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Video: rbb24 | 12.01.2021 | Jana Wochnik | Quelle: dpa-Symbolbild/Koen van Weel

Pandemie-Bekämpfung

Kalayci und Nonnemacher lehnen Impfpflicht für Pflegende ab

Bayerns Ministerpräsident Söder kritisiert eine mangelnde Impfbereitschaft beim Personal in Alten- und Pflegeheimen - und bringt eine Impfpflicht ins Spiel. Dafür gibt es aus Berlin und Brandenburg viel Gegenwind. Stattdessen fordern Heimbetreiber bessere Aufklärung.

Der Vorschlag von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), eine Impfpflicht für Pflegekräfte in Heimen zu prüfen, stößt in Berlin und Brandenburg auf Ablehnung. Für die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) ist das derzeit kein Thema. "Die Diskussion kommt zur Unzeit", sagte die SPD-Politikerin am Dienstag. "Prioriät muss die Beschaffung von mehr Impfstoff haben."

Zustimmung gibt es auch von der Brandenburger Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). "Eine Impflicht darf es nicht geben", warnte Nonnemacher am Dienstag in Potsdam. "Unsere Aufgabe ist es, für die Corona-Schutzimpfung zu werben, über die Vorteile zu informieren und Fragen zu Impfstoffen und Nebenwirkungen transparent zu beantworten."

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erteilte einer Impfpflicht am Mittwochmorgen erneut eine Absage. Er setze stattdessen auf Aufklärung und Information, sagte der CDU-Politiker dem Deutschlandfunk. Auch für Pflegekräfte werde es keine Impfpflicht geben, betonte Spahn. Dies sei auch eine Frage der Wertschätzung gegenüber den Pflegenden.

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"Wir müssen uns überlegen, ob wir für die besonders hochsensiblen Bereiche, das sind die Alten- und Pflegeheime, den Schutz besonders erhöhen", hatte Söder am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin" gesagt. Wenn man höre und lese, dass sich dort wenige Pflegekräfte impfen lassen wollten, müsse man darüber diskutieren. "Der deutsche Ethikrat sollte sich damit beschäftigen." Der CSU-Chef hatte sich bereits in der "Süddeutschen Zeitung" entsprechend geäußert.

In einigen Bereichen wie bei Masern gebe es bereits eine Impfpflicht, argumentierte der bayerische Regierungschef. "Wenn Sie mal vergleichen - Masern mit Corona -, ist die Gefahr und Bedeutung von Corona natürlich deutlich höher." Deshalb brauche es jetzt eine gesellschaftliche Debatte und parallel dazu eine Impfkampagne, um die generelle Bereitschaft zum Impfen zu erhöhen. Eine allgemeine Impfpflicht solle es aber nicht geben.

Pop will auf Impfbereitschaft setzen

Auch der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) wandte sich dagegen, jetzt über ein weiteres Zwangsinstrument nachzudenken. Berlin sei auf einem erfolgreichen Weg, so Kollatz. Der Senat werbe beim Pflege-Personal für die freiwillige Immunisierung. Aus den Kliniken und Einrichtungen gebe es zudem nicht die Rückmeldung, dass es dort eine Impf-Zurückhaltung gebe.

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) wollte in der rbb-Abendschau eine Impfpflicht für Pflegepersonal nicht grundsätzlich ausschließen. Die gebe es bei anderen Krankheiten für medizinisches Personal auch, so Pop. Zunächst sollte aber auf die Impfbereitschaft gesetzt werden. Der Senat appelliere an alle, sich impfen zu lassen.

Ablehnung auch aus Brandenburg

Für den CDU-Fraktionsvorsitzenden im Brandenburger Landtag, Jan Redmann, ist eine Impfpflicht für Pflegekräfte in Alten- und Pflegeheimen ebenfalls kein Thema. "Nach meiner Kenntnis macht es einen erheblichen Unterschied, ob die Pflegekräfte vorher informiert wurden über die Impfstoffe - das erhöht die Impfbereitschaft um zweistellige Prozentwerte", sagte Redmann am Dienstag in Potsdam. "Mein Eindruck ist, dass das noch nicht überall geschehen ist. Insofern ist es auch nicht notwendig, über eine Impfpflicht zu reden."

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Auch SPD-Fraktionschef Erik Stohn sprach sich gegen eine Impfpflicht aus und verlangte ebenfalls mehr Werben für das Impfen. "Wir haben im Osten eine hohe Impfbereitschaft und die gilt es jetzt zu stärken durch entsprechende Kampagnen, um möglichst schnell die Herdenimmunität zu bekommen."

