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Quelle: dpa-Symbolbild/Armin Weigel

Interview | Friseurin zu Corona-Lockerungen

"Der Senat tut so, als gäbe es uns nicht"

Seit der Einführung der 2G-Regeln in Berlin dürfen Ungeimpfte nicht mehr zum Friseur, obwohl es dort strenge Hygieneauflagen gibt. Eine Salonbesitzerin aus Prenzlauer Berg ärgert sich, dass die Politik sie bei den Lockerungen einfach ignoriert.

rbb|24: Hallo Frau Zakertzewski. Wie ist bei den jetzigen Hygieneregeln die Stimmung in ihrem Laden?

Jana Zakertzewski: Die Hygienemaßnahmen tun meiner Stimmung keinen Abbruch. Ich kann ihnen nichts Schlechtes abgewinnen. Im Gegenteil, das hätte in vielen anderen Bereichen schon viel früher auch so gemacht werden können. Wir arbeiten mit Maske und Abstandsbestimmungen. Das Einzige, was jetzt weggefallen ist, sind die Kundendaten für die Kontaktnachverfolgung, die müssen wir nicht mehr erheben. Auch wenn das dauerhafte Arbeiten mit Maske natürlich für uns Friseure nicht angenehm ist. Wir graulen uns dahingehend schon ein wenig vor den wärmeren Monaten.

Ganz allgemein ist die Stimmung aber durchaus etwas gereizt. Das dauert alles so lange und es kommen auch immer wieder neue Auflagen. Das ist weder angenehm noch aufbauend.

Jana Zakertzewski

"Die Kunden sind alle kurz vorm Durchdrehen. Wir selbst auch."

Obwohl ihr Styling-Salon in Prenzlauer Berg derzeit geöffnet sein darf, hat Inhaberin Jana Zakertzewski schlaflose Nächte. Denn es bleibt unklar, wie es weitergeht. Außerdem ist da noch der Schnellkredit, den sie abzahlen muss. Ein Gesprächsprotokoll.

Wenn es immer wieder neue Auflagen gibt: Blicken Sie da noch durch?

Nein! Da blickt schon lange keiner mehr durch. Das ist ja auch das Problem. Es gibt ein unglaubliches Wirrwarr. Selbst Berufsgenossenschaften, Handwerkskammern und Innungen kommen nicht eins zu eins hinterher. Sobald nach einer MPK wieder neue Regeln in die Gesellschaft geworfen werden, bekommen wir hier auch direkt Anrufe, von oft ungeimpften Kunden, die wissen wollen, was das für ihren Besuch bei uns bedeutet. Wenn sie dann erfahren, dass sie zur Zeit weiterhin auch nicht mit tagesaktuellem Test kommen dürfen, kriegen wir ihren ganzen Unmut ab, der uns noch dazu von unserer eigentlichen Arbeit abhält. Das ist total ärgerlich. Denn in der Regel erfahren wir selbst als Letzte von etwaigen Änderungen.

Von wem bekommen sie die Informationen dann, was sich geändert hat?

Wir schauen ins Netz, schauen teilweise die Pressekonferenzen. Aber ganz ehrlich, am meisten helfen uns Nachrichten-Websites. Da weiß man eher Bescheid und informiert uns, als die Kammern oder Genossenschaften oder der Zentralverband des Friseurhandwerks das tun. Und das sollten ja für uns eigentlich die ersten Anlaufstellen sein. Aber die hinken schon die ganze Pandemie über ziemlich hinterher.

Nun sollen bald Lockerungen kommen. Freuen Sie sich schon darauf?

Ich freue mich darüber als Privatperson und ich freue mich auch für jede einzelne Branche, für die gelockert wird. Insbesondere die Hotellerie und die Veranstaltungsbranche, die wirklich leidet. Aber für uns Friseure und alle anderen körpernahen Dienstleistungen gibt es derzeit nicht eine einzige Aussage zu Lockerungen bis 20. März. Wir sind weder auf Bundes- noch auf Länderebene bei einem der Stufenpläne auch nur erwähnt worden.

