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Audio: Radioeins | 07.07.2021 | Leif Erik Sander | Quelle: dpa/Gideon Markowicz

Interview | Leif Erik Sander

Israels Zweifel an Biontech: Charité-Experte Sander warnt vor voreiligen Schlüssen

56 Prozent der israelischen Bevölkerung sind schon komplett geimpft, so gut wie alle mit dem Biontech-Impfstoff. Trotzdem steigen die Corona-Zahlen wieder deutlich an. Der Charité-Impfexperte Sander rät im rbb trotzdem zur Gelassenheit.

In Israel hat die Wirksamkeit der Pfizer/Biontech-Impfung gegen das Coronavirus offenbar deutlich nachgelassen. Parallel habe sich die aggressivere Delta-Variante im Land ausgebreitet, heißt es vom israelischen Gesundheitsministerium.

Seit dem 6. Juni sei die Wirksamkeit der Impfung bei der Verhinderung einer Infektion in Israel auf 64 Prozent gesunken. Dies sei auch bei der Verhinderung einer Erkrankung mit Symptomen der Fall. Allerdings verhindere die Impfung gleichzeitig zu 93 Prozent eine schwere Erkrankung und Krankenhausaufenthalte.

Die Zahl der Neuinfektionen stieg am Sonntag auf 334 Personen, zuletzt wurden Anfang April mehr als 300 Corona-Neuinfektionen an einem Tag festgestellt. Die Zahl der schwer an Covid-19 Erkrankten stieg in Israel dagegen nur leicht auf 35. Seit rund zwei Wochen ist kein Todesfall mehr im Zusammenhang mit dem Virus registriert worden. 56 Prozent der Israelis sind schon komplett geimpft.

Über die neuen Zahlen aus Israel hat das rbb-Programm Radioeins am Dienstagmorgen mit Leif-Erik Sander gesprochen. Er leitet die Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfstoffforschung an der Berliner Charité.

Zur Person

rbb: Herr Sander, was bedeuten diese Erkenntnisse aus Israel, dass der Impfstoff von Biontech/Pfizer gegen Delta anscheinend nicht mehr so wirksam ist? Wie beunruhigend ist das?

Leif Erik Sander: Zunächst einmal muss man sagen, dass diese Zahlen dort noch nicht so belastbar sind. In Israel sind die Inzidenzzahlen ja noch gering. Auch wenn sie dort wieder ansteigen, gibt es insgesamt noch wenige Infektionen, da geht es eher um kleinere Ausbruchsgeschehen. Unter diesen Voraussetzungen ist es nicht so einfach, so eine Wirksamkeit genau zu berechnen und zu bestimmen.

Wir haben ja parallel auch Zahlen aus Großbritannien, wo sehr viel mehr Infektionen registriert wurden, und diese Zahlen legen zwar auch nahe, dass die Wirksamkeit gegen die Delta-Variante etwas reduziert ist, aber eben nur ein kleines bisschen. Da liegt man eher bei 80 Prozent. Von daher wäre ich da noch ein bisschen vorsichtig.

Was ein bisschen untergeht in dieser Meldung ist außerdem, dass man gleichzeitig auch gesehen hat, dass der Schutz vor schwerer Erkrankung auch in Israel mit 93 Prozent weiterhin sehr hoch ist.

Was heißt das für die Wirksamkeit der anderen Impfstoffe wie Astrazeneca oder Moderna? In Israel wurde ja fast nur Biontech verimpft.

Aus Großbritannien weiß man, dass man auch bei Astrazeneca eine leichte Reduktion sieht, aber nicht so einen starken Wirkverlust, wie das jetzt hier in diesen Zahlen aus Israel suggeriert wird. Ich denke, dass wir bei allen Impfstoffen eine leichte Reduktion bekommen.

Zu Moderna gibt es einfach nicht so viele Zahlen, aber ich sehe diesen Impfstoff als sehr gleichwertig zum Biontech-Impfstoff an. Also würde ich hier von ähnlichen Zahlen ausgehen.

Man weiß ja inzwischen, dass auch eine Covid-Infektion mit leichten oder auch gar keinen Symptomen Long Covid auslösen kann. Wie gut schützt eine doppelte Impfung vor diesen möglichen langfristigen Folgeschäden?

Das weiß man noch nicht. Es laufen Studien und Untersuchungen dazu, dass Menschen, die nach einer Infektion sogenanntes Long-Covid-Syndrom haben, teilweise von einer Impfung profitieren und dass es ihnen nachher besser geht. Ob es trotz Impfung auch zu Long-Covid kommen kann, dazu gibt es noch keine guten Daten. Mein Gefühl ist, dass das nicht der Fall ist, weil man mit einer ganz anderen immunologischen Grundkonstitution diesem Virus begegnet, sodass ich nicht glaube, dass sich hier das Long Covid Syndrom ausbilden könnte. Aber dazu fehlen noch Studiendaten.

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Die Empfehlung der Stiko basiert darauf, dass wir sehr seltene Impfkomplikationen gesehen haben mit dem Astrazeneca-Impfstoff. Deshalb wurde Menschen unter 60 Jahren empfohlen, nach einer Astrazeneca-Erstimpfung zur Sicherheit lieber einen mRNA-Impfstoff zu nutzen. Damit wurde dann auch begonnen, und in vielen Studien in Europa hat man den Effekt registriert, dass die Immunantwort dadurch nochmal deutlich gesteigert wird. Auch vor dem Eindruck der Delta-Variante hat man gesagt, das können wir auch generell empfehlen. Das macht schon Sinn. Auch bei anderen Impfstoffen macht man das manchmal, dass man unterschiedliche Impfstoffplattformen miteinander kombiniert und dadurch die Wirksamkeit steigern kann.

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Aber es gibt viele, die jetzt zweimal mit Astrazeneca geimpft sind. Und die sind sehr verunsichert, ob sie jetzt schlecht geschützt sind.

Ja, da kann ich auch erst einmal beruhigen. Da haben wir zum Glück wieder die Daten aus England und Schottland, die zeigen, dass man mit einer vollständigen Astrazeneca-Impfung auch einen ganz hervorragenden Impfschutz hat vor einer schweren Erkrankung. Deswegen muss man nicht beunruhigt sein.

Es spricht nichts dagegen, wenn man beispielsweise zu einer Risikogruppe gehört, dass man sich im Herbst noch einmal auffrischen lässt, zum Beispiel durch die Kombination mit einem mRNA-Impfstoff.

Herr Sander, vielen Dank für das Gespräch!

Sendung: Radioeins, 07.07.2021, 6:34 Uhr

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