Ähnlich äußerten sich auch die Brandenburger Landtagsopposition. AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt sieht - auch angesichts einer kurzen Entwicklungszeit - Risiken im Impfen gegen Corona, deshalb sei dies kein Thema. Für den Vorsitzenden der Linksfraktion, Sebastian Walter, steht eine Impfpflicht zum jetzigen Zeitpunkt "überhaupt nicht zur Debatte". "Wir brauchen erst einmal genügend Impfstoffe", sagte Walter. Der Fraktionsvorsitzende von BVB/Freie Wähler, Péter Vida, sagte, seine Fraktion spreche sich ebenfalls gegen eine Impfpflicht aus. Auch Verbände und Pflegeheimbetreiber lehnen eine Pflicht für ihre Mitarbeiter ab.

Berufsverband gegen Impfpflicht

In den vergangenen Tagen hatte es immer wieder Berichte gegeben,wonach sich Pflegepersonal zu einem erheblichen Teil nicht impfen lassen wolle [br.de]. Die Grundlage für Aussagen wie die von Bayerns Ministerpräsidenten Söder ist allerdings wackelig. Zu einer mangelden Impfbereitschaft beruflich Pflegender fehlten repräsentative Zahlen, sagte die Vorsitzende des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBFK) Nordost, Christel Bienstein, der Nachrichtenagentur Reuters. Sie verwahrte sich dagegen, dass nur wenige Pflegekräfte bereit zur Impfung seien und verantwortlich gemacht würden für den holprigen Start der Impfkampagne.

Es gibt hierzu tatsächlich keine verlässlichen Daten, weil der Anteil geimpfter oder nicht-geimpfter Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen gar nicht erfasst wird. Es bleibt somit bei Schlaglichtern. Dass es von Einrichtung zu Einrichtung Unterschiede gibt, sagen auf Anfrage von rbb|24 fast alle Betreiber.

Vivantes berichtet auf Anfrage von rbb|24 von einer "sehr hohen Rückmeldung" bei den Impfungen, es seien schlichtweg noch nicht genug Impfdosen da. Claudia Appelt von der Berliner Caritas-Altenhilfe sagte rbb|24, man sehe definitiv Bedarf für weitere Aufklärungskampagnen, die sich an Mitarbeiter und Bewohner richten. "Es geht uns darum, die Freiwilligkeit der Impfung zu respektieren, aber gleichzeitig durch Aufklärung die Impfbereitschaft zu fördern. Denn wir erleben in unseren Einrichtungen, dass da immer noch Mythen durch die Köpfe geistern", sagte Appelt. Bislang hätte Bewohner und Mitarbeiter in allen Berliner Caritas-Einrichtungen die Impfungen gut verkraftet. Die Caritas betreibt in Berlin acht stationäre Heime und 14 Sozialstationen mit häuslicher Pflege.

Entscheidende Frage laut Verband: Kann ich auch Geimpfter Virus weitertragen?

Auch der Korian-Konzern, der in Berlin sieben Heime betreibt, sieht den Worten einer Sprecherin zufolge weiteren Aufklärungsbedarf. "Es gibt Mitarbeiter, die skeptisch und noch vorsichtig sind. Deshalb halten wir es für wichtig, dass es mehr Aufklärung gibt, um mit Falschmeldungen und Gerüchten aufzuräumen. Ein Beispiel: Manche haben immer noch Bedenken, dass der Impfstoff in die Genetik eingreift, obwohl das klar widerlegt ist. Andere kritisieren, dass der Stoff ja vergleichsweise kurz getestet wurde – ja, aber dafür an viel mehr Personen als irgendein Impfstoff zuvor. Wie hoch ist das Risiko von Nebenwirkungen, wie wirkt der Impfstoff genau, wie schnell baut er sich ab? All diese Fragen klar und verständlich aufzubereiten, wäre wichtig", sagte die Sprecherin Claudia Kurz rbb|24.

Der Bundesverband privater sozialer Dienste (BPA) hingegen bezweifelt laut den Worten seines Vorsitzenden Herbert Mauel, dass es einen Mangel an Informationen gebe. "Noch ist die Frage offen: Kann ich mich auch als Geimpfter infizieren, das Virus damit unbewusst weitertragen und Dritte gefährden - oder werde ich nur vor einem schwerem Verlauf geschützt? Wenn die Forschung diese entscheidende Frage beantwortet hat, werden wir nochmal eine völlig andere Resonanz und belastbare Zahlen kriegen", sagte Mauel rbb|24. Bis dazu allerdings Studienergebnisse vorliegen, können noch Wochen oder Monate vergehen.

Sendung: Inforadio, 12.01.2021, 19 Uhr

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