Verzögerungen am Bau - Doch kein Freiheits- und Einheitsdenkmal zum Tag der deutschen Einheit

Mo 03.10.22 | 08:22 Uhr | Von Jakob Bauer
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Baustelle Freiheit und Einheitsdenkmal in Berlin.(Quelle:imago/D.Sattler)
Bild: imago/D.Sattler

Nach jahrzehntelangen Diskussionen hätte es zum Tag der deutschen Einheit in diesem Jahr endlich eröffnet werden sollen: Das Freiheits- und Einheitsdenkmal in Berlin Mitte. Doch es gibt erneut Verzögerungen. Von Jakob Bauer

Es herrscht reges Treiben auf dem Platz vor dem Humboldt-Forum. Bauarbeiter wuseln herum, klopfen Pflastersteine fest. Touristen strömen im Fünfminuten-Takt aus der U-Bahn. Eine ruft: "Da kommt die Wippe hin." Der Begriff hat sich im Volksmund längst festgesetzt. Die Initiatoren des Freiheits- und Einheitsdenkmals bevorzugen allerdings das Wort "Schale". 50 Meter lang, 18 Meter breit wird sie sein und sich ganz langsam neigen, je nachdem, auf welcher Seite sich mehr Menschen befinden.

"Bürger in Bewegung" ist der Untertitel des Denkmals, das auf einem Entwurf des Stuttgarter Kreativbüros Milla & Partner und des Architekten Sebastian Letz beruht und an die friedlichen Proteste in Ostdeutschland erinnern soll, die zur deutschen Wiedervereinigung führten - hier in Berlin-Mitte, an einem geschichtsträchtigen Ort: Wo früher das große Kaiser-Wilhelm-Denkmal in die Spree ragte, einen Steinwurf entfernt vom Humboldt-Forum, dem früheren Standort des Palasts der Republik, in dem der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik erklärt wurde. Mitten auf der Route des größten Demonstrationszugs der friedlichen Revolution am 4. November 1989.

Entwurfsmodell des Freiheits-und Einheitsdenkmal.(Quelle:dpa/W.P. Prange)
So soll die "Schale" einmal aussehenBild: dpa/W.P. Prange

Probleme bei der Stahlbaufirma

Am 3. Oktober dieses Jahres sollte das Denkmal eröffnen. Doch bisher steht nur der Sockel. Es hakt an einem Zulieferer: Die Stahlbaufirma, die die Schalenkonstruktion zusammenbauen sollte, habe sich schlichtweg übernommen und könne den zugesagten Termin nicht einhalten, erzählt Günter Jeschonnek. Der Kulturmanager und Theaterregisseur setzt sich seit Jahren für das Denkmal ein. Er wurde 1987 aus der DDR ausgebürgert, weil er sich für Menschenrechte und das Recht auf Ausreise eingesetzt hatte. Zum ursprünglichen Initiativkreis aus Journalisten und Politikern gehört er zwar nicht, aber zusammen mit dem ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse ist Günter Jeschonnek seit mehreren Jahren einer der stärksten öffentlichen Fürsprecher des Denkmals.

"Zu wenige Schweißer, fehlende Materialien" zählt er jetzt beim Baustellenbesuch die Probleme der Stahlbaufirma auf. Erschwerend komme hinzu, dass beim Zusammenfügen aller Einzelteile der Schale aus bautechnischen Gründen die Außentemperatur höher als acht Grad sein müsse. Und je weiter sich der Liefertermin nach hinten verlagerte, desto unwahrscheinlich wurde es, diese Rahmenbedingungen einhalten zu können. Daher haben sich Milla und Partner dazu entschieden, das Denkmal erst nächstes Jahr fertigzustellen.

Einziges Denkmal, das an die Einheitsgeschichte erinnert

Aber seitdem es die Entwürfe zum Denkmal gibt, gibt es auch Kritik. Eine Passantin bleibt stehen, blickt skeptisch auf die Baustelle: "Es gibt so viele Symbole hier für die Einheit Berlins, Deutschlands, ich denke da sofort an das Brandenburger Tor“, sagt sie. "Ich finde es überflüssig. Und was überflüssig ist und Geld kostet, dafür bin ich nicht unbedingt zu haben."

