Berlin streicht Zuschuss - Nachwuchs-Lehrkräfte stellen ihre Zukunft in Berlin infrage

Sa 24.09.22 | 09:22 Uhr | Von Helena Daehler
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Symbolbild: Eine Lehrerin schreibt an der Tafel im Klassenzimmer (Quelle: IMAGO/YAY Images)
Video: rbb24 Abendschau | 23.09.2022 | Bild: IMAGO/YAY Images

Weil Berlin wieder verbeamtet, fällt ab 2023 die Zulage für Berufseinsteiger weg. 1.600 Euro wurden bislang gezahlt, um mehr Lehrer anzulocken. Am Samstag wollen viele Betroffene vor dem Roten Rathaus demonstrieren. Denn sie fühlen sich hintergangen. Von Helena Daehler

Anke kommt nach der letzten Stunde in ihrer Grundschule zu einem Café in einem Berliner Park. Sie trägt einen schwarzen Wintermantel, den sie auszieht, bevor sie sich in die Sonne setzt und spricht. Anke ist nicht ihr richtiger Name. Die Angst davor, bei ihrem Arbeitgeber negativ aufzufallen, ist zu groß. "Ich hab einen Job den ich so sehr liebe, dass ich da nicht weg will", betont sie. "Ich gehe jeden Tag mit ganz viel Freude zur Arbeit, und ich möchte hier bleiben - aber es wird mir halt einfach schwer gemacht. Für mich ist es nicht möglich, unter diesen Konditionen hier zu bleiben."

Mit "diesen Konditionen" meint Anke ihr Gehalt. Es ist einer von vielen Gründen, warum sie überhaupt nach Berlin gekommen ist, um Lehrerin zu sein.

"Das wären 700 Euro weniger als versprochen"

Studiert hat sie fünf Jahre bis zum Master, in einem anderen Land. Dort machte, an ihrer Universität, Berlin Werbung: für den Lehrerinnen-Job in der deutschen Hauptstadt. "Das war ein Schreiben von Berlin mit den Vorteilen, die der Job mitbringen würde, und dem Gehalt, das man bekommen würde, wenn man in Berlin anfängt", erzählt sie. 3.400 Euro netto als Einstiegsgehalt. Das ist das Doppelte von dem, was sie in ihrer Heimatstadt bekommen hätte.

In Berlin muss Anke noch durch ein zwölfmonatiges Referendariat, obwohl sie vollständig ausgebildet ist, doch das nimmt sie hin. Im Januar 2023 wäre sie nun damit fertig - doch beim Geld sieht die Lage anders aus als erwartet. "Ich wäre dann mit meiner Erfahrungsstufe in Stufe 2, bei 2.700 Euro netto. Also 700 Euro weniger auf dem Konto als versprochen", rechnet sie vor.

"Die tun alles Mögliche, um den Job unattraktiver zu machen"

Das mache sie wütend, sagt Anke, denn ihr gehe es auch um Wertschätzung: "Ich habe fünf Jahre dafür studiert, ich habe einen Masterabschluss und fühle mich gleich qualifiziert wie meine Kolleg:innen. Und die bekommen einfach 700 Euro mehr. Einfach so."

Weil Berlin künftig Lehrkräfte wieder verbeamtet, fällt ab Januar eine bisher gewährte Zulage von 1.600 Euro für neu angestellte Lehrkräfte weg. Martin Klesmann, Sprecher von Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse, begründet die Streichung der Zulage mit dem Systemwechsel Berlins zurück zur Verbeamtung von Lehrkräften. Die Tarifgemeinschaft der Länder habe das höhere Einstiegsgehalt von rund 5.800 Euro für neuangestellte Lehrerinnen und Lehrer nur gewährt, weil Berlin bislang als einziges Bundesland eben nicht verbeamtet hatte. Seit 2009 habe die Hauptstadt die Zulage ausnahmsweise zahlen dürfen, um die Wettbewerbsnachteile gegenüber den anderen Ländern zu kompensieren.

Allerdings: Wer nicht verbeamtet wird, beispielweise aus Gesundheits- oder Altersgründen, oder einfach weiter angestellt arbeiten möchte, guckt in die Röhre.

Anke ist enttäuscht und kann die Entscheidung mit Blick auf die Gesamtsituation der Berliner Schulen nicht nachvollziehen: "Die brauchen jeden einzelnen, der hier als Lehrer arbeiten möchte, und trotzdem tun die alles Mögliche, um den Job noch unattraktiver zu machen." Verbeamtet werden will sie aus mehreren Gründen nicht, unter anderem, weil sie auch damit weniger Geld kriege, als ihr damals versprochen wurde, so ihre Rechnung.