Ein Friseur aus Tempelhof hat ja per Eilantrag Klage beim Verwaltungsgericht Berlin gegen die 2G-Regelung in Friseur-Salons eingereicht. Er fordert, dass Friseure und andere körpernahe Dienstleistungen mit Restaurants gleichgestellt werden. Hätten Sie das auch gern?

Ja. Zumindest, was eine 3G-Regel betrifft. Denn die Vergangenheit zeigt ja, dass sich bei den Friseuren zu keinem Zeitpunkt der Pandemie viele Menschen angesteckt haben. Wir haben auch wirklich gute Hygienekonzepte, die konsequent umgesetzt wurden.

Wir wurden auch schon oft kontrolliert vom Ordnungsamt. Die kommen dann zu dritt, man muss die Arbeit niederlegen und der ganze Laden und alle, die darin sind, werden kontrolliert. Das ist auch völlig in Ordnung.

Sie könnten Ungeimpfte mit aktuellem Test also bedienen, ohne, dass es zu maßgeblichen Ansteckungen käme?

Ich denke schon. Das konnten wir ja im Herbst auch.

Kommen merklich weniger Kunden zu Ihnen, seit Ungeimpfte nicht mehr dürfen?

Es gibt natürlich ungeimpfte Kunden, die nicht mehr kommen können. Das größere Problem ist aber die Stigmatisierung, finde ich. Ich selbst und mein ganzes Umfeld sind geimpft und geboostert. Trotzdem liegt es mir fern, über Ungeimpfte pauschal zu urteilen. Die Kunden, die bei uns nicht geimpft waren, haben alle ihre Gründe gehabt. Über die möchte ich nicht urteilen – so lange sich diese Menschen an alle anderen Regeln halten. Ich halte es einfach für unklug, diese Menschen komplett auszuschließen.

Denken Sie eigentlich, dass die Ungeimpften sich derzeit alle selbst die Haare schneiden?

Nein, ich würde eher sagen, dass ein Großteil die Haare seit der Einführung von 2G Anfang November wachsen lässt. Wir kriegen auch Anrufe, wie man da überbrücken kann – da geht es oft um die Farbe. Aber es wird sicher auch einen Schwarzmarkt geben. Doch auch der wird durch die ansteckende Omikron-Variante eher weniger geworden sein.

#Wiegehtesuns | Friseur

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Das heißt, man müsste jetzt ungeimpfte Menschen an ihrer Frisur erkennen können?

Unter anderem! Obwohl es in Berlin ja auch vollkommen unabhängig von Corona öfter mal wilden Haarwuchs gibt. Wir waren dahingehend ja noch nie Vorreiter wie Mailand oder Paris.

Was würden Sie sich für Ihre Branche jetzt kurzfristig wünschen – vor allem, dass - wie es in Brandenburg ja auch sein soll - 3G möglichst bald wiederkommt?

Nein! 3G sollte nur dann kommen, wenn es von den Ansteckungszahlen und der Intensivbettenauslastung her geht. Was mich wirklich stört ist einfach, dass die körpernahen Dienste zuletzt von der Politik nicht einmal mehr erwähnt wurden. Unsere Branche kommt einfach nicht vor. Und dazu gehören ja eben nicht nur wir Friseure, sondern auch Tätowierer, Kosmetiker, private Massagepraxen, Nagestudios und so weiter. Das ist ja schon ein ziemlich großes Spektrum, da kann es doch nicht sein, dass wir gar nicht vorkommen. Der Senat tut so, als gäbe es uns nicht. Aber wir brauchen Klarheit.

Vielen Dank für das Gespräch.

 

Das Interview führte Sabine Priess, rbb|24

Sendung: Inforadio, 22.02.2022, 09:03 Uhr

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