rbb24
  1. rbb|24
  2. Panorama
Video: rbb|24 | 04.04.2021 | Material: rbb|24, Abendschau, Brandenburg aktuell, Archiv | Quelle: Jonas Burkard

Interview | Derk Ehlert von der Senatsumweltverwaltung

"Natürlich leiden Wälder und Parks unter der intensiven Nutzung"

Seit nunmehr einem Jahr strömen täglich viele Berliner in die Parks, um sich zu erholen. Das belastet die Stadtnatur zwar, doch die Klimaveränderungen machen Bäumen und Sträuchern noch sehr viel mehr zu schaffen, sagt der städtische Umweltschutz-Experte Derk Ehlert.

rbb|24: Herr Ehlert, die Berliner Stadtnatur ist gestresst. Nicht nur von den Klimaveränderungen und der damit verbundenen Wärme und Trockenheit, sondern auch von uns Bewohnern, die wir während der Corona-Pandemie in Heerscharen in ihr Erholung suchen. Ist das Stadtgrün der Situation gewachsen?

Derk Ehlert: Da zurzeit Rund 3,7 Millionen Menschen in die Stadtnatur strömen, ist das eine wichtige Frage. Aber da ist Berlin tatsächlich privilegiert. Denn in unserem Stadtstaat sind über 40 Prozent unserer Landesfläche Wasser-, Wiesen-, Brach-, Grün-, Wald- oder Ackerflächen. Die Stadt Berlin bietet diese Erholungsflächen also auch politisch und historisch betrachtet an und natürlich nutzen die Menschen diese auch.

Zur Person

Senatsverwaltung für Umwelt

Derk Ehlert

Der studierter Landschaftsplaner und Wildtierreferent des Landes Berlin, Derk Ehlert, befasst sich nicht nur mit Pflanzen und dem allgemeinen Umweltschutz, sondern auch mit den Tieren der Großstadt.

Aber natürlich leiden die Wälder und die Parks unter der derzeitigen intensiven Nutzung auch. Doch im Vergleich zu vielen anderen Städten Deutschlands und auch Europas – wie London oder Paris beispielsweise – haben wir sehr viel Stadtgrün. Darunter sind großartige und einzigartige Flächen wie zum Beispiel das Tempelhofer Feld. Das soll uns erst einmal eine Metropole Europas nachmachen.

Die Berliner Wälder sind tatsächlich per Gesetz Erholungswälder für Menschen. Auch das ist etwas ganz Besonderes. In den meisten anderen Bundesländern ist Wald in erster Linie dazu da, um irgendwann geerntet zu werden.

Kommen die Parks also mit den Strapazen durch die Spaziergänger klar und schaffen es zwischenzeitlich immer wieder, sich zu erholen?

Nunja, wenn die Pandemie irgendwann einmal vorbei ist und die Nutzung nachlässt würden sich die Pflanzen und die Tiere schon freuen. Man sieht der Natur ganz klar an, gerade auch den Parkanlagen, dass sie stark übernutzt sind. Für eine derart starke Nutzung sind sie ja nicht konzipiert. Das sieht man besonders an den Stellen wie dem Tiergarten oder dem Mauerpark, wo sehr sich sehr viele Menschen erholen wollen. Wenn dieser Nutzungsdruck wieder nachlässt, können sich die Flächen auch wieder erholen.

Ist die Stadtnatur mehr von den Menschenmassen oder von der Klimasituation gestresst?

Nachhaltig am negativsten sind die Klimaveränderungen. Berlin hat ja ein festes kontinentales Klima und ohnehin nicht sehr viel Regen im Jahr. Wir liegen hier bei 580 Milliliter. Im Vergleich dazu: Hamburg hat 1.100 und Oldenburg bis zu 1.800 Milliliter Regen im Jahr. Das ist die doppelte Menge. So weit entfernt sind wir von den Regenmengen einer Steppe gar nicht. Wir haben also sowieso nur wenig Regen und jetzt bleibt der auch noch aus. Es gibt da ein Defizit, dass sich über die letzten Jahre durchzieht. Es gibt also eine große Trockenheit. Dann sinkt auch noch der Grundwasserstand. Und durch die höheren Temperaturen, die wir ja als durchaus angenehm empfinden, verdunstet deutlich mehr Feuchtigkeit. Da gibt es dann Folgewirkungen für Pflanzen und Tiere. Das ist sicher nicht das erste Mal so in der Erdgeschichte, dass das vorkommt. Aber die Geschwindigkeit, in der das passiert, können Pflanzen und Tiere durch Anpassungen kaum auffangen. Hinzu kommt jetzt Pandemie-bedingt noch die Übernutzung der Grünflächen.