Manche zieht es in andere Bundesländer

Auch andere Referendarinnen und Referendare hätten ihr in persönlichen Gesprächen gesagt, dass sie es sich jetzt nochmal überlegen würden, ob sie tatsächlich in Berlin bleiben, berichtet Anke. Auch sie selbst weiß das noch nicht. Manche Kolleg:innen, sagt sie, hätten schon gekündigt. Ihr Ziel: andere Bundesländer, in denen die Konditionen besser seien - und Versprechen eingehalten würden.

Sendung: rbb24 Abendschau, 23. September 2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Helena Daehler

74 Kommentare

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  1. 74.

    Ich habe über die Ferien rund 800 Euro für meine Klasse ausgegeben.
    Bei der Wandfarbe etc. für den Klassenraum angefangen, über Teppich und Spielzeug für die Leseecke, Pflanzen,
    Deko, unterstützende Lernmaterialien & Lernspiele, Lies-mal-Hefte, wöchtl. Belohnungen für die SuS, Seife, Putzmittel, Tücher, Kunstmaterialien und zum Schluss noch eine Reserve an Schulzeug, da etliche Eltern es trotz Materialliste nicht hinbekommen, ihren Kindern rechtzeitig die Sachen zum Schuljahresanfang zu besorgen.
    Da sind die Kosten für meine Unterrichtsmaterialien noch nicht eingerechnet.

    Das unterlasse ich in Zukunft, denn das Land Berlin verlässt darauf.
    Warum eine Schule sanieren, wenn die Lehrer so doof sind und selber streichen?
    Im Übrigen steht mir nach zwei Ausbildungen und zwei abgeschlossenen Hochschulstudien überall mind. E 13 zu.
    Denn ein Studium kostet Geld.


  2. 73.

    Man merkt dass Sie keinerlei Erfahrung mit der Tätigkeit als Lehrer haben.
    "ndH" ist keine Herabsetzung (ich habe die Bezeichnung nicht erfunden), vielmehr eine Bestandsaufnahme.
    Mal abgesehen davon, dass deren Eltern oftmals weitaus engagierter sind, als manch andere.
    Unsere Klassen sind heterogener denn je!
    Oft stehen im Wochentakt neue SuS vor der Tür, die nie eine Willkommensklasse besucht haben.
    Andere Kinder, die früher möglicherweise an einem Förderzentrum besser
    unterstützt werden konnten, werden jetzt in Regelklassen gestopft und mitgeschleift.
    "Das Märchen von der Inklusion."
    Hinzu kommt das Problem, der immer mehr werdenden SuS, mit ernsthaften psychischen Problemen,
    die auch wenn sie nichts dafür können, den Unterricht quasi torpedieren. Man müsste mind. zu zweit sein, um
    allen halbwegs gerecht werden zu können.
    Die noch "normalen" oder sogar überdurchschnittlich entwickelten SuS fallen hinten runter.


  3. 72.

    Dass Sie hier massiv Gegenwind erfahren, verwundert mich gar nicht. Der Berliner wird nicht gern mit der harten Realität konfrontiert. Fakt ist aber leider, dass Berlin es seit Jahrzehnten jungen Lehrkräften nicht gerade schmackhaft macht, den Beruf ausgerechnet hier zu ergreifen. Die Verbeamtung war doch auch kein Geschenk, es ist der Versuch, Pensionsansprüche in die ferne Zukunft zu verschieben und jetzt Lohnnebenkosten zu sparen. Vollmundig und großspurig angekündigt, wie es in Berlin Tradition hat, bei genauerem Blick aber keine wirkliche Verbesserung und definitiv kein Grund, extra nach Berlin zu kommen. Zum Glück werden Lehrer überall gesucht und wer flexibel ist, findet auch bessere Bedingungen und unter Umständen auch Dienstherren, die wirklich hinter einem stehen und nicht erst mal ihren Bediensteten alles Schlechte unterstellen.

  4. 70.

    Tja, wenn man sich die Mühe macht über systemrelevante Berufe mehr zu erfahren, dann wird man belehrt, dass wenigsten in der Pandemie die Pflegeberufe für systemrelewant erklärt wurden, wobei die Lehrer bis dato nicht als systemrelevant angesehen werden.
    Ganz früher waren Lehrer zwar nicht gut bezahlt, aber hoch angesehen, auch als Garant der Bildung für die junge Generation, aber heute sind sie eher zum "Spielball" der Politik und zu den "Unbequemen" der Nation degradiert worden.

  5. 68.

