rbb24
  1. rbb|24
  2. Politik
Video: rbb24 Abendschau | 07.10.2022 | Leonie Schwarzer | Quelle: dpa/Karo Kraemer

Studium in Berlin

Unis lehnen tausende Lehramtsbewerber ab

Am 17. Oktober starten an Berlins Universitäten die Vorlesungen, auch für Lehramtsstudenten. Die Schulen brauchen den Nachwuchs dringend. Bisher bringen die Unis allerdings nicht genügend Lehramtsabsolventen hervor. Von Kirsten Buchmann

Abitur, dann Lehramtsstudium, so hatte es sich die 18-jährige Berfin vorgestellt. Ihr Vorbild ist ihre Schwester, die gerade ihr Referendariat absolviert: "Ich habe immer zugeguckt, wie sie ihren Unterricht vorbereitet, wie sie das hinbekommt." Im Juli hatte sich Berfin an der Humboldt- und der Freien Universität für ein Lehramtsstudium in Biologie und Philosophie/Ethik beworben. Versucht hatte sie es an der Freien Universität außerdem für die Kombination Deutsch/ Sonderpädagogik und Naturwissenschaften an Grundschulen. Einen Platz bekam sie allerdings nicht. Damit erging es ihr wie vielen.

In diesem Wintersemester bieten die Berliner Universitäten einschließlich Technischer Universität und Universität der Künste (UdK) zwar insgesamt rund 3.400 Lehramtsstudienplätze für Studienanfänger. Laut ihren vorläufigen Zahlen lehnten sie aber rund 2.700 Bewerbungen für ein Lehramtsstudium ab.

Schuljahr 2022/2023

Mehr als 200 Berliner Referendare erhalten kein Verbeamtungsangebot

Keine Plätze im Lehramts-Wunschfach

Zugleich blieben in weniger nachgefragten Fächern wie Chemie an der Freien Universität Plätze frei. Die Universität der Künste hätte nach Auskunft einer Sprecherin in diesem Jahr gerne deutlich mehr Lehramtsstudierende zugelassen. "Dies war aufgrund der rückläufigen Bewerberlage, die in diesem Jahr an allen Berliner Universitäten zu spüren war, jedoch leider nicht möglich."

Demnach ist die Zahl an Bewerberinnen und Bewerbern für das Lehramtsstudium Bildende Kunst an Grund- und Oberschulen im Vergleich zu den Vorjahren um mehr als 20 Prozent zurückgegangen. Für das Lehramt Musik an Grundschulen sowie Theater/ Darstellendes Spiel an Oberschulen liege der Rückgang sogar bei jeweils 40 Prozent. Die UdK lasse alle zu, die "die für das Fach erforderliche künstlerische Eignung nachweisen können". Diese künstlerischen Eingangsprüfungen sind unter den Berliner Universitäten ein Sonderfall.

Lehrer-Ausbildung in Berlin: Vorgaben und tatsächliche Absolventen | Quelle: rbb24/Senatsverwaltung für Wissenschaft

Die Technischen Universität nimmt alle ihre Lehramtsbewerberinnen und -bewerber auf. "Die Nachfrage ist nicht so hoch, wie man das bräuchte", sagt deren Sprecherin mit Blick auf die Studienplatzbewerberlage. An der Humboldt-Universität wollen besonders viele Englisch, Sonderpädagogik und Geschichte auf Lehramt studieren. Am schwächsten nachgefragt sind dagegen Lehramt Spanisch, Biologie und Islamische Religionslehre.

Anders war die Situation allerdings in Berfins Lehramts-Wunschfächern, was sie verständlicherweise bedauert: "Alle, die sich dafür interessieren, sollten eine Chance bekommen, da rein zu kommen. Deswegen finde ich, dass man die Studienplätze auf jeden Fall erweitern sollte."

Mangel an Lehramtsabsolventen

Das sehen auch andere Studienanfänger so. Schließlich werden längst nicht so viele Lehrer ausgebildet, wie sie jedes Jahr an den Schulen gebraucht werden. Bei einem Lehrerbedarf von 2.600 Neueinstellungen konnten rund 900 Stellen zu diesem Schuljahr nicht besetzt werden.

