der Bevölkerung gibt [rki.de] – selbst wenn sie für gewisse Gruppen ausdrücklich empfohlen sind. Sind wir Deutschen Impfmuffel?

Julia Neufeind: Nein, das kann man nicht so pauschal sagen. Die Impfquoten bei Kindern für die gängigen Krankheiten wie Diphtherie, Masern und Tetanus sind zum Beispiel sehr hoch. Aber ja, bei den Erwachsenen sehen wir im Kontrast dazu teils deutliche Impflücken. Und das ist ein Problem.

Zur Person

Julia Neufeind ist Human-Medizinerin und arbeitet am Robert-Koch-Institut zu den Themen Impf-Akzeptanz und Impf-Prävention.

Woran liegt es, dass Erwachsene sich zu wenig impfen lassen? Und kann das jetzt auch bei Corona ein Problem werden?

Ich glaube, bei Kindern sind Impfungen durch die regelmäßigen Untersuchungen mehr etwas, das nebenher mitläuft, das zur Routine gehört. Die Eltern müssen sich aktiv dagegen entscheiden, ihr Kind impfen zu lassen. Bei Erwachsenen ist das andersherum. Klar, gibt es die Empfehlung für regelmäßige Gesundheits-Check-ups, aber die sind längst nicht so etabliert. Entsprechend wird auch nicht so routinemäßig bei Erwachsenen geimpft. Sie müssen sich aktiv dafür entscheiden und hinterher sein - das ist sicher ein Faktor.

Und dann gibt es eben eine Reihe von Gründen, wieso sich Menschen bewusst gegen eine Impfung entscheiden. Sei es tatsächlich die Angst vor Nebenwirkungen oder dass sie nicht die Zeit dafür finden. Oder eben auch dass sie zum Beispiel bei der Grippe das Risiko einer Erkrankung unterschätzen. Ich würde aber sagen, dass sich viele dieser Faktoren nur teilweise auf die Corona-Impfungen übertragen lassen.

Wie meinen Sie das?

Also der Faktor, ob die Impfung Routine ist oder nicht, den können wir natürlich bei Corona vergessen. Mit diesem Virus schlagen wir uns erst seit einem Jahr herum, da gibt es keine Routine. Und auch dass das Risiko allgemein unterschätzt wird - wie bei der Grippe, das glaube ich nicht. Dadurch dass das Thema so präsent ist, wissen die Leute entweder gut Bescheid oder gewisse Teile der Bevölkerung unterschätzen es bewusst, weil sie gewissen Quellen keinen Glauben schenken. Aber es gibt nicht einfach ein Unwissen, weil man sich damit nicht beschäftigt hat.

Heißt das, dass sich am Ende jetzt mehr Menschen gegen Corona impfen lassen werden als gegen sonstige Erreger? Oder weniger? Aktuelle repräsentative Umfrage-Ergebnisse der Cosmo-Studie [uni-erfurt.de] ergeben da ja ein gemischtes Bild.

Das ist unfassbar schwierig zu sagen. Was eher gegen eine hohe Impf-Akzeptanz spricht, ist, dass gerade so viel Fokus auf dem Thema liegt. Der oder die Einzelne merkt mehr, was sie nicht weiß und ist vielleicht auch zum Beispiel verunsichert darüber, wie schnell die Zulassung der Impfstoffe ging - auch wenn es dafür gute Gründe gibt. Und auf diesem Gefühl der Unsicherheit können Fehlinformationen leichter aufbauen, von denen es ja aktuell auch viel mehr gibt als bei der Masernimpfung.

Auf der anderen Seite, was für eine hohe Impf-Akzeptanz spricht, das ist die aktuelle Situation. Dass hunderte Menschen am Tag sterben und die Krankenhäuser am Anschlag arbeiten, das führt den Leuten die reale Gefahr vor Augen - mehr als etwa bei etwas wie Diphtherie, wo die meisten nicht so recht wissen, was das ist. Und klar: Die ganzen Einschränkungen, die wir erleben, und die Hoffnung, dass das mit den Impfungen endet, das ist sicher auch wichtig.

Falls Sie die Grafiken nicht angezeigt bekommen, klicken Sie bitte hier.

Inwiefern überrascht es Sie denn, dass laut der angesprochenen Cosmo-Studie Menschen in Gesundheitsberufen ähnlich skeptisch gegenüber der Impfung sind wie Normalbürgerinnen und Normalbürger? Woher kommt es, dass Leute, die jeden Tag in der Medizin und Pflege arbeiten, genauso misstrauisch sind wie der Rest?

Mich hat es nicht überrascht. Klar, die Menschen, die in Kliniken oder Pflegeheimen arbeiten, die haben eine medizinische Vorbildung. Aber man kann sich nicht in allen Themen auskennen und speziell im Alltag sind Impfungen normalerweise eher ein Randthema. Und damit sind natürlich auch Menschen in Gesundheitsberufen für Missinformationen empfänglich.

Zum Beispiel glaubte in unseren Studien zum Impfverhalten von Pflegerinnen und Pflegern ein Viertel von denen, die sich nicht gegen die Grippe impfen lassen wollten, dass die Impfung tatsächlich eine Grippe auslöst. Eine ganz klar falsche Information. Bei den Ärztinnen und Ärzten hingegen ist es eher die Verfügbarkeit - also dass sie keine Zeit hatten während der Arbeit. Insgesamt war aber die Impfbereitschaft in der Ärzteschaft auch viel höher.

Hat das mit Bildung zu tun?

Vielleicht eher mit Ausbildung. Medizinerinnen und Mediziner beschäftigen sich im Studium viel länger mit allen möglichen Themen als Pflegekräfte. Aber auch die Ärzteschaft ist nicht davor gefeit, zum Beispiel die Grippe zu unterschätzen. Nach der sehr starken Grippewelle 2017/18 sah man, wie sowohl bei Pflegerinnen und Pflegern als auch bei Ärztinnen und Ärzten die Impfquote stark anstieg. Das hat wohl eben damit zu tun, dass viele selbst viele schwere Fälle behandeln mussten.

Was lässt sich gegen die Impf-Skepsis und gegen Fake News machen?

Es ist grundsätzlich immer schwierig, Missinformation etwas entgegenzusetzen. Vertrauen kann man sich nur langsam aufbauen, und andersrum kann ein kapitaler Fehler es sehr schnell zerstören. Wir als Robert-Koch-Institut versuchen, so transparent und so integer wie möglich zu agieren. Und wir versuchen auf verschiedenen Plattformen und Materialien in verschiedenen Sprachen zu informieren.

Gut, aber reichen ein paar Broschüren in anderen Sprachen dafür? Müsste man die Leute nicht mehr abholen?

Klar, es gibt natürlich die großen Kampagnen des Gesundheitsministeriums. Und in unseren Studien zur Impfbereitschaft bei der Grippe hat sich gezeigt, dass einzelne Kliniken zum Beispiel gut damit fuhren, wenn sie einzelne Aktionen rund um die Impfung gemacht haben: Sei es eine Pommes umsonst nach der Impfung oder dass man eine Art Lotterie macht, dass man als geimpfte Person beispielsweise ein E-Bike gewinnen kann. Aber ich glaube nicht, dass man das so einfach übertragen kann auf die aktuelle Situation. Und ehrlich gesagt müssen wir uns erstmal anschauen, wo es bei der Impfbereitschaft wirklich hakt und darauf dann entsprechend reagieren.

Beitrag von Haluka Maier-Borst

Artikel im mobilen Angebot lesen