Mehr zum Thema

Verstöße gegen Corona-Regeln

Polizei verweist hunderte Menschen des Tempelhofer Feldes

Hat man schon angefangen, die Parks umzubauen? Gibt’s beispielsweise robusteres Steppengras für die Liegewiesen?

So einfach ist das leider nicht. Es werden je nach Standort bestimmte Gehölze und Gräser eingesetzt. Natürlich reagieren auch Bezirks- und Grünflächenämter auf die intensive Nutzung und die veränderten Klimabedingungen. Aber man kann eben nicht einfach schnipsen und dann ist alles anders.

Es muss aber auch eine gesellschaftliche Akzeptanz dafür geben, dass das, was da draußen ist, zwar genutzt werden darf, es aber, wenn es weiter schön aussehen soll, auch geschont werden muss.

Wie geht es eigentlich der heimischen Wildtierwelt mit unserer Präsenz in ihrem Lebensraum?

Für die Tiere, die hier sonst gut klarkommen, bedeutet es eine starke Veränderung, wenn da plötzlich doppelt so viele Menschen wie sonst in denselben Parkanlagen aufkreuzen. Vor allem, wenn sie sich auch abseits der Wege bewegen. Sie können dann leicht Vögel beim Brüten oder der Nahrungssuche stören.

Tatsächlich fehlt manchen Stadtbewohnern mitunter die Sensibilität im Umgang mit der Stadtnatur.

Rasenflächen, die unter der großen Nutzung leiden, erholen sich vermutlich schneller als so manch anderes Gewächs. Welche Pflanzen leiden derzeit besonders?

Wer wirklich leidet sind Strauch- und Baumflächen. Durch die langanhaltende Trockenheit haben die nicht mehr genug Wasser und können die oberen Pflanzenteile nicht mehr versorgen. Bei beispielsweise für uns herrlichen Sommertagen ist die Strahlungsintensität sehr hoch – die muss jeder Baum, jedes Blatt aushalten. Da kommt es durch Verbrennungen zu Schäden. Wenn dann auch noch im Winter zu wenig Regen fällt oder die Straßenbäume durch Salz geschädigt werden, ist das wirklich schlecht.

Mehr zum Thema

Sichere Tipps für draußen

Sechs Faustregeln, um die Sonne ohne Corona-Bedenken zu genießen

Apropos Bäume. Die nehmen ja nicht nur durch Trockenheit und Menschen schaden. Es soll ja auch vermehrt Biber in Berlin geben, die an ihnen nagen. Ist das wirklich so?

Die Biber, die jahrzehntelang ausgerottet waren, sind inzwischen tatsächlich wieder da. Und wir sind auf jeden einzelnen Biber in Berlin stolz. Biber gehören zu den wenigen Tierarten, die sich den Landschaftsraum selbst gestalten. Das fällt ihnen in Berlin allerdings schwer, weil sie die Spree nicht stauen können. Ihr Hauptzweck in der Natur ist, dass sie die Uferregion von Gehölzen befreien und so mittelfristig Erosion verhindern. Sie können durch Überschwemmungen auch Moore bilden und sie können dafür sorgen, dass ausreichend Wasser an die Pflanzen kommt, die sonst mit Wasser unterversorgt sind.

Die Biber haben Berlin in den vergangenen 20 bis 30 Jahren richtiggehend erobert. Inzwischen haben wir weit über 100 Biber-Ansiedlungen in der Stadt. Sie leben sogar ganz zentral in der Rummelsburger Bucht oder auch im Tiergarten. Sie sind auch an Gewässern vertreten, die ich als Biber nicht bevorzugen würde. Wie dem Neuköllner Schifffahrtskanal oder dem Teltowkanal.

Das führt auch mal zu Problemen, wenn der Biber an Bäumen nagt, die wir Menschen schön finden oder an solche, die besonders geschützt sind. Dagegen kann man aber etwas machen. Man nimmt allerdings nicht den Biber weg. Das hätte auch wenig Sinn, weil sofort ein neuer nachkäme. Die Bezirke schützen die Bäume mit Estrichmänteln. Dann findet der Biber andere Nahrung.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24

Artikel im mobilen Angebot lesen