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Quelle: dpa/Sina Schuldt

Ersatz für Gorleben

Könnte bei Neuruppin Atommüll endgelagert werden?

Im September sollen potenzielle neue Atommüll-Endlager ausgesucht werden. Auch zwei Standorte in Brandenburg stehen vermutlich zur Debatte. Manche Anwohner sind verunsichert - zu Unrecht, erwidert das zuständige Bundesamt. Von Efthymis Angeloudis

Seit zwei Jahren arbeitet die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) daran, alternative Standorte für das Atommüll-Endlager Gorleben zu suchen. Im Landkreis Ostprignitz-Ruppin mehren sich nun die Stimmen, die befürchten, dass zwei Salzstöcke in der Region in die engere Auswahl kommen könnten.

Ein Atommüll-Endlager in der Prignitz? Grund genug für die Grüne Liga am Dienstag zu einem Infoabend in Neuruppin einzuladen. Dabei steht die Wahl des Lagers laut BGE noch gar nicht fest.

"Die Betroffenen haben nur ganz wenig Zeit sich zu äußern. Deswegen ist es mir ein Anliegen, dass sich alle rechtzeitig informieren und auch einmischen, weil dieses Suchverfahren letztendlich wenig Raum bietet für Betroffene, die eigenen Interessen zu vertreten", sagt Jochen Stay, Organisator des Abends und Referent der Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt, dem rbb. Bisher seien zwar Gremien vorgesehen, an denen sich Bürger bei der Auswahl des Atommüll-Endlagers beteiligen könnten. Auf die Entscheidung hätten sie jedoch keinen Einfluss. "Das heißt, man kann seine Meinung sagen, aber die muss nicht gehört werden. Entschieden wird da immer wo anders."

Für Stay ist das nicht die erste Protestveranstaltung, die er organisiert hat. Seinen größten Erfolg landete der Aktivist 2010, als er mehr als 50.000 Menschen in Berlin auf die Straße brachte, zu einer Demonstration gegen die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke in Deutschland.

Potenzielle Standorte Zechlin und Netzeband

In Neuruppin erschienen am Dienstag letztendlich nur 100 Menschen. Stay sagt, er wolle die Menschen in der Region trotzdem ermuntern, sich aktiv an der Atommüll-Debatte zu beteiligen. Denn schon im September werde ein Zwischenbericht zur Suche nach dem Endlager erwartet.

In Ostprignitz-Ruppin gibt es laut Stay in zwei Standorten Salzstöcke und außerdem Tonformationen, die als Standorte für die Entsorgung radioaktiven Abfalls in Frage kommen. "Das sind der Salzstock Zechlin und der Salzstock Netzeband." Die hauptsächliche Frage, die die BGE beschäftige, sei, wo es in Deutschland überhaupt Gestein gebe, das für die Lagerung in Frage komme. "Man sucht nach Granit, nach Salz und nach Ton."

"Ob die Region Ostprignitz-Ruppin für die Endlagerung geeignet sein könnte, steht derzeit noch nicht fest", kontert Monika Hotopp, Sprecherin der BGE, gegenüber rbb|24. "Aber wir sind nicht naiv. Sobald Regionen als Teilgebiete identifiziert sind, wird es zunächst einmal Aufregung geben." Man sei jedoch überzeugt, dass man im direkten Gespräch erläutern könne, wie man die Entscheidung treffen werde.

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"Unberechtigte Ängste"

Dass die Grüne Liga Brandenburg und die Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt solch eine Info-Veranstaltung in der Region Ostprignitz-Ruppin abhalten, stößt beim Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) auf Unverständnis. Man solle keine unberechtigten Ängste wecken, teilte das Amt mit.

Ganz anders sehen das aber die Grünen im Brandenburger Landtag. "Es ist begrüßenswert, wenn die Zivilgesellschaft sich schon jetzt Gedanken macht, wie man mit einem möglichen Endlager in seiner Region umgehen will", teilte die Fraktion mit. Es sei bekannt, dass es im Norden Brandenburgs Salzformationen im Untergrund gebe, die für ein Endlager in Betracht gezogen werden könnten. Eins dürfe jedoch klar sein: "Die betroffenen Regionen werden nicht in Jubel ausbrechen", heißt es in der Mitteilung weiter. "Wenn das zuständige Bundesamt jetzt von 'unberechtigten Ängsten' spricht, ist das keine sonderlich konstruktive Hilfe."

Seit zwei Jahren auf der Suche

35 Jahre lang war der Salzstock von Gorleben im niedersächsischen Wendland die bundesweit einzige Option für ein Atommüll-Endlager. Da es Zweifel an der Eignung und massiven Widerstand gab, wurde eine Suche nach dem besten Standort für radioaktive Abfälle gestartet.

Bundesweit werden mögliche Standorte, etwa Salzstöcke und Tonvorkommen, auf Tauglichkeit überprüft. Dabei richtet man sich an ein strenges Ausschlussverfahren. Erdbebengebiete oder Stellen, an denen es aktive geologische Störungen gibt, kommen nicht in Frage.

Drei Punkte werden dabei angewendet: die Ausschlusskriterien, die Flächen beschreiben, wo kein Endlager gebaut werden kann; die Mindestanforderungen, die erfüllt sein müssen, um ein Gebiet im weiteren Verfahren zu berücksichtigen; und die geowissenschaftlichen Abwägungskriterien, mit denen beschrieben wird, ob eine günstige geologische Voraussetzung für eine sichere Endlagerung von hochradioaktivem Atommüll zu erwarten ist.

Zwei rote Punkte auf der Karte

An dem potenziellen Ort für das Atommüll-Endlager muss das Gestein einen sicheren Einschluss der radioaktiven Abfälle gewährleisten. Es muss eine mindestens 100 Meter starke Schicht aus Kristallin-, Salz- oder Tongestein vorliegen, die das Endlager für hochradioaktive Abfälle umgeben können. Und es muss sich in einer Tiefe von mehr als 300 Metern befinden. Die Landkarte zur Auswahl, betonen die zuständigen Bundesämter, sei immer noch weiß – ein Standort sei noch nicht ausgewählt worden.

Seit Jahren ist jedoch bekannt, dass die Salzformationen bei Zechlin und Netzeband für ein Endlager in Betracht gezogen werden könnten. Im Herbst dieses Jahres soll eine Vorauswahl getroffen werden. Dann soll sich die weiße Landkarte färben. Ob zwei rote Punkte um Neuruppin auf der Karte gemalt sind, wird sich dann zeigen.

Beitrag von Efthymis Angeloudis

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