    Frust? Dann sollten Sie den Beruf oder die Stadt wechseln. Hier geht es nicht um Neid. Sondern um das Einstiegsgehalt. Und wenn Ihnen Ihre Kunden, besonders die „ndH“ nicht passen, weil die Arbeit machen, haben Sie leider ohnehin die falsche Einstellung. Solche Lehrer wie Sie sind eher ein Problem als eine Lösung. Ich hoffe mal, Sie finden einen anderen Arbeitsplatz.

  6. 67.

    Dann sind Sie nicht richtig im Bilde.
    Sogenannte Quereinsteiger sind keine Wurstverkäufer, die plötzlich Kinder unterrichten!
    Es sind Menschen, die bereits mindestens ein abgeschlossenes Hochschulstudium haben, welches
    zum angestrebten Quereinstieg passen MUSS.
    Die berufsbegleitende Ausbildung dauert bei den meisten ca. 4 bis 4,5 Jahre und beinhaltet ein ZUSÄTZLICHES
    berufsbegleitendes Studium. Das Referendariat im Anschluss ist exakt dasselbe wie bei den Lehrämtlern und
    wird mit dem Zweiten Staatsexamen abgeschlossen.
    Meist sind Quereinsteiger sogar, ob ihrer sonstigen Qualifizierung und Berufserfahrung umfänglicher ausgebildet und erfahrener, als Lehrämtler Mitte 20, die nie unter REALEN Bedingungen ALLEINE vor einer Klasse gestanden haben. Viele haben selber Kinder im Schulalter.

  7. 66.

    Es geht in erster Linie um die nicht mehr hinnehmbaren Arbeitsbedingungen!
    Und ich habe in meinem Leben schon in anderen Berufen gearbeitet.
    Merkwürdig, dass sich mein Zahnarzt, mein Apotheker, mein Anwalt oder mein Orthopäde
    nie Neiddiskussionen ums Geld etc. anhören müssen.
    Aber Sie können gerne mal zwei Wochen meinen Job machen.
    Grundschule im Problemkiez.
    Arbeitszeit 7:20 Uhr - 21 Uhr
    25 SuS auf engstem Raum. 2. Klasse.
    Davon 19 ndH und vier (neu) können gar kein Deutsch.
    Vertretungsstunden bis zum Anschlag, weil unterbesetzt.
    Zwei stark auffällige Kinder, die so massiv den Unterricht stören,
    dass alle anderen zu kurz kommen. Eines davon überaltert sowie gewaltbereit und respektlos gegen jeden.
    Nicht auf Toilette gehen können, nicht trinken können. Keine Pause bis 15 Uhr.
    Vorbereiten, Korrigieren, Aufsichten, Sitzungen, tägl. Elterntelefonate, Elterngespräche, Elternbriefe, Anträge und Förderpläne schreiben, Berichte an Psychiater, SIBUZ usw.


  8. 65.

    Ich habe das selbst hinter mir. Trotz zweier Ausbildungen und einem abgeschlossenen Hochschulstudium, noch zusätzlich 4 Jahre berufsbegleitende Ausbildung inkl. Studium. Berufserfahrung habe ich zu Genüge und immer sehr viel im Leben gearbeitet, darunter auch zwei Jahre Selbständigkeit.
    Menschen, die dann diesen Weg über den berufsbegleitenden Quereinstieg gewählt haben, gehen nicht nur einen steinigen Weg voller Unsicherheiten (bei Nichtbestehen der Matheklausur -> nach zwei Wochen arbeitslos!), sondern werden vorzugsweise an Brennpunktschulen und in sozial schwachen Bezirken mit maroden, überfüllten Schulen eingesetzt.
    Die Arbeitsbedingungen in Berlin, zumindest an Grundschulen sind miserabel!!
    Ich arbeite von Mo-So durchgängig. Ich habe keinen Feierabend und kein WE mehr.

    Aber es gibt ja noch andere Bundesländer und Länder.
    Tschüss Berlin!

  9. 64.

    Hahahah dann eben nicht.Reisende sollte man nicht aufhalten.Lehrer hat doch was mit Berufung zu tun.10 Wochen Urlaub im Jahr.Die.meisten werden doch nur Lehrer weil sie Ihr Studium nicht schaffen und dann auf Lehramt umswitchen weil sonst 15 Jahre Studium hinüber wäre und sie richtig arbeiten müssten.Werzschatzung ist doch das Lächeln der Kinder:)

  10. 63.

