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Quelle: imago images/Ralph Peters

Diskussion über 2G-Regel

Sollen Nichtgeimpfte draußen bleiben? - ein Pro und Contra

Sollen Geimpfte und Genesene immer öfter unter sich bleiben? Und Impfverweigerer das Nachsehen haben? Die 2G-Regel ist so umstritten wie die Impfung selbst. Ein Pro und Contra darüber, was eine Gesellschaft verlangen kann - und was nicht. Von Birgit Raddatz und Iris Sayram

Pro: Lasst euch impfen oder bleibt draußen!

Von Birgit Raddatz

Zugegeben, ich habe lange gewartet. Darauf, dass wirklich jede und jeder ein Impfangebot bekommen hat. Nun bekommen es sogar die über 12-Jährigen. Und jetzt reicht es mir und offenbar auch vielen anderen mit der Geduld. Wer nicht will, der hat schon.

Bevor jetzt wieder das Argument kommt, dass sich nicht jede und jeder aus gesundheitlichen Gründen impfen lassen kann: Diese Gruppe an Menschen ist klein, sehr klein! Fast nicht der Rede wert. Vielmehr gibt es aus medizinischer Sicht nur äußerst seltene Kontraindikationen gegen das Impfen. Und für die, für die es wirklich gar nicht geht, finden sich Ausnahmen, etwa kostenlose PCR- oder Schnelltests. Die sollten übrigens auch für die unter 12-Jährigen zugänglich sein, damit sie am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können.

2G-Regel in Berlin

Müller sieht keine Impfpflicht durch die Hintertür

Der Berliner Senat feilt an einem Modell, wie mit Geimpften, Genesenen und Getesteten künftig verfahren werden soll. Ob auch in Berlin die Lohnfortzahlung im Quarantänefall für Ungeimpfte gestrichen wird, ist allerdings unklar.

Für alle anderen gilt: Lasst euch impfen! Es gibt Menschen, die zweifeln, ob sie es wollen. Offenbar immer noch etwa 40 Prozent der Berliner*innen. Hoffentlich sind sie in ihrem ganzen Zweifeln umsichtig genug, sich nicht in großen Menschenmassen aufzuhalten. Denn das, liebe Zweifler*innen, könnte tödlich sein!

Ich stehe total auf Demokratie und ich meine das nicht zynisch. Eher resigniert. Denn Demokratie heißt auch, dass es Freiheit nicht zum Nulltarif oder ohne Anstrengung gibt. Diejenigen, die sich bewusst nicht impfen lassen, überlassen die Verantwortung, aus dieser Pandemie herauszukommen, den anderen. Sie schreien nach Lockerungen, wollen aber nichts dazu beitragen. DAS ist undemokratisch.

Impfen ist das Laserschwert

Natürlich kann ich trotz Impfung weiterhin das Virus bekommen, ich kann sogar erkranken. Aber statistisch gesehen eben seltener und weniger schlimm. Und wenn alle geimpft wären, dann wäre ich auch für andere keine Gefahr. So lange das aber so ist, will ich in meiner Freizeit keine Gefahr für andere sein.

Nach einer langen Arbeitswoche, die viele weiterhin brav im Homeoffice verbringen (gern geschehen!), soll am Wochenende unbeschwert getanzt werden. Diese Freiheit sollen sich alle, die es wollen, nach über einem Jahr der Einschränkungen nehmen dürfen. 2G hat der Berliner Senat für Clubs drinnen entschieden und ich und sehr viele andere sind dankbar dafür. Schnelltests sind nun einmal nur eine Krücke im Kampf gegen die Pandemie. Impfen ist das Laserschwert!

Berührt hat mich die Aussage einer über 100-Jährigen, die in Berlin als erste ihre Impfung bekam. "Damit die jungen Leute wieder ihr Leben leben können", hat sie gesagt. Soll das jetzt etwa umsonst gewesen sein?

Contra: Der Keil zwischen uns ist schon groß genug!

