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Quelle: rbb|24

Veränderungen bei Infektionen

Das Virus trifft wieder die Jungen - aber dieses Mal anders

Mit der sogenannten britischen Variante läuft nun die dritte Welle an Infektionen an. Dass dabei wieder mehr Infektionen bei Kindern und jungen Erwachsenen gefunden werden, kann verschiedene Gründe haben. Von Haluka Maier-Borst

Am Ende haben die Epidemiologen und Virologinnen recht behalten. Leider. Innerhalb weniger Wochen sind die Inzidenzen wieder gestiegen, die Lockerungen werden zurückgenommen, Maßnahmen verschärft.

Die dritte Welle ist da und doch ist einiges anders.

Zum einen weil mit B.1.1.7 eine ansteckendere und tödlichere Mutation des bisherigen Corona-Virus die Infektionen verursacht. Zum anderen, weil mehr Schnelltests zur Verfügung stehen und trotz allem Chaos rund zehn Prozent der Bevölkerung geimpft sind. Aber der Reihe nach.

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Wie schon im Frühjahr 2020 und im Herbst 2020 sind es auch jetzt die jungen Erwachsenen, die den größten Anteil an Infektionen verzeichnen. Das ist nicht verwunderlich. Sie sind mehr unterwegs, haben mehr Kontakte und eine höhere Wahrscheinlichkeit sich anzustecken. Und bei hohen Fallzahlen geben die Jungen das Virus zwangsläufig am Ende an die Alten weiter, egal wie gut die Schutzkonzepte auch sein mögen.

Es gibt aber eine kleine gute Nachricht. Sie versteckt sich in der dunkelgelben Spitze der oberen Grafik. Es ist die Zahl der Über-80-Jährigen, die sich infiziert. Zumindest diese Zahl ist geringer als in der ersten und zweiten Welle. Noch genauer sieht man das Ganze, wenn man sich anschaut, welcher prozentuale Anteil der aktuellen Neuinfektionen auf die einzelnen Altersgruppen entfällt.

Vor allem in Berlin, das laut RKI-Daten so viele Menschen wie kein anderes Bundesland nach Alter impft, scheint man die ganz Alten zunehmend durch Impfungen geschützt zu haben. Und das ist wichtig.

Nach rbb|24-Berechnungen hat man in der Hauptstadt deshalb schon rund ein Drittel oder gar die Hälfte aller potenziellen Toten verhindert. Und das obwohl man nur ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung mindestens einmal geimpft hat. Das liegt schlicht daran, dass das Risiko an Corona zu sterben, mit dem Alter exponentiell steigt. Sind die Ältesten geschützt, sinkt das Sterberisiko deutlich.

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Doch trotz dieser Impferfolge ist man noch längst nicht über den Berg und die Intensivstationen könnten wieder an ihre Kapazitätsgrenzen kommen. Das liegt unter anderem daran, dass die Virus-Variante B.1.1.7 rund 30 bis 50 Prozent ansteckender ist [cdc.gov] als der ursprüngliche Virus-Typ. Sprich jeder Infizierte steckt im Schnitt mehr Menschen an. Und insgesamt betrachtet bedeutet das auch, dass mehr Menschen gleichzeitig infiziert sind.

Selbst wenn also von den B.1.1.7-Infizierten derselbe Anteil an Erkrankten schwere Verläufe durchmachen würde wie beim Wildtyp des Corona-Virus, würden mehr Menschen gleichzeitig eine intensivmedizinische Behandlung brauchen. Nur: B.1.1.7 scheint zusätzlich auch noch tödlicher zu sein und mehr schwere Verläufe zu verursachen.

Mehr junge Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen

Entsprechend befürchten Experten, dass in der dritten Welle insgesamt mehr jüngere Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen landen. Weil sich eben mehr Leute gleichzeitig anstecken, weil es bei mehr Leuten zu schweren Verläufen kommt und weil nach und nach die älteren Jahrgänge durch Impfungen geschützt werden.

Unklar ist allerdings, ob B.1.1.7 ein höheres Risiko speziell für Kinder und Jugendliche darstellt. Es gab es immer wieder Berichte darüber, dass sich mit der neuen Variante mehr Kinder und Jugendliche anstecken, wie auch zuletzt der "Spiegel" schrieb [spiegel.de]. Dies könnte aber ein Artefakt sein, für den gleich mehrere Faktoren verantwortlich sind.

Zum einen ist es so, dass in vielen europäischen Ländern und auch in vielen Bundesländern die Schulen länger offen gehalten werden als in der ersten Welle. Selbst bei hohen Inzidenzzahlen und selbst wenn andere Bereiche des öffentlichen Lebens bereits heruntergefahren wurden, versucht man verschiedene Formen des Präsenzunterrichts. Dass also mehr Kinder mit B.1.1.7-Infektionen gefunden werden, könnte also schlicht dem Umstand geschuldet sein, dass Kinder aktuell auch mehr Chancen haben, sich anzustecken [sciencemag.com]

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Zum anderen könnte es sein, dass wenn grundsätzlich alle Erkrankten mit der neuen Variante schwerere Verläufe durchmachen, Kinder auch mehr Symptome zeigen und so öfter ihre Infektion überhaupt auffällt. Und nicht zuletzt könnte das Mehr an Tests auch dazu führen, dass man auf diesem Wege Fälle findet, die bisher unentdeckt blieben.

Die vorläufige Studienlage legt jedenfalls nahe, dass Kinder nicht mehr betroffen sind von der neuen Variante als Erwachsene. Eine vorveröffentlichte Studie zeigte, dass das höhere Risiko von B.1.1.7 über alle Altersklassen gilt [medrxiv.org]. Und auch eine Studie, die im Fachmagazin "Lancet" erschien [thelancet.com], konnte keine Unterschiede finden zwischen Kindern, die mit dem Wildtyp oder B.1.1.7 infiziert waren und im Krankenhaus behandelt werden mussten. Allerdings bezog sich diese Studie auf lediglich 60 Fälle insgesamt.

Und es bleiben noch Fragen offen. Unklar ist zum Beispiel, ob B.1.1.7. häufiger bei jungen Infizierten Long-Covid verursacht oder auch ob es Unterschiede gibt, bei dem infolge von Corona auftretende Syndrom "Pims" [ecdc.eu].

Beitrag von Haluka Maier-Borst

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