    Sie kennen den Arbeitsmarkt nicht. Gleiches Geld für gleiche Arbeit ist ein Märchen der Gewerkschaften. Das gab es noch nirgends, trotz Tarifverträge. Kann da als ehemaliger Betriebsrat Geschichten erzählen! Übrigens haben die Erfahrungsstufen, insbesondere wenn das „klettern“ Jahrzehnte dauert, rein gar nichts mit „Gleichem Geld für gleiche Arbeit zu tun! Oft ist es so, das die Jungen nach 3 Jahren mehr können nun leisten als die, die schon ewig dabei sind. In der Wirtschaft gibt es daher meist kein Erfahrungsstufen sondern Gehaltsbänder. Wenn Erfahrungsstufen, dann maximal drei.

  11. 62.

    Ich finde es enttäuschend, wie sehr manche Lehrkräfte ausschließlich auf das Geld fixiert sind. Grundsätzlich verdient man im öffentlichen Dienst weniger. Ob nun Jurist oder Mediziner. In der freien Wirtschaft bekomme man immer mehr. Wenn Lehrkräfte der Meinung sind, sie arbeiten nur wegen des Geldes und könnten wo anders mehr verdienen, dann sollten sie gehen. Berlin will künftig wieder selbst ausbilden. Diese Durststrecke wird Berlin nun auch überstehen, zumal auch verbeamtet wird. Also. Geldorientierte sollen gehen, sie sind eh keine guten Vorbilder für die ihnen anvertrauten Schüler.

  12. 61.

    Und es ist wieder so typisch.

    Hier kommentieren Leute die weder Ahnung vom Lehrer*Innenberuf, noch von dessen Ausbildung, noch von Zusagen und willkürlichen Änderungen haben. Aber zu allem seinen Senf dazugeben. Aber auch das gehört zu unserem Beruf, es glaubt ja eh jeder er wisse alles besser, als die, die unterrichten.

    Man stellt sich wie immer die Frage, warum man bei angeblichen "Traumgehältern" und dem tollen verbeamten immer noch Lehrer*Innenmangel hat. Wo sind dann dann die, die uns so sehr beneiden?

  13. 60.

    Und ich stelle die Zukunft unserer Kinder in Frage, wenn die weiterhin von nur halb ausgebildeten Quereinsteiger unterrichtet.
    Wie kann man da von gleichem Lohn für gleiche Arbeit sprechen?
    Dann wären ja alle jahrelange Ausbildung der Lehrer und Lehrerinnen unnötig gewesen.

  14. 59.

    Nicht wenn man dir zum Ausbildungsbeginn 700 bzw 1600 Euro mehr versprochen hat.
    Ich habe extra meine alten Job gekündigt (wo ich mehr verdient habe), weil man mir gesagt hat , dass man in Berlin nach dem Referendariat trotz Quereinsteiger 1600 Bonus bekommt und ich somit wieder bei meinem alten Lohnniveau wäre.
    Nun wird dir kurz vor Ende des Referendariats gesagt: nee... Das bekommst du nicht mehr. Verbeamtet wirst du auch nicht.
    Ich weiß das 2700 netto bereits viel Geld ist. Es geht aber darum wie man von woanders abgeworben wird und dann "verarscht" wird.

  15. 58.

    Ich habe vollstes Verständnis für jeden Lehrer, der diese Stadt verlässt, selbst wenn das Geld stimmt !

  16. 57.

    Ich bin Berlinerin, lebe seit 56 Jahren in dieser Stadt und frage mich die letzten Jahre immer wieder "warum eigentlich noch"?

    Berlin bekommt nicht's gebacken und stößt hier wieder einmal fleißige Leute vor den Kopf!

    Wir haben einen eklatanten Lehrermangel!!!!

    Aufwachen beim Senat, aber SCHNELLER!!!

  17. 56.

    Der, für den 2700€ Netto als Einstiegsgehalt zu wenig sind, sollte mal einen Realitätscheck machen. Das ist verdammt viel Geld.

  18. 55.

    Bitte tun Sie das. Wenn der Job so einfach ist, dass ihn jede*r angeblich machen kann, dann Frage ich mich, warum wir überhaupt einen Lehrer*innenmangel in Berlin haben. Wie Sie schreiben, ist der Beruf für Sie offenbar ja sehr attraktiv. In Ihrer Vorstellung "macht man sich zum Affen" (womit Sie sicher die stundenlange Planung und Vorbereitung sowie die anschließende Durchführung einer Unterrichtsstunde meinen und bekommt dafür auch noch viel zu viel Geld! Daher mein Tipp für Sie: Um in den Quereinstiegstmaster für Grundschullehramt an der HU zu kommen, brauchen Sie vorher "nur" einen Hochschulabschluss. Das Fach ist dabei unerheblich, allerdings gibt es einen NC. Wenn Sie also vorher etwas anderes studiert haben und diesen - wie Sie schreiben - viel zu leichten Job machen wollen, bitte schön: immer ran!

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