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Audio: JOURNAL | 21.08.2020 | M. Ernst | Quelle: dpa/S. Steinach

Nach anhaltender Kritik an rassistischem Namen

BVV-Mitte beschließt Umbenennung der Mohrenstraße

Seit Jahren toben Debatten um rassistische Straßennamen in Berlin. Dabei sorgt auch der Name "Mohrenstraße" in Mitte für heftige Kritik. Nun hat die BVV beschlossen, die Umbenennung einzuleiten. Neuer Namenspatron der Straße wird wohl Anton Wilhelm Amo.

Die Mohrenstraße in Berlin Mitte soll umbenannt werden. Das beschloss die Bezirkverordnetenversammlung Mitte am Donnerstagabend auf Antrag von SPD und Grünen.

Die SPD sprach via Twitter von einem "tollen Erfolg" und erklärte, in dem Beschluss werde das Bezirksamt ersucht, "unverzüglich den Vorgang zur Umbenennung zu starten". Nach heutigem Demokratieverständnis sei "der bestehende rassistische Kern des Namens belastend und schadet dem nationalen und internationalen Ansehen Berlins".

Teil des Beschlusses ist auch der Vorschlag, die Straße nach Anton Wilhelm Amo zu benennen.

Kritik von der Linken am Verfahren

Die Linke allerdings übt Kritik an der Umsetzung der Neubenennung. "Der nun beschlossene Antrag läuft auf die Umbenennung hinaus. Aber es gibt keine Beteiligung für diese Neubenennung", sagte Linken-Fraktionschef Thilo Urchs dem rbb. Der von der Linken vorgelegte Änderungsantrag, für die neue Namensfindung eine Kommission einzusetzen mit Vertretern des Decolonize-Bündnisses, des Mitte-Museums, des ethnologische Instituts der Humboldt-Uni, sowie Mitgliedern des Ausschusses für Bildung und Kultur und anderer Einrichtungen und Initiativen, hatte vor der Abstimmung im Ältestenrat bereits keine Mehrheit gefunden.

"Hier wird nun die notwendige Bürgerbeteiligung ausgeblendet", sagte Urchs rbb|24. 2004 bereits habe die Linksfraktion den ersten Antrag gestellt zur Umbenennung der Mohrenstraße - damals noch ohne Erfolg. Ebenso wichtig wie die Umbenennung selbst sei aber eben auch die Debatte darum. Die Kritik seiner Partei ziele dabei auf das Verfahren und Umsetzung und nicht auf Abschaffung des Namens, betonte Urchs. Sehr klar habe seine Partei dies auch in ihrem Antrag formuliert: "Dieser Name ist rassistisch und kolonialistisch belastet, diskriminiert und schadet dem nationalen und internationalen Ansehen Berlins."

Das weitere Verfahren sehe laut dem Beschluss nun lediglich "die Information der Anrainer*innen und der Stadtgesellschaft" vor, so Urchs. Einen genauen Zeitplan gebe es noch nicht.

Initiative Postkolonial: "Berlin verbannt eine Beleidigung aus dem Stadtraum"

Anti-Rassismus-Initiativen begrüßten die Umbenennung. Berlin schreibe "Weltgeschichte", erklärte die Initiative Berlin Postkolonial am Freitag. "Das ist ein großartiger Tag: Berlin verbannt eine Beleidigung aus dem Stadtraum und ehrt mit Amo einen widerständigen Gelehrten aus Afrika", sagte Sprecher Mnyaka Sururu Mboro.

Erster schwarzer Philosoph Deutschlands als Namensgeber

Amo war der erste bekannte Philosoph und Rechtswissenschaftler afrikanischer Herkunft in Deutschland. 1703 im heutigen Ghana geboren, von der holländischen Ostindien-Kompanie verschleppt und an den Hof von Braunschweig-Wolfenbüttel "verschenkt". Er erhielt eine Ausbildung und besuchte die Universität. Er promovierte 1729 in Halle und wirkte bis 1747 als Wissenschaftler an den Universitäten Halle, Wittenberg und Jena.

"Amo wurde als einer der ersten prägenden Schwarzen Philosophen und Rechtswissenschaftler in Deutschland bekannt", schrieben der Kreisvorstand der Grünen Jeff Kwasi Klein und die Grünen-Fraktionsvorsitzende Laura Neugebauer bereits im Juli in einer gemeinsamen Mitteilung.

Beschluss zur Umbenennung sieht Mitsprache vor

Die Umbenennung der Mohrenstraße ist bereits seit Jahren in der Debatte. So organisierte das Bündnis "Decolonize Berlin"seit mehreren Jahren dort Umbenennungsfeste und setzt sich damit dafür ein, der Mohrenstraße einen neuen Namen zu geben. Teil des Bündnisses ist die "Initiative Schwarzer Menschen".

Eine schnelle Umbenennung allerdings verhindern rechtliche Hürden. Grundlage jeder Neu- oder Umbenennung ist das Berliner Straßengesetz. Hinzu kommen Grundsätzbeschlüsse der BVV zu Neu- und Umbenennungen: Unter anderem besagt ein BVV-Beschluss von 2002, dass für "die Beseitigung von Namen" etwa als Gründe gelten, dass diese "für nationalistische, militaristische und antidemokratische Haltungen stehen". Das Berliner Straßengesetz allerdings sieht keine Mitsprache der Betroffenen vor, also der Anwohner. Dies führte zuletzt immer wieder zu Debatten und Einsprüchen in anderen Bezirken Berlins, etwa in Wedding im Afrikanischen Vietel.

Debatte um rassistische Straßennamen

Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG hatten Anfang Juli zunächst angekündigt, den Stationsnamen Mohrenstraße in Glinkastraße umbenennen zu wollen. Nach dem russischen Komponisten Michail Iwanowitsch Glinka (1804-1857) ist eine Straße benannt, die nahe der U-Bahn-Station auf die Mohrenstraße trifft.

Nach Vorwürfen, Glinka sei Antisemit gewesen, pfiff der Senat die BVG jedoch zurück. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne), die auch Vorsitzende des BVG-Aufsichtsrates ist, forderte ein "offenes Verfahren" unter Beteiligung von Verbänden, Initiativen und Anrainern. Die BVG erklärte daraufhin, sie sei offen für andere Vorschläge und bereit, nach einer Lösung zu suchen. Die Bedingung: Der neue Name der Station müsse Reisenden eine räumliche Orientierung geben.

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