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Quelle: dpa/Michael Hanschke

Online-Portal für ukrainische Geflüchtete

Anbieter privater Unterkünfte frustriert über schleppende Vermittlung

Als die ersten Ukrainer nach Berlin kamen, bildete sich schnell ein Netz von Anbietern privater Unterkünfte. Nach Problemen am Bahnhof empfahl die Stadt ein Online-Portal. Doch die Vermittlung darüber stockt und frustriert viele zunehmend. Von Micha Bärsch

Oskar Söllner ist genervt. Der Architekt und sein Partner vermietet im Internet ein Loft an Touristen, coronabedingt oft aber nur am Wochenende. Unter der Woche hält er die Zimmer für Geflüchtete aus der Ukraine bereit - allein: "Es wird von Woche zu Woche schwieriger, jemanden zu finden", sagt er gegenüber rbb|24.

Anfang März, als die ersten Geflüchteten aus der Ukraine in Berlin ankamen, habe alles noch problemlos funktioniert. "Es gab am Hauptbahnhof die Möglichkeit, sich irgendwie bemerkbar zu machen, mit Schildern, oder indem ich jemanden angesprochen habe", erzählt Söllner. "Ich hatte eine gute Zusammenarbeit mit den Leuten vor Ort. Die Wohnung ist barrierefrei - die haben angerufen und gefragt, ob ich noch etwas für eine Rollstuhlfahrerin frei hätte - und ich habe die Leute mit einem VW-Bus abgeholt - kein Problem." Die Community am Bahnhof sei total stark gewesen, sagt Söllner. "Das war wie ein Marktplatz. Da wurde alles geregelt - irgendwie."

Anbieter: "Es hat sich bisher einfach niemand gemeldet."

Vor einer Woche aber fing seine Stimmung an zu kippen. "Die Mitarbeiterin einer NGO am Hauptbahnhof hat mir gesagt, dass es ihr von 'höherer Stelle' untersagt worden sei, ankommende Geflüchtete privat zu vermitteln." Dabei hat Söllner durchaus Verständnis für die Probleme, die sich aus einem anfangs völlig spontan organisierten "Marktplatz" am Hauptbahnhof ergaben. Die Polizei warnte vor Männern, die geflüchteten Frauen teilweise sogar Geld boten, um diese bei sich "aufzunehmen".

"Die Gefahr sehe ich auch", sagt Söllner. Deshalb habe er sich auf dem Portal, das die Stadt empfiehlt, akkreditiert und seine Ausweise hochgeladen. Doch damit begannen die Probleme: Die von der Stadt zusammen mit dem Verein Karuna auf die Beine gestellte Bettenbörse unterkunft-ukraine.de kann die Verfügbarkeit der Unterkunft nur wochenweise speichern. Söllner hat seine Unterkunft aber meist nur unter der Woche frei. Er hat sich dennoch eingetragen. "Doch wir haben bisher wenig Resonanz bekommen - um nicht zu sagen: gar keine. Es hat sich bisher einfach niemand gemeldet", sagt er. "Mein Eindruck ist, dass die Unterbringung von Geflüchteten dem privatem Engagement mehr oder weniger entzogen wird, dass es einfach gar nicht gewünscht ist."

"Die Datensätze sind gefangen"

Davon ist auch Diana Henniges überzeugt. Die Gründerin und Geschäftsführerin des Vereins "Moabit hilft" erlebt täglich die Situation am Hauptbahnhof. "Viele Leute brauchen einfach nur eine Nacht Ruhe. Die wissen schon genau, wann und wie sie von Berlin aus weiterreisen wollen." Dies ließe sich laut Henniges viel besser über kurzfristige, private Unterkünfte in der Nähe des Hauptbahnhofs regeln - von denen es nach ihren Angaben genug gäbe. "Viele Anbieter erklären sich auch wie selbstverständlich dazu bereit, diese Leute am nächsten Tag zu ihren Zügen am Hauptbahnhof zurückzubringen."

Das von der Berliner Landesregierung empfohlene Portal helfe nicht bei der Vermittlung von Geflüchteten, so Henniges: "Da kann ich für alle Initiativen sprechen: Das ist kein Thema - weil niemand an die Daten der Anbieter rankommt." Das Portal sei eher Sand im Getriebe - es funktioniere einfach "gar nicht." Die Datensätze sind "dort gefangen."

Die Folge: Viele ankommende Geflüchtete übernachten weiterhin lieber am Bahnhof. "Die lassen sich nicht in die Busse nach Tegel reinmoderieren, weil sie einfach nicht sicher sind, ihren Zug am nächsten Morgen zu bekommen. Die trauen dem Braten nicht", sagt Henniges.

Probleme sind dem Senat bekannt

Dem Berliner Senat sind die Probleme bekannt. Der Sprecher der Sozialverwaltung, Stefan Strauß, bestätigte dem rbb am Montag, dass über die von der Stadt Berlin unterstützte Bettenbörse unterkunft-ukraine.de aktuell keine Vermittlung von Privatunterkünften für Geflüchtete im Berliner Stadtgebiet stattfindet.

Grund seien Meldungen der Bundespolizei, wonach es am Berliner Hauptbahnhof mehrfach unlautere Angebote von Privatpersonen gegeben haben soll. Auch Platzverweise seien demnach ausgesprochen worden. Das solle "auch aus Sicherheitsgründen nicht mehr so stattfinden", erklärte Strauß.

Die Senatsverwaltung und das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten sind dem Sprecher zufolge aber in enger Abstimmung mit Karuna, ein neues Verfahren für die Vermittlung von privaten Unterkünften aufzulegen. Derzeit werde ein geeigneter Ort gesucht, an dem Menschen mit Unterkunftsangeboten sich sicher zertifizieren lassen könnten und dann schnell mit Geflüchteten zusammengebracht werden sollen. "Wir wissen natürlich, dass es für die Geflüchteten besser sein kann, privat unterzukommen als in den Notunterkünften in Tegel oder der Messe," so Strauß weiter. Jetzt gehe es darum, schnell eine sichere Vermittlung über die Bettenbörse von Karuna auf die Beine zu stellen.

"Moabit hilft" zieht eigenes Portal auf

"Aus der Not heraus" habe der Verein Moabit hilft nun eine eigene Wohnungsbörse [moabit-hilft.com] aufgezogen, erzählt Henniges. Auch dort müssen sich Anbieter privater Unterkünfte verifizieren und zum Beispiel Kopien ihrer Ausweise hochladen. "Wir werden das weiter praktizieren, bis uns gesagt wird, dass wir uns irgendwie strafbar machen - ich bin auch gespannt auf welcher Grundlage das passiert, aber ich rechne damit", sagt Henniges.

Was bleibt, ist der Frust: "Im Moment wird von der Stadt suggeriert, man habe alles im Griff und wir werden gar nicht gebraucht. Dies ist aber mitnichten der Fall. Wir sehen täglich die Bedarfe."

Auch Söllner ignoriert mittlerweile die Bitte, nicht in Eigeninitiative zum Bahnhof zu kommen. "Doch, das machen wir natürlich weiter, selbstverständlich! Weil es einfach total nervig ist, die Leute in Massenunterkünfte zu verschieben, wenn es doch auch andere Ressourcen gibt", sagt er. Die Stadt müsse aufpassen, dass das private Engagement nicht in Frustration umschlage. "Und an solch einem Punkt sind wir grade."

Sendung: Abendschau, 21.03.2022, 19:30 Uhr

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Beitrag von Micha Bärsch

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