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Quelle: imago/D.Sattler

Verzögerungen am Bau

Doch kein Freiheits- und Einheitsdenkmal zum Tag der deutschen Einheit

Nach jahrzehntelangen Diskussionen hätte es zum Tag der deutschen Einheit in diesem Jahr endlich eröffnet werden sollen: Das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin Mitte. Doch es gibt erneut Verzögerungen. Von Jakob Bauer

Es herrscht reges Treiben auf dem Platz vor dem Humboldt-Forum. Bauarbeiter wuseln herum, klopfen Pflastersteine fest. Touristen strömen im Fünfminuten-Takt aus der U-Bahn. Eine ruft: "Da kommt die Wippe hin." Der Begriff hat sich im Volksmund längst festgesetzt. Die Initiatoren des Freiheits- und Einheitsdenkmals bevorzugen allerdings das Wort "Schale". 50 Meter lang, 18 Meter breit wird sie sein und sich ganz langsam neigen, je nachdem, auf welcher Seite sich mehr Menschen befinden.

"Bürger in Bewegung" ist der Untertitel des Denkmals, das auf einem Entwurf des Stuttgarter Kreativbüros Milla & Partner und des Architekten Sebastian Letz beruht und an die friedlichen Proteste in Ostdeutschland erinnern soll, die zur deutschen Wiedervereinigung führten - hier in Berlin-Mitte, an einem geschichtsträchtigen Ort: Wo früher das große Kaiser-Wilhelm-Denkmal in die Spree ragte, einen Steinwurf entfernt vom Humboldt-Forum, dem früheren Standort des Palasts der Republik, in dem der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik erklärt wurde. Mitten auf der Route des größten Demonstrationszugs der friedlichen Revolution am 4. November 1989.

So soll die "Schale" einmal aussehen | Quelle: dpa/W.P. Prange

Probleme bei der Stahlbaufirma

Am 3. Oktober dieses Jahres sollte das Denkmal eröffnen. Doch bisher steht nur der Sockel. Es hakt an einem Zulieferer: Die Stahlbaufirma, die die Schalenkonstruktion zusammenbauen sollte, habe sich schlichtweg übernommen und könne den zugesagten Termin nicht einhalten, erzählt Günter Jeschonnek. Der Kulturmanager und Theaterregisseur setzt sich seit Jahren für das Denkmal ein. Er wurde 1987 aus der DDR ausgebürgert, weil er sich für Menschenrechte und das Recht auf Ausreise eingesetzt hatte. Zum ursprünglichen Initiativkreis aus Journalisten und Politikern gehört er zwar nicht, aber zusammen mit dem ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse ist Günter Jeschonnek seit mehreren Jahren einer der stärksten öffentlichen Fürsprecher des Denkmals.

"Zu wenige Schweißer, fehlende Materialien" zählt er jetzt beim Baustellenbesuch die Probleme der Stahlbaufirma auf. Erschwerend komme hinzu, dass beim Zusammenfügen aller Einzelteile der Schale aus bautechnischen Gründen die Außentemperatur höher als acht Grad sein müsse. Und je weiter sich der Liefertermin nach hinten verlagerte, desto unwahrscheinlich wurde es, diese Rahmenbedingungen einhalten zu können. Daher haben sich Milla und Partner dazu entschieden, das Denkmal erst nächstes Jahr fertigzustellen.

Einziges Denkmal, das an die Einheitsgeschichte erinnert

Aber seitdem es die Entwürfe zum Denkmal gibt, gibt es auch Kritik. Eine Passantin bleibt stehen, blickt skeptisch auf die Baustelle: "Es gibt so viele Symbole hier für die Einheit Berlins, Deutschlands, ich denke da sofort an das Brandenburger Tor“, sagt sie. "Ich finde es überflüssig. Und was überflüssig ist und Geld kostet, dafür bin ich nicht unbedingt zu haben."

Günther Jeschonnek kann das nicht verstehen. "Das hier ist ein solitäres Denkmal. Das einzige, das wirklich dezidiert an die deutsche Freiheits- und Einheitsgeschichte erinnert", sagt er. Das Brandenburger Tor tue das nicht. Natürlich gebe es da Elemente, die Mauer ging dort ja lang. "Aber dieses Freiheits- und Einheitsdenkmal steht im Zentrum Berlins, im ehemaligen Osten, wo die Demonstrationen vorbeiführten, am Palast der Republik."

