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Quelle: dpa/Jens Kalaene

Geplantes Thema im Innenausschuss

Wie gut ist Berlin auf den Katastrophenfall vorbereitet?

Nach dem überraschenden Kriegsgeschehen stellen sich auch Berliner Abgeordnete die Frage, ob die Stadt im Katastrophenfall gut aufgestellt ist. Von Iris Völlnagel

Eigentlich dachte Frank Balzer, innenpolitischer Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, sei Katastrophenschutz in der Hauptstadt gut aufgestellt. Zwölf Jahre war Balzer Bezirksbürgermeister von Reinickendorf und als solcher in seinem Bezirk erste Ansprechperson für Krisen und Katastrophen.

Von seinem Wohnort aus hört er manchmal die Sirenen im benachbarten Brandenburg. "Die Versorgungssituation in Berlin ist eine andere als im ländlichen Brandenburg" war sich Balzer sicher und Sirenen deshalb nicht notwendig. Auch seien Polizei und Feuerwehr in der Hauptstadt sehr präsent. Doch seit Balzer das Kriegsgeschehen in der Ukraine verfolgt, ist sich der Politiker nicht mehr ganz so sicher, ob die bisherige Katastrophenvorsorge ausreicht.

Bund wird im Verteidigungsfall aktiv - sonst die Bundesländer

Dabei sind die Zuständigkeiten im Katastrophenfall in Deutschland klar geregelt: Im Verteidigungsfall ist der Bund für Warnungen zuständig, bei sonstigen Katastrophen die jeweiligen Bundesländer. Das heißt, das Land Berlin muss dafür sorgen, dass jeder weiß, was zu tun ist, wenn der Strom oder die Infrastruktur ausfällt.

In Brandenburg gibt es Warnsirenen - in Berlin nicht mehr

Anders als in Brandenburg gibt es in Berlin keine Sirenen. Sie wurden in den 1990er Jahren nach Ende des Kalten Kriegs abgeschafft. Denn sie galten auch als wartungs- und kostenintensiv. Heute empfiehlt die zuständige Senatsverwaltung für Inneres, Digitalisierung und Sport den Bürgern, sich mindestens eine der beiden Warn-Apps "NINA" oder "KATWARN" herunterzuladen.

Ob und wie diese genutzt werden, dazu gibt es keine eindeutigen Zahlen. Laut Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe wurde in der Warn-App "NINA" Berlin 365.815 Mal abonniert (Stand 16.08.2021). Aus dieser Zahl könne jedoch nicht auf die Zahl der Nutzenden geschlossen werden, so eine Sprecherin der Behörde. Außerdem werde der Standort Berlin auch von Pendlern aus anderen Gemeinden und Kreisen abonniert.

Die Kehrtwende kam mit der Flutkastastrophe in Westdeutschland

Darüber hinaus ist es auch Aufgabe des Rundfunks, die Bevölkerung zu informieren. Außerdem ist es Aufgabe der Polizei und der Feuerwehr vor Ort die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten per Lautsprecherdurchsagen zu warnen. Ob Warnungen erforderlich sind und auf welchem Wege sie veröffentlicht werden, entscheiden die zuständlichen Einsatzbehörden.

Nach der Flutkatastrophe im vergangenen Sommer im Westen Deutschlands beschloss das Bundeskabinett, 80 Millionen Euro für die Wiedereinführung von Sirenen bereitzustellen. Das Land Berlin sollte davon rund 4,5 Millionen erhalten. "Berlin soll wieder Sirenen bekommen" kündigte Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD) im vergangenen September im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhaus an. Sie seien in einer Katastrophenlage kein Heilmittel, aber eine gute Ergänzung, hieß es. Zuvor hatte es oft geheißen, vor Gefahren könne mit Sirenen nicht genau genug gewarnt werden. Eine Sirene aus Kreuzberg höre man auch noch in Schöneberg und dort könne die Situation eine andere sein.

Warn-App "NINA" versagte bei Testlauf 2020

Vor welchen Herausforderungen die Behörden im Ernstfall stehen könnten, zeigte sich auch bei einem Testlauf im September 2020. Im Rahmen eines bundesweiten Warntags sollten alle Sirenen und Apps auf ihre Tauglichkeit hin überprüft werden. So auch die App "NINA". In Berlin kam die Meldung eine halbe Stunde zu spät. Zu diesem Zeitpunkt war auf anderen Kanälen bereits wieder Entwarnung gegeben worden.

Ob Sirenen bei einer schwerwiegenden Bedrohungslage wirklich helfen, ist sich Björn Matthias Jotzo, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, nicht so sicher. Ihm geht es wie Frank Balzer. Die Ereignisse in der Ukraine stelle Berlin vor neue Fragen. "Wir wollen keine Panik auslösen, dazu besteht kein Anlass", sagt Jotzo. Dennoch müsse man reden. Kurzerhand beantragt der FDP-Politiker einen Tagesordnungspunkt "Vorbereitung auf den Fall einer kriegerischen Auseinandersetzung – Bevölkerungsschutz und Resilienz der kritischen Infrastruktur in Berlin." Voraussichtlich Anfang April wird das Thema im Innenausschuss verhandelt.

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