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Quelle: Screenshot: rbb

Fake News in Corona-Zeiten

"Linke und rechte Trolle sind eine Soße"

Nach kruden Verschwörungstheorien und Falschmeldungen von Neonazis und Reichsbürgern zur Corona-Krise mischen nun auch Linksextremisten im Netz mit. Dabei gerät der Berliner SPD-Innenexperte Tom Schreiber ins Visier. Von Jo Goll

Der SPD-Politiker Tom Schreiber auf einem Foto in Kapuzenpulli und Lederjacke vor einem Supermarkt. Der Einkaufswagen gefüllt mit Klopapier, Cola und Wasser. Dazu die reißerische Überschrift: "Abgeordneter Tom Schreiber (SPD) beim Hamstern erwischt."

Der Text liest sich wie eine Enthüllungsstory. Schreiber werde von einem Leibwächter vor einen Supermarkt in Köpenick gefahren, steige aus und drängle sich rüde vor, bevor er seinen Einkaufswagen fülle, heißt es darin. Auf dieses Verhalten angesprochen springe Schreiber mit seinem Leibwächter in seinen Wagen und fahre davon. Erst die Befragung der Kassiererin bringe Aufklärung: "Ja", wird sie im Text zitiert, "der Herr Schreiber kauft jeden Tag für die ganze Fraktion ein. Desinfektionsmittel müssen für ihn reserviert und zurückgehalten werden."

Fotomontage - "Die Methoden gleichen sich immer mehr an" | Quelle: Screenshot: rbb

"Wer weiß, wann Corona besiegt ist"

Am nächsten Tag, so berichten die beiden Autoren weiter, hätten sie Tom Schreiber vor seinem Haus "erwischt". Der SPD-Innenpolitiker gebe im Gespräch freimütig zu, mehr als für den Eigenbedarf einzukaufen. "Man weiß ja nie, wann Corona besiegt ist", wird Schreiber zitiert. Und weiter: Er als systemrelevante Person dürfe das. "Ehrlich gesagt, gerade von Tom Schreiber hätten wir mehr Anstand erwartet", fassen die Autoren ihren Text zusammen.

Hat sich da jemand daneben benommen, der eigentlich Vorbild sein sollte? Ein Innenpolitiker als egoistischer Hamsterkäufer? Nein. Das Ganze ist ein Fake. Der Text: frei erfunden. Die Fotos: relativ schlecht gemachte Montagen. Für was und warum? Der Text ist auf dem Internetportal Indymedia [de.indymedia.org] erschienen, wo sich in der Regel militante Autonome tummeln. Und die setzen dieser Tage auf eine "Krise des Kapitalismus", fabulieren über "Aufstandsszenarien".  Ist das der Beitrag der linksextremistischen Szene zum täglichen Sterben auf der ganzen Welt?

Quelle: Screenshot: rbb

Schreiber: An Druck von links und rechts gewöhnt

Tom Schreiber bekommt regelmäßig Drohungen von Linksextremisten, gerät aber auch immer wieder ins Visier von Neonazis. Ganz einfach, weil er Extremismus als das benennt, was er ist: Terror. Und Schreiber ist es dabei egal, auf welcher Seite sich die Täter einreihen. Ob es die rechtsextremen Zündler in Neukölln oder die linksextremen Gewalttäter in der Rigaer Straße sind: Schreiber fordert eine harte Strafverfolgung ohne Unterschiede.

Die frei erfundene Story über Tom Schreiber als Hamsterkäufer hat ihn aber doch etwas gewundert. "Die Methoden gleichen sich immer mehr an", sagt er am Telefon und kommt zu dem Schluss: "Linke und rechte Trolle sind eine Soße." Gerade in der heutigen Zeit, so Schreiber weiter, "dürfen wir dem Hass im Netz, den Fake News und den Diffamierungen keinen Platz als Rechtsstaat und Demokratie geben."

Offenbar haben einige Leser von indymedia.org am Ende aber eingesehen, dass diese Art von Fake News doch zu dumm und platt ist. "Bitte löschen", schreibt ein User. Dieser "miese Versuch einer Diffamierung" werfe ein schlechtes Licht auf indymedia. Der Text war am Nachmittag nicht mehr abrufbar. Ob die Trolle jetzt schweigen, bleibt abzuwarten.

Beitrag von Jo Goll

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