Günther Jeschonnek kann das nicht verstehen. "Das hier ist ein solitäres Denkmal. Das einzige, das wirklich dezidiert an die deutsche Freiheits- und Einheitsgeschichte erinnert", sagt er. Das Brandenburger Tor tue das nicht. Natürlich gebe es da Elemente, die Mauer ging dort ja lang. "Aber dieses Freiheits- und Einheitsdenkmal steht im Zentrum Berlins, im ehemaligen Osten, wo die Demonstrationen vorbeiführten, am Palast der Republik."

Politische Grabenkämpfe um das Denkmal

Das sind beides keine neuen Argumente. Die Diskussion um das Denkmal gibt es seit Jahren. Initiiert wurde es 1998 von Günter Nooke (DDR-Bürgerrechtler, Bündnis 90, später CDU), Florian Mausbach (ehemaliger Präsident des Bundessamtes für Bauwesen und Raumordnung), dem verstorbenen Jürgen Engert (langjähriger Chefredakteur Fernsehen des SFB und Gründungsdirektor des ARD-Hauptstadtstudios) und Lothar De Maizière (erster demokratisch gewählter Ministerpräsident der DDR, CDU). 2007 beschloss der Bundestag den Bau, finanziert aus Bundesmitteln. Doch dann gab es politische Grabenkämpfe: Der Haushaltsausschuss wollte die Mittel plötzlich doch nicht mehr freigeben. Künstlerische Kraft und Sinn des Denkmals wurden in Frage gestellt - und die Idee in den Raum, ob man nicht doch die Kolonaden des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Denkmals wieder aufbauen sollte?

Fledermäuse und der Vorwurf Kirmescharakter

Dann gab es ästhetische Diskussionen: Der interaktive Teil des Denkmals habe "Kirmes-Charakter" und eine "schwache Metaphorik". Die Initiatoren hingegen verwiesen auf die ihrer Meinung nach starke Symbolik: Wie 1989 müssten sich die Menschen verständigen und zum gemeinsamen Handeln entschließen, um etwas zu bewegen. Es gab Kritik an der Vermischung der Begriffe "Freiheit und Einheit", weil die Protestierenden zwar für Freiheit, aber nicht durchgängig auch für Einheit demonstriert hätten.

Dann kamen umweltrechtliche Bedenken: Im Sockel des Denkmals lebten Fledermäuse, die nicht gestört werden sollten. Und dann meldeten sich noch Denkmalschützer zu Wort, da sich unter dem geplanten Standort das historische Gewölbe des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Denkmals sowie ein wilhelminisches Bodenmosaik befinden. Letztendlich konnten die Fledermäuse umgesiedelt und die Schädigung von Mosaik und Gewölbes umgangen werden. Die Befürworter setzten sich durch, auch, weil der Bundestag den Beschluss zum Denkmal nun mal eindeutig gefällt hatte.

Kosten sollen nicht steigen

Anders als bei anderen Kultur-Projekten wie dem Humboldt-Forum droht hier allerdings laut Günter Jeschonnek trotz der Verzögerung keine Kostenexplosion, weil Milla und Partner zu einem vertraglich zugesagten Festpreis arbeiten würden. Mehr als die vereinbarten 17,1 Millionen sollen die Steuerzahler nicht aufbringen müssen. Alle Kosten für den Bau, die darüber hinausgehen, muss das Kreativbüro selbst tragen, sagt Jeschonnek, der trotz jahrzehntelanger Debatten immer noch überzeugt vom Denkmal ist: "Es ist zwar eine alte Binse, aber: Wer sich nicht regt, bewegt nichts. Es gehört zum Gestus dieses Denkmals, dafür zu kämpfen."

Flussbad kontra Denkmal

Und der Kampf geht weiter, denn eine andere Initiative will hier ein Flussbad errichten. Eine Idee, ähnlich alt wie die des Denkmals. Im Rahmen des Flussbades sollen direkt neben der Schale eine große Freitreppe und ein Aufzug gebaut werden, was wiederum den Blick auf das Denkmal einschränken würde. Außerdem fürchtet Jeschonnek durch das Bad zu viel Gedränge, Müll und Vandalismus. "Allein aus Respekt gegenüber der Erinnerung an die deutsche Freiheits- und Einheitsgeschichte, aus Respekt gegenüber dem Humboldt-Forum und dem historischen Platz hier würde ich doch sagen: Muss da wirklich dieses Bad hin?"

