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Audio: rbb24 Inforadio | 11.11.2022 | Quelle: dpa/Daniel Kubirski

Bauvorhaben der Landesregierung

"Abschiebezentrum" am BER bringt Brandenburger Grüne in Bedrängnis

Brandenburg und der Bund planen ein großes "Ein- und Ausreisezentrum" für Migranten am Flughafen Schönefeld. Seit Monaten steht das Projekt in der Kritik. Insbesondere die Grünen hadern mit dem Herzensprojekt von Koalitionspartner CDU. Von Markus Woller

Noch einmal bauen die Demonstranten an diesem Donnerstagmittag die zwei Meter große, rote Gefängnismauer aus Pappkartons auf. Unter schwarzem Stacheldraht prangt ihre Forderung: "Kein Abschiebezentrum BER", steht dort geschrieben. Diesmal steht die Mauer vor dem Landtag, in Sichtweite zu dem Saal, in dem der Innenausschuss tagt. Dort wird an diesem Tag noch einmal öffentlich über das umstrittene Projekt beraten.

Brandenburg plant, gemeinsam mit dem Bund, ein riesiges zentrales "Ein- und Ausreisezentrum" - so der offizielle Titel - in direkter Nachbarschaft zum Flughafen BER in Schönefeld (Dahme-Spreewald). 30.000 Quadratmeter für Bundespolizei, Vertreter des Bundesministeriums für Migration und Flüchtlinge, Teile der Zentralen Ausländerbehörde Brandenburg und Akteure des Justizbereichs.

Es soll eine Fülle von Aufgaben bündeln: Flughafen-Asylverfahren, Erstregistrierungen, zentrale Bearbeitung und Abwicklung freiwilliger Ausreisender, Rücküberstellungen nach dem sogenannten Dublin-Abkommen der EU, Vollzug des Ausreisegewahrsams - um nur einige zu nennen. 2025 soll das Zentrum nach den aktuellen Planungen fertig sein.

Keine Haft, aber zeitlich begrenztes Gewahrsam

Die Grünen im Landtag bringt das Herzensprojekt ihres Koalitionspartners CDU nun gleich mehrfach in die Bredouille. Sie müssen in den kommenden Haushaltsabstimmungen Farbe bekennen, obwohl viele Fragen noch ungeklärt sind: So soll das Projekt zum Beispiel nicht vom Land selbst, sondern durch einen Investor gebaut werden, der schon wegen eines Schmiergeldskandals am Flughafen Frankfurt/Main vorbestraft ist. Dem Investor winken nach aktuellen Planungen üppige Gewinne durch die Vermietung an Land und Bund. Mindestens 470 Millionen Euro in den kommenden 30 Jahren bei Baukosten von gerade mal 155 Millionen Euro.

Gleichzeitig haben die Grünen sich in der Debatte eigentlich frühzeitig festgelegt: Sie würden einer Abschiebehaftanstalt am Standort Schönefeld nicht zustimmen, hieß es vom Fraktionschef damals. Doch dem Geiste eines riesigen "Ausreisezentrums" steht dies natürlich entgegen. Der Kompromiss lautet nun: keine Haft, dafür aber ein zeitlich begrenzter Gewahrsam.

Dass der aber ganz neue Dimensionen annimmt, scheint Kritikern schwer vereinbar mit dem grünen Wertesystem. Im neuen Zentrum soll es Platz für mindestens 300 bis 350 Fälle im Jahr geben, heißt es aus der Zentralen Ausländerbehörde. Derzeit sind pro Jahr etwa 120 Menschen im Flughafen-Gewahrsam.

Weitaus größer als notwendig, so Kritiker

Die Grüne Jugend kann mit der versuchten Gratwanderung ihrer Landtagsfraktion nicht viel anfangen und stellt sich mit einem offenen Brief gegen die Pläne. Gemeinsam mit der Linksjugend fordert sie die Ablehnung des Vorhabens. Es sei zu befürchten, dass Menschen ohne die Chance auf ein faires Verfahren oder die Möglichkeit, Widerspruch einlegen zu können, abgeschoben würden. Und weiter heißt es: "Der Unwille von Bündnis 90/Die Grünen, sich für Ihre vermeintlichen Werte einzusetzen und ihr Versprechen, kein Abschiebezentrum zuzulassen, zu halten, ist für uns mehr als enttäuschend."

Für die Grünen im Landtag ist es eine schwierige Wahl: Den Haushalt samt Finanzierung ablehnen und die Koalition gefährden - oder als Wortbrecher in den eigenen Reihen dastehen. Wie sehr sie mit ihrer Doppelrolle hadern, wird in einer aktuellen Pressemitteilung deutlich: Man stehe dem Zentrum äußerst kritisch gegenüber, heißt es darin. Die geplanten Kapazitäten gingen weit über das notwendige Maß hinaus und es bestünden erhebliche vergaberechtliche Fragen. Man erwarte von Innenminister Michael Stübgen (CDU) und Finanzministerin Katrin Lange (SPD) eine sorgfältige Prüfung der zahlreichen Bedenken.

"Abschiebepartei: Die Grünen"

Weiter heißt es, man appelliere an SPD und CDU, einen qualifizierten Sperrvermerk im Haushaltsplan zu hinterlegen. Ein solcher Vermerk hätte zur Folge, dass der Landtag sich vor der finalen Freigabe der Gelder noch einmal intensiv mit dem Thema befassen muss. Diesem Begehren des Koalitionspartners erteilte die CDU allerdings postwendend eine Absage. Dass es den Sperrvermerk nicht geben werde, sei auch schon im Koalitionsausschuss besprochen worden, so CDU-Fraktionschef Redmann.

Für die Demonstranten vor dem Landtag gelten die Grünen mit ihrem Schlingerkurs nun als Umfaller. Überrascht aber scheinen sie nicht: Schon vor Tagen hatten sie ihre rote Gefängniswand vor der grünen Parteizentrale in Potsdam aufgebaut. Auch damals mit einer Botschaft beschriftet, die den Grünen bis ins Mark gehen muss: "Abschiebepartei: Die Grünen", stand dort in großen Lettern geschrieben.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 10.11.2022, 19:30 Uhr

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