Die Zahl der Lehramtsabsolventen lag im vergangenen Jahr bei rund 900 und damit etwa halb so hoch wie das zwischen Land und Hochschulen vereinbarte Ziel. Denn mit den Hochschulverträgen 2018 bis 2022 sind die Universitäten aufgefordert sicherzustellen, "dass sich die jährlichen Abschlusszahlen in den Studiengängen für den Master of Education kontinuierlich bis auf 2.000 erhöhen."

Die Freie Universität betont, sie lasse bereits jetzt mehr Bewerber zu und überbuche für stark nachgefragte Fächer teilweise ihre Plätze deutlich, um die angestrebte Absolventenzahl zu erreichen. Ihre stufenweise erhöhten Platzzahlen schlagen sich laut dem FU-Präsidenten Günter M. Ziegler in vollem Umfang allerdings erst "nach einigen Studienzyklen" nieder. "Überdies führt das Überschreiten der Regelstudienzeit zusätzlich zu verzögerten Abschlüssen."

Berlin streicht Zuschuss

Nachwuchs-Lehrkräfte stellen ihre Zukunft in Berlin infrage

Weil Berlin wieder verbeamtet, fällt ab 2023 die Zulage für Berufseinsteiger weg. 1.600 Euro wurden bislang gezahlt, um mehr Lehrer anzulocken. Am Samstag wollen viele Betroffene vor dem Roten Rathaus demonstrieren. Denn sie fühlen sich hintergangen. Von Helena Daehler

Mehr Geld im Landeshaushalt

Um die Zahl der Lehramtsabsolventen zu steigern, sind im Landeshaushalt für das kommende Jahr statt bisher 6,5 Millionen künftig 17 Millionen Euro zusätzlich für die Unis vorgesehen. Franziska Brychcy von der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus will aber auch den Druck auf sie erhöhen: "Es ist jetzt geplant, mit den neuen Hochschulverträgen Sanktionsmechanismen zu etablieren. Denn wir wollen, dass die 17 Millionen Euro zusätzlich auch tatsächlich für die Lehrkräfteausbildung ausgeben werden." Wie die Sanktionen genau aussehen könnten, sagt sie nicht.

Katharina Günther-Wünsch von der oppositionellen CDU-Fraktion hält dagegen nichts davon, als Sanktion womöglich die Mittel zu kürzen, im Gegenteil: "Wir müssen schauen, wie wir das Lehramtsstudium attraktiver machen. Und wir müssen schauen, wie wir die Unis in die Lage versetzen, auch ausreichend Lehramtsstudenten auszubilden." Da brauche es einfach mehr Personal. "Das bedeutet auch mehr Geld für die Universitäten."

Die abgelehnte Lehramtsbewerberin Berfin steht nun doch noch an ihrem Studienanfang: Deutsche Philologie - ohne Lehramt. Mit der Perspektive, statt Kindern und Jugendlichen später Erwachsenen Deutsch beizubringen.

Update

FU-Präsident Ziegler sieht seine Uni gut aufgestellt

Der Präsident der Freien Universität Berlin (FU), Günther Ziegler, sieht seine Hochschule bei der Ausbildung im Lehramtsstudium im Soll. Dass es trotz des Lehrermangels an den Berliner Schulen weiter zu wenig Absolventen im Lehramtsstudium gibt, sei unter anderem der Tatsache geschuldet, dass die Studierenden Zeit für ihre Ausbildung bräuchten. Man habe inzwischen mehr Studienplätze geschaffen, so Ziegler am Freitag in der rbb24 Abendschau. Diese würden nun teilweise sogar überbucht. Es brauche aber Zeit, bis die Studierenden ihr Studium abschließen.

Das Studium müsse zudem attraktiver gemacht werden, so der FU-Präsident. Es gebe viele Fächer, in denen Bewerberinnen und Bewerber gebraucht würden. Während es aber zu viele Bewerbungen im Bereich Grundschullehramt Sonderpädagogik gebe, würden eher Chemie-Lehrer gebraucht.

Laut Ziegler ist das Lehramtsstudium für die FU absolut zentral. Es gebe dort 7.000 Studierende auf Lehramt, das seien über 20 Prozent der Studierenden an der FU. Man sei sich bewusst, dass der wichtigste Transfer der Hochschule in die Gesellschaft sei, Lehrkräfte auszubilden. Diese Aufgabe sei keine Alternative zu den großen Forschungsprojekten, denn beides werde mit großem Engagement betrieben, so Ziegler.

Sendung: rbb24 Abendschau, 07.10.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Kirsten Buchmann

Artikel im mobilen Angebot lesen