Brandenburg - Grüne entscheiden in Cottbus über Spitzenkandidaturen für Landtagswahl

Fr 01.03.24 | 13:49 Uhr | Von Hanno Christ
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Antje Töpfer und Benjamin Raschke (Quelle: dpa)
Audio: rbb24 Inforadio | 02.03.2024 | Nico Hecht | Bild: dpa

Gut sieben Monate vor der Landtagswahl in Brandenburg stellen die Grünen ihr Team auf. Zur Wahl steht ein neues Spitzen-Duo. Das politische Klima ist schwierig, die Umfragewerte auf bescheidenem Niveau. Die Parteispitze gibt sich trotzig. Von Hanno Christ

  • strenge Sicherheitsvorkehrungen vor dem Parteitag in Cottbus
  • Benjamin Raschke und Antje Töpfer kandidieren als Spitzenkandidaten
  • Landesverband verzeichnet Mitgliederzuwachs

Die Stadthalle Cottbus hatten die Grünen noch in einer Zeit angemietet, in der die Umfragewerte bessere waren, nicht tagtäglich Mitglieder angefeindet oder auch Plakate aufgestellt wurden, die ankündigen, dass Grüne und ihre Wähler hier nicht mehr bedient werden. Jetzt ist das politische Klima rau, die Abneigung vieler Bürger gegen die Politik der Ampel allgegenwärtig. In der Strukturwandel-Region dominieren andere, in Umfragen etwa ist der Zuspruch für die AfD besonders groß.

Schon der Weg in die Stadthalle - so wird befürchtet - könnte für die rund 150 Delegierten am Samstag schwierig werden. Mit Protesten, auch von Rechtsextremen, wird gerechnet. Die Polizei ist alarmiert, die Einlasskontrollen diesmal ungewöhnlich streng.

Töpfer kompetent, aber blass

Auf dem Parteitag wollen die Delegierten offiziell zwei Spitzenkandidaten wählen, die inoffiziell schon lange feststehen. Mit Gegenkandidaturen wird nicht gerechnet. Auf Listenplatz eins stellt sich Antje Töpfer zur Wahl, derzeit Staatssekretärin im Gesundheits- und Verbraucherschutzministerium. Dort ist die 55-Jährige aus Falkensee unter anderem zuständig für die Ernährungsstrategie des Ministeriums, neben Migration und Verbraucherschutz eines ihrer Kernthemen. Töpfer gilt als kompetent, beschreibt sich in ihrer Bewerbung als "passionierte Hobbyseglerin und Kampfsportlerin".

Von Kampfeslust ist bei Töpfer im Politikbetrieb allerdings wenig zu spüren. Sie tritt dort eher zurückhaltend und still auf, hat mit Medien vergleichsweise wenig Erfahrung. Die Partei wird Mühe haben, mit so viel Zurückhaltung ihrer Spitzenköpfe im Wahlkampf aufzufallen. Töpfers Kandidatur gilt als Signal, dass sich die Grünen für den Fall einer Fortsetzung der Regierung in Position bringen wollen für die erneute Besetzung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz.

Raschke erfahren, aber unbekannt

Auf Platz zwei steht Benjamin Raschke zur Wahl, Fraktionsvorsitzender im Landtag und dort einer der auffälligsten Grünen-Politiker, nicht nur, weil er lange Zeit stets im Schlabberpulli ans Rednerpult trat. Raschke, Jahrgang 1982 und gebürtiger Lübbener, ist studierter Politikwissenschaftler. Seitdem die Grünen in Brandenburg regieren, ist er Fraktionsvorsitzender im Landtag. Zuvor war er Landtagsabgeordneter und an der Seite von Annalena Baerbock Landesvorsitzender seiner Partei.

Raschke besitzt Erfahrung im politischen Betrieb und wird als Nachfolger von Axel Vogel als Landwirtschafts- und Klimaschutzminister gehandelt. Raschke agiert zwar auffälliger als Töpfer, ist allerdings Umfragen nach vielen Brandenburgern unbekannt.

Etliche Landtagsmitglieder kandidieren erneut

Beide – Raschke wie Töpfer - werden in große Fußstapfen treten: Die amtierende Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher tritt nicht mehr zur Wahl an, ebenso wie Umweltminister Axel Vogel. Lange Zeit waren die beiden prägend für den Kurs der Partei. Sie gelten als beliebt, kein Parteitag, auf dem die beiden nicht mit donnerndem Applaus begrüßt werden.

Die weiteren Listenplätze sind eine Mischung von Landtagsabgeordneten wie Petra Budke (Listenplatz 3), Clemens Rostock (4) und Marie Schäffer (5) oder Thomas von Gizycki (6). Erst ab Platz fünf finden sich Kampfkandidaturen. Hier tritt gegen Marie Schäffer Erdmute Scheufele an, studierte Diplompsychologin aus Erkner und derzeitige Büroleiterin des Bundestagsabgeordneten Michael Kellner. Abgeordnete wie Ricarda Budke, Carla Kniestedt oder Sahra Damus kandidieren nicht mehr für den Landtag.

Landesverband auf Wachstumskurs

Harte Kampfkandidaturen und Richtungsdebatten werden auf dem Parteitag am Samstag in Cottbus nicht erwartet. Die Grünen geben sich geschlossen und kämpferisch. Die Polarisierung schafft den Grünen nicht nur Gegner, sondern auch mehr Unterstützer: Der Landesverband wächst kräftig. In Cottbus wollen sie ihr Mitglied Nummer 2.800 begrüßen.

Die Grünen wollen in der Lausitz auch ein Zeichen setzen, dass sie Kurs halten. In einer Präambel zum Wahlprogramm, über die die Delegierten am Sonntag abstimmen, unterstreichen sie ihr Bekenntnis zu Klimaschutz und dass sie Feinden der Demokratie die Stirn bieten wollen – entgegen allen Anfeindungen. So gesehen könnte das harte Pflaster von Cottbus und etwaige Demonstrationen dann doch wieder ein passender Ort für einen Parteitag der Bündnisgrünen werden.

Sendung: rbb24 Inforadio, 02.03.2024, 11:30 Uhr

Beitrag von Hanno Christ

6 Kommentare

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  1. 6.

    Soviel hoffnungsvoller Text für eine Partei mit wenig ausgebildeten Fachkräften, die Politik vorbei an den Interessen der Brandenburger macht. Beweis: Die Umfragewerte. Schaffende Lebensfreude vermitteln die nicht.

  2. 5.

    "Arbeitsplätze und Einsatzmöglichkeiten wird er viele finden". Wohl eben nur in der Politik. Früher, zu Willy Brandt's Zeiten auch mal für einen höheren Politiker der sich einen Rednerschreiber leisten konnte. Diese Politologie Geschichte fing zu meinen Studentenzeiten an mit dem Politologie-Professor Schwan an der Freien Universität. Seine Frau Schwan war damals noch nicht so bekannt. Wir von der Technischen Universität Berlin machten da so unsere Witze über dieses neue Studienfach "Politologie". Wo sehen Sie da die großen Einsatzmöglichkeiten?

  3. 4.

    Es gibt so viele Politikwissenschaftler in diesem Land, die nicht alle in Parlamenten sitzen. Es ist eine wissenschaftliche Ausbildung wie viele andere