Politische Grabenkämpfe um das Denkmal

Das sind beides keine neuen Argumente. Die Diskussion um das Denkmal gibt es seit Jahren. Initiiert wurde es 1998 von Günter Nooke (DDR-Bürgerrechtler, Bündnis 90, später CDU), Florian Mausbach (ehemaliger Präsident des Bundessamtes für Bauwesen und Raumordnung), dem verstorbenen Jürgen Engert (langjähriger Chefredakteur Fernsehen des SFB und Gründungsdirektor des ARD-Hauptstadtstudios) und Lothar De Maizière (erster demokratisch gewählter Ministerpräsident der DDR, CDU). 2007 beschloss der Bundestag den Bau, finanziert aus Bundesmitteln. Doch dann gab es politische Grabenkämpfe: Der Haushaltsausschuss wollte die Mittel plötzlich doch nicht mehr freigeben. Künstlerische Kraft und Sinn des Denkmals wurden in Frage gestellt - und die Idee in den Raum, ob man nicht doch die Kolonaden des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Denkmals wieder aufbauen sollte?

Fledermäuse und der Vorwurf Kirmescharakter

Dann gab es ästhetische Diskussionen: Der interaktive Teil des Denkmals habe "Kirmes-Charakter" und eine "schwache Metaphorik". Die Initiatoren hingegen verwiesen auf die ihrer Meinung nach starke Symbolik: Wie 1989 müssten sich die Menschen verständigen und zum gemeinsamen Handeln entschließen, um etwas zu bewegen. Es gab Kritik an der Vermischung der Begriffe "Freiheit und Einheit", weil die Protestierenden zwar für Freiheit, aber nicht durchgängig auch für Einheit demonstriert hätten.

Dann kamen umweltrechtliche Bedenken: Im Sockel des Denkmals lebten Fledermäuse, die nicht gestört werden sollten. Und dann meldeten sich noch Denkmalschützer zu Wort, da sich unter dem geplanten Standort das historische Gewölbe des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Denkmals sowie ein wilhelminisches Bodenmosaik befinden. Letztendlich konnten die Fledermäuse umgesiedelt und die Schädigung von Mosaik und Gewölbes umgangen werden. Die Befürworter setzten sich durch, auch, weil der Bundestag den Beschluss zum Denkmal nun mal eindeutig gefällt hatte.

Kosten sollen nicht steigen

Anders als bei anderen Kultur-Projekten wie dem Humboldt-Forum droht hier allerdings laut Günter Jeschonnek trotz der Verzögerung keine Kostenexplosion, weil Milla und Partner zu einem vertraglich zugesagten Festpreis arbeiten würden. Mehr als die vereinbarten 17,1 Millionen sollen die Steuerzahler nicht aufbringen müssen. Alle Kosten für den Bau, die darüber hinausgehen, muss das Kreativbüro selbst tragen, sagt Jeschonnek, der trotz jahrzehntelanger Debatten immer noch überzeugt vom Denkmal ist: "Es ist zwar eine alte Binse, aber: Wer sich nicht regt, bewegt nichts. Es gehört zum Gestus dieses Denkmals, dafür zu kämpfen."

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Und der Kampf geht weiter, denn eine andere Initiative will hier ein Flussbad errichten. Eine Idee, ähnlich alt wie die des Denkmals. Im Rahmen des Flussbades sollen direkt neben der Schale eine große Freitreppe und ein Aufzug gebaut werden, was wiederum den Blick auf das Denkmal einschränken würde. Außerdem fürchtet Jeschonnek durch das Bad zu viel Gedränge, Müll und Vandalismus. "Allein aus Respekt gegenüber der Erinnerung an die deutsche Freiheits- und Einheitsgeschichte, aus Respekt gegenüber dem Humboldt-Forum und dem historischen Platz hier würde ich doch sagen: Muss da wirklich dieses Bad hin?"

Ja, sagen die Initiatoren - die Mitte der Stadt stehe dem Flussbad genauso zu wie dem Denkmal. Damit werden die kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung der historischen Mitte Berlins durch einen lebenswerten Aspekt ergänzt, heißt es auf der Homepage der Initiative. Ob und wie Bad und Treppe kommen, darüber debattiert der Senat allerdings noch. Die U-Bahn spuckt derweil die nächsten Museumsinsel-Besucher aus. "Wippe" ruft eine. Korrigiert sich dann selbst. "Einheitswippe". Immerhin.

Sendung: rbbKultur, 30.09.2022, 17:45 Uhr

Beitrag von Jakob Bauer

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