Von Iris Sayram

Ja, stimmt. Der Blick auf die nackten Zahlen deutet darauf, dass die angebotenen Impfstoffe von Biontech, AstraZeneca oder Johnson & Johnson insgesamt gut vertragen werden und den Geimpften vor der Infektion beziehungsweise schweren Verläufen schützen kann.

Und ja, es ist auch solidarisch, wenn man trotz weniger Angst vor einer Corona-Infektion sich impfen lässt, um Schwächere zu schützen, die sich vielleicht nicht impfen lassen können. Moralisch ist man mit dem Pro-Kommentar auf jeden Fall auf der richtigen Seite.

Die andere Seite ist die dunkle, voller Verschwörungstheorien, Alu-Hüten und sonstigen Spinnern. Die, die das Virus nie so ernst genommen haben vulgo Verhamloser und Covidioten. Menschen, die eben auch in Restaurants oder Bars nichts mehr zu suchen haben. Und jeder, der auch nur argumentativ ihre Nähe streift, sollte in den Medien bitte nicht mehr zu Wort kommen – viele Grüße an dieser Stelle an Jan Böhmermann.

Der riesengroße Keil, der sich seit eineinhalb Jahren zwischen uns schiebt, wird immer größer. Es gibt ein wir und ein die. Und das macht mir Angst.

2G-Regel in Berlin

Müller sieht keine Impfpflicht durch die Hintertür

Der Berliner Senat feilt an einem Modell, wie mit Geimpften, Genesenen und Getesteten künftig verfahren werden soll. Ob auch in Berlin die Lohnfortzahlung im Quarantänefall für Ungeimpfte gestrichen wird, ist allerdings unklar.

Es gibt auch ein Grundrecht auf Unvernunft

Damit mich hier keiner falsch versteht: Ich bin geimpft. Ich habe nichts dagegen, es wieder zu tun. Ich weigere mich aber, meinen gesundheitlichen Maßstab auch anderen aufzuzwingen. Wir als Gesellschaft müssen es aushalten können, dass es da draußen Menschen gibt, die das nicht so sehen. Ich möchte nicht, dass diese Menschen noch mehr ausgegrenzt werden, als sie es ohnehin schon sind.

Es gibt sowas wie ein allgemeines Lebensrisiko, das jeder einzelne tagtäglich eingeht. Der eine mehr, der andere weniger, etwa weil er einen über den Durst trinkt, noch in der Horizontalen am Morgen gleich zur Zigarette greift oder von morgens bis abends Fleisch isst – und zwar ausschließlich. Auch hier gab und gibt es immer wieder Diskussionen, ob man diese "unverbesserlichen" Leute nicht stärker in die Pflicht nehmen sollte, ihre Krankenkassenbeiträge höher sein sollten, als vom schlauen, vernünftigen Rest. Aus guten Gründen werden solche Diskussionen schnell wieder ad acta gelegt. Wir reden in letzter Zeit sehr viel über Grundrechte. Dabei vergessen wir manchmal schnell, dass es auch ein Grundrecht darauf gibt, sich unvernünftig zu verhalten.

Mein Körper, meine Entscheidung

Es nennt sich: die allgemeine Handlungsfreiheit! Ein Zitat aus dem Frühjahr von Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) schwappt auch in die heutige G2-Diskussion: "Diejenigen, die ihr Impfangebot nicht wahrnehmen, treffen ihre individuelle Entscheidung, dass sie das Erkrankungsrisiko akzeptieren." Auch gern genommen in dem Zusammenhang wird Bundeskanzlerin Angela Merkel mit: "Eine Impflicht wird es nicht geben." Im Moment robben wir uns aber ziemlich verdächtig an eine ran.

Politik täte gut daran, ausnahmsweise einmal Wort zu halten und sich andere Wege zu überlegen, die Impfmuffel an die Nadel zu bekommen – durch echte Überzeugungsarbeit.

Die Kommentarfunktion wurde am 12.09.2021 um 15:45 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Beitrag von Birgit Raddatz und Iris Sayram

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