Ja, sagen die Initiatoren - die Mitte der Stadt stehe dem Flussbad genauso zu wie dem Denkmal. Damit werden die kulturelle und gesellschaftliche Bedeutung der historischen Mitte Berlins durch einen lebenswerten Aspekt ergänzt, heißt es auf der Homepage der Initiative. Ob und wie Bad und Treppe kommen, darüber debattiert der Senat allerdings noch. Die U-Bahn spuckt derweil die nächsten Museumsinsel-Besucher aus. "Wippe" ruft eine. Korrigiert sich dann selbst. "Einheitswippe". Immerhin.

Sendung: rbbKultur, 30.09.2022, 17:45 Uhr

Beitrag von Jakob Bauer

65 Kommentare

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  1. 65.

    Lieber Karsten, der Spruch "kommt die DM bleiben wir..." stammt aus dem CDU Think Tank in Bonn. Der Berliner Volksmund trifft es mal wieder am besten.
    "Schaukel", damit wir nie vergessen, wie wir verschaukelt wurden.

  2. 64.

    Dem ganzen Stiel nach kommentiert (lobt) sich Herr Krüger hier selbst.

  3. 63.

    Herrn Krügers Kommentar Nr. 59 kann ich nur zustimmen: So wie „viele Wege nach Rom führen“, führen auch viele Argumente zu Resultaten DEMOKRATISCHER Prozesse. Eine schlicht zwei-seitige, zugespitzt polarisierende Abbildung demokratischer Prozesse simplifiziert die Tatsache, dass die meisten demokratischen Prozesse kontrovers bis divergent verlaufen, weil sie unterschiedlichen (!) Einflussfaktoren („Mächten“) ausgesetzt sind.

    Die künstlerische Abbildung der vielen Wege, auf denen demokratische Informations-, Beratungs- Abwägungs- und Entscheidungsprozesse ablaufen, könnte auch eine denkmalwürdige Aufgabe sein. Dazu bedarf es der Darstellung mehrerer Seiten. Lediglich zwei Seiten einer Waage (pointiert)darzustellen, ist missverständlich und darüberhinaus allzu simpel, um den komplexen Realitäten der Vergangenheit und Gegenwart gerecht werden zu können.




    ist zu simpel, al

  4. 62.

    "Die bewegbare Schale ist ja aus dem Gedanken heraus entstanden, der im Herbst 1989 vorherrschend war. Zwei Seiten zugespitzt: diejenigen, die bei bloß kleinen Korrekturen das Überkommene behalten wollten und die dann auflaufende Mehrheit von Menschen, die statt Schulmeisterei eine Demokratisierung wollten. "

    Mehrheit für eine Demokratisierung? Die war schon im Herbst '89 eine verschwindend geringe Minderheit, da wollte die Mehrheit nur noch DM, DM und nochmals DM und man hat die eigenen klugen Leute, die schon ahnten was kommen wird, niedergebrüllt.

    „Kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, geh'n wir zu ihr!“

    https://www.deutschlandfunkkultur.de/deutsche-rufe-7-8-kommt-die-d-mark-bleiben-wir-100.html

  5. 61.

    "Dann haben Sie aber garantiert nicht in der DDR gelebt. " Sie aber? Das merkt man alleine schon daran wie Sie hier alles beklatschen, statt eine eigene Meinung zu haben und die auch zu vertreten.

  6. 60.

    Schlimmer noch, es waren Zivilisten die gespitzelt haben und die sollten ja als solche Spitze auch nicht l erkennbar sein. Erstaunlich auch, daß die, die heute von "Freundschaft" mit Russland sabbeln vergessen haben, daß eben die damalige SU die DDR ausgenommen hat, wie die berühmte Weihnachtsgans.

  7. 59.

    Die bewegbare Schale ist ja aus dem Gedanken heraus entstanden, der im Herbst 1989 vorherrschend war. Zwei Seiten zugespitzt: diejenigen, die bei bloß kleinen Korrekturen das Überkommene behalten wollten und die dann auflaufende Mehrheit von Menschen, die statt Schulmeisterei eine Demokratisierung wollten.

    Für 1989 stimmt das Denkmal. Je weiter 1989 entfernt ist, umso mehr verliert es. Dies deshalb, weil Demokratie in verschiedene Richtungen ausgerichtet ist und mitnichten bloß auf einen Mehrheits-Minderheitsmechanismus reduziert werden kann.

    Demokratie ist zuallerletzt die Herrschaft der rechnerischen Mehrheit. Grundlegend ist eine vorherige offene Debatte mit hoffentlich möglichst vielen Beteiligten, an deren Ende dann das Walten des Mehrheitsprinzips steht. Das aber drückt das Denkmal (leider) nicht aus.

