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Audio: rbb 88.8 | 03.12.2021 | Juliane Kowollik/Martin Adam | Quelle: rbb/Martin Adam

Doch kein 2G+ auf Weihnachtsmarkt

Salto rückwärts auf dem Gendarmenmarkt

Erst am Sonntag hatten die Veranstalter des Weihnachtsmarktes in Mitte angekündigt, auf 2G+ zu setzen, zusätzlich also einen Corona-Test zu verlangen. Nach heftigem Protest der Händler wird der Schritt jetzt wieder rückgängig gemacht. Von Martin Adam

Der weiße Corona-Testbus steht noch da, nur wird kaum noch getestet am Gendarmenmarkt. Durch den Eingang direkt neben dem Bus kommen und gehen die Gäste des Weihnachtsmarktes, zeigen Impfnachweise und Personalausweise vor. Viele tragen Masken im Gesicht, manche nur Glühwein in der Hand. Am Bus gehen die meisten einfach vorbei. "Ich finde das reicht auch", sagt eine junge Frau, "2G an der frischen Luft, mehr wäre auch übertrieben."

Kurzfristig auf 2G+ umgeschwenkt

Helmut Russ war davon nicht überzeugt. Er ist einer der beiden Geschäftsführer des Marktes und Mehrheitseigener des Veranstalters. Russ steht am letzten Wochenende auf seinem Markt und beobachtet das Gedränge seiner Gäste, ohne Abstand, oft ohne Maske. Er habe das Gefühl gehabt, "wir müssten mindestens 30 Leute mehr einstellen, nur um die Maskenpflicht durchzusetzen", sagt er später am Telefon.

Der bessere Weg, so Russ, sei zusätzlich auf aktuelle Corona-Schnelltests zu bestehen – 2G+ also. Eine recht kurzfristige Entscheidung war das, erzählen die Beteiligten, und der Anfang einer Geschichte, die symptomatisch steht für die allgemeine Verwirrung in Sachen Infektionsschutz. Eine Geschichte, die damit endet, dass Helmut Russ hinschmeißt und sich für die laufende Saison aus dem Geschäft verabschiedet.

"Riesen-Shitstorm" für Marktbetreiber

Dabei hatte er es eigentlich nur gut gemeint. Er habe nicht die Verantwortung tragen wollen, sagt er später, "wenn der Weihnachtsmarkt da zur Verbreitung in Berlin beiträgt." Also bestellt er einen Testbus, informiert Medien und Mieter und bekommt als Antwort "einen Riesen-Shitstorm von den Händlern".

Ja, sie habe schon auch mit der Marktleitung über die neuen Regeln gesprochen, bestätigt eine Gastronomin auf dem Markt. In Ihrem Restaurant seien gerade zur Mittagszeit etliche Kunden aus der Umgebung weggeblieben, die sich nicht vorher noch testen lassen wollten. "Wir waren alle ziemlich verunsichert", sagt sie. Klar war nur, dass Russ' einsame Entscheidung die Kasse belastet. Das bestätigen auch andere Händler. Die Marktleitung habe in vorauseilendem Gehorsam alles besonders gut machen wollen, heißt es. Viele halten das für übertrieben. Als am Mittwoch der Testbus endlich ankommt und das Testen beginnt, ist der Markt über Mittag fast leer.

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Händler wollen keine Testpflicht

Vor allem die gastronomischen Schwergewichte, die die hohen Mieten zahlen, hätten danach massiv Druck ausgeübt, berichtet einer aus dem Marktumfeld, der namentlich nicht genannt werden möchte. Russ sei regelrecht angegangen worden. Er werde schon sehen, wer sich am Ende durchsetze, hätten ihm die Händler erklärt. Bestätigen möchte das niemand.

Im zweiten Corona-Winter ist die Bereitschaft, auf Einnahmen zu verzichten, nicht mehr groß. Viele auf dem Markt verdienen deutlich weniger als in normalen Jahren, wenn überhaupt. Und die Präsenz auf dem Weihnachtsmarkt sei "ja auch ein großes Investment", erzählt die Gastronomin. Nach nur wenigen Stunden wird das Experiment "2G+" abgeblasen. "Keine Covid-Testpflicht" steht seitdem auf eilig angebrachten Schildern an den Eingängen. Und Helmut Russ wirft für den Rest der Saison hin. Die Verantwortung wolle er nicht tragen, sagt er.

Zurück zur Vorgabe des Senats

Die Geschäftsführung hat seitdem Russ' Schwester Gunda Kniep allein inne. Zuvor hatten sich beide den Posten geteilt. Die Entscheidungen seien nicht leicht gewesen, sagt Gunda Kniep – weder die für die Testpflicht, noch die zurück auf 2G. Generell seien doch alle unsicher, auch die Politik entscheide ständig und rudere dann zurück. "Es hieß ja auch schon vom Senat, dass wir vielleicht mit 2G+ rechnen müssen."

Gunda Kniep zitiert Virologen, die sie im Fernsehen gesehen habe, sie habe sich zu Aerosolverteilung auf offenen Plätze belesen und sich am Ende für das Geschäft und damit gegen die Tests entschieden. Wenn Gunda Kniep erzählt, dass der Markt in diesem Jahr ohnehin keinen Profit abwerfe, dass aber auch das Geschäft der Händler laufen müsse, schließlich seien die ja auch nicht zum Spaß hier, klingt das fast wie eine Entschuldigung für das Offensichtliche. 2G ist die Vorgabe des Berliner Senats und somit rechtens.

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Positiv getestet auf den Markt

Trotzdem seien die Corona-Tests sinnvoll gewesen, betont der Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte. Er habe an dem Mittwoch, als für wenige Stunden getestet wurde, mitbekommen, dass unter den Gästen mehrere positiv getestet und sogar nachgetestet wurden. Ihnen sei geraten worden, sich sofort in Quarantäne zu begeben, als gerade am Eingang die "Keine Covid-Testpflicht"-Schilder angebracht wurden. Statt nach Hause seien einige der positiv Getesteten dann doch lieber noch auf den Markt gegangen, sagt der Mitarbeiter. Kontrolliert wurde schon nur noch der Impfnachweis.

Sendung: Abendschau, 02.12.2021, 19:30 Uhr

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Beitrag von Martin Adam

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