Studium in Berlin - Unis lehnen tausende Lehramtsbewerber ab

Am 17. Oktober starten an Berlins Universitäten die Vorlesungen, auch für Lehramtsstudenten. Die Schulen brauchen den Nachwuchs dringend. Bisher bringen die Unis allerdings nicht genügend Lehramtsabsolventen hervor. Von Kirsten Buchmann
Abitur, dann Lehramtsstudium, so hatte es sich die 18-jährige Berfin vorgestellt. Ihr Vorbild ist ihre Schwester, die gerade ihr Referendariat absolviert: "Ich habe immer zugeguckt, wie sie ihren Unterricht vorbereitet, wie sie das hinbekommt." Im Juli hatte sich Berfin an der Humboldt- und der Freien Universität für ein Lehramtsstudium in Biologie und Philosophie/Ethik beworben. Versucht hatte sie es an der Freien Universität außerdem für die Kombination Deutsch/ Sonderpädagogik und Naturwissenschaften an Grundschulen. Einen Platz bekam sie allerdings nicht. Damit erging es ihr wie vielen.
In diesem Wintersemester bieten die Berliner Universitäten einschließlich Technischer Universität und Universität der Künste (UdK) zwar insgesamt rund 3.400 Lehramtsstudienplätze für Studienanfänger. Laut ihren vorläufigen Zahlen lehnten sie aber rund 2.700 Bewerbungen für ein Lehramtsstudium ab.
Keine Plätze im Lehramts-Wunschfach
Zugleich blieben in weniger nachgefragten Fächern wie Chemie an der Freien Universität Plätze frei. Die Universität der Künste hätte nach Auskunft einer Sprecherin in diesem Jahr gerne deutlich mehr Lehramtsstudierende zugelassen. "Dies war aufgrund der rückläufigen Bewerberlage, die in diesem Jahr an allen Berliner Universitäten zu spüren war, jedoch leider nicht möglich."
Demnach ist die Zahl an Bewerberinnen und Bewerbern für das Lehramtsstudium Bildende Kunst an Grund- und Oberschulen im Vergleich zu den Vorjahren um mehr als 20 Prozent zurückgegangen. Für das Lehramt Musik an Grundschulen sowie Theater/ Darstellendes Spiel an Oberschulen liege der Rückgang sogar bei jeweils 40 Prozent. Die UdK lasse alle zu, die "die für das Fach erforderliche künstlerische Eignung nachweisen können". Diese künstlerischen Eingangsprüfungen sind unter den Berliner Universitäten ein Sonderfall.

Die Technischen Universität nimmt alle ihre Lehramtsbewerberinnen und -bewerber auf. "Die Nachfrage ist nicht so hoch, wie man das bräuchte", sagt deren Sprecherin mit Blick auf die Studienplatzbewerberlage. An der Humboldt-Universität wollen besonders viele Englisch, Sonderpädagogik und Geschichte auf Lehramt studieren. Am schwächsten nachgefragt sind dagegen Lehramt Spanisch, Biologie und Islamische Religionslehre.
Anders war die Situation allerdings in Berfins Lehramts-Wunschfächern, was sie verständlicherweise bedauert: "Alle, die sich dafür interessieren, sollten eine Chance bekommen, da rein zu kommen. Deswegen finde ich, dass man die Studienplätze auf jeden Fall erweitern sollte."
Mangel an Lehramtsabsolventen
Das sehen auch andere Studienanfänger so. Schließlich werden längst nicht so viele Lehrer ausgebildet, wie sie jedes Jahr an den Schulen gebraucht werden. Bei einem Lehrerbedarf von 2.600 Neueinstellungen konnten rund 900 Stellen zu diesem Schuljahr nicht besetzt werden.
Die Zahl der Lehramtsabsolventen lag im vergangenen Jahr bei rund 900 und damit etwa halb so hoch wie das zwischen Land und Hochschulen vereinbarte Ziel. Denn mit den Hochschulverträgen 2018 bis 2022 sind die Universitäten aufgefordert sicherzustellen, "dass sich die jährlichen Abschlusszahlen in den Studiengängen für den Master of Education kontinuierlich bis auf 2.000 erhöhen."
Die Freie Universität betont, sie lasse bereits jetzt mehr Bewerber zu und überbuche für stark nachgefragte Fächer teilweise ihre Plätze deutlich, um die angestrebte Absolventenzahl zu erreichen. Ihre stufenweise erhöhten Platzzahlen schlagen sich laut dem FU-Präsidenten Günter M. Ziegler in vollem Umfang allerdings erst "nach einigen Studienzyklen" nieder. "Überdies führt das Überschreiten der Regelstudienzeit zusätzlich zu verzögerten Abschlüssen."
Mehr Geld im Landeshaushalt
Um die Zahl der Lehramtsabsolventen zu steigern, sind im Landeshaushalt für das kommende Jahr statt bisher 6,5 Millionen künftig 17 Millionen Euro zusätzlich für die Unis vorgesehen. Franziska Brychcy von der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus will aber auch den Druck auf sie erhöhen: "Es ist jetzt geplant, mit den neuen Hochschulverträgen Sanktionsmechanismen zu etablieren. Denn wir wollen, dass die 17 Millionen Euro zusätzlich auch tatsächlich für die Lehrkräfteausbildung ausgeben werden." Wie die Sanktionen genau aussehen könnten, sagt sie nicht.
Katharina Günther-Wünsch von der oppositionellen CDU-Fraktion hält dagegen nichts davon, als Sanktion womöglich die Mittel zu kürzen, im Gegenteil: "Wir müssen schauen, wie wir das Lehramtsstudium attraktiver machen. Und wir müssen schauen, wie wir die Unis in die Lage versetzen, auch ausreichend Lehramtsstudenten auszubilden." Da brauche es einfach mehr Personal. "Das bedeutet auch mehr Geld für die Universitäten."
Die abgelehnte Lehramtsbewerberin Berfin steht nun doch noch an ihrem Studienanfang: Deutsche Philologie - ohne Lehramt. Mit der Perspektive, statt Kindern und Jugendlichen später Erwachsenen Deutsch beizubringen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 07.10.2022, 19:30 Uhr