  8. 57.

    "künftig ein Besucher-Magnet"?
    Ich würde vermuten, dass es künftig eher ein neuer MÜLLPLATZ in Berlins Mitte wird wie bei anderen Plätzen.
    LEIDER

  9. 52.

    Weder diese "EINHEITSWIPPE" (als DENKMAL würde ich das überhaupt nicht bezeichnen) und schon gar nicht dieses komische "FLUSSBAD" passen an diesen historischen Ort.
    Das viele Geld dafür hätte man effektiver einsetzen können.

  10. 51.

    Das viele Geld für dieses "EINHEITSDENKMAL" hätte man viel besser in Projekte investieren sollen, die die Not vieler Menschen in Deutschland ein wenig hätte lindern können.
    Außerdem stört dieses hässliche Ding den Blick auf das schöne Humboldtforum und wird irgendwann als Müllkippe enden wie viele schöne Plätze in Berlin.

  11. 50.

    Björn:
    "Antwort auf [Trine] vom 03.10.2022 um 14:32
    "in einer Diktatur zu leben, die die Menschen bespitzelt" Diktatur ist immer blöd, aber was halten sie von einem Staat in dem auch die Kanzlerin von den neuen (aus Ostsicht) großen Freunden/Beschützern bespitzelt wird - auch hier ist nicht alles Gold, was glänzt, und es bleibt noch jede Menge Arbeit für das vereinte Deutschland."

    Keiner bezweifelt, dass es auch hier Probleme gibt, aber diese Probleme sind fast nichts gegen die Probleme, die man in einer Diktatur hat!

  12. 49.

    Thomas:
    "Antwort auf [Trine] vom 03.10.2022 um 14:32
    (...)
    Auch damals wollten manche Menschen einfach nur an die Idee glauben und haben dem Staat vertraut so wie Sie das wohl heute auch tun."

    Nein, damals beruhte das auf Unwissen und Indoktrination mangels freier Informationen aus aller Welt!
    Letztendlich war die Idee: Eine kleine Minderheit bevormundet eine Mehrheit und zwingt ihr ihre Ideen auf! Das ist der große Unterschied zwischen (DDR-)Diktatur und (heutiger) Demokratie!
    Thomas:
    "Wieso glauben Sie, dass Sie nicht heute so ein "Schlafschaf" ..."

    Was ist ein "Schlafschaf"?

    Thomas:
    "... sind wie damals jene Bürger, die nicht immer nur aufbegehren wollten, sondern die Rahmenbedingungen nahmen wie sie waren, dafür aber eine Wohnung, einen Schulplatz, einen Kitaplatz, einen Arbeitsplatz sicher hatten"

    ... und einen Knastplatz sowie große Probleme mit Ausbildung/Studium/Arbeit, wenn sie öffentlich die Diktatur als Diktatur kritisierten!

  13. 48.

    Thomas:
    "Antwort auf [Trine] vom 03.10.2022 um 14:32
    Was Sie hier übersehen: nicht jeder in einer Diktatur wurde fortwährend bespitzelt."

    Aber jeder wußte, dass er sofort bespitzelt wird, wenn erlaut grundsätzliche Kritik an der Diktatur äußert oder auch nur die Diktatur beim Namen nennt!

    Thomas:
    "Es standen ja auch nicht wie immer gern dargestellt an jeder Ecke Soldaten mit Maschinengewehr."

    Aber sie standen dafür bereit!

    Thomas:
    "Sie mögen staunen, aber auch heute wollen nicht alle Menschen immer Urlaub ganz weit weg machen, obwohl sie es dürften."

    Es geht aber nicht um das Urlaub-Im-Ausland-Machen, sondern um das Urlaub-Im-Ausland-Machen-DÜRFEN, darum selber zu entscheiden, wo man Urlaub macht und dabei nicht von einer Diktatur bevormundet zu werden!

  14. 47.

    "...Denkmäler die einen sehr hohen intellektuellen Anspruch haben..."
    Wo ist denn hier ein hoher intellektueller Anspruch, bitte sehr?
    Billige Symbolik, bei der immer wieder lang und breit erklärt werden muss, was diese Kunst uns denn nun sagen soll...

  15. 46.

    Wäre es nicht den allermeisten völlig egal, ob dieses Denkmal dort stünde oder nicht? Kommt es, dann kommt es - bleibt es weg, dann bleibt es eben weg: Wenn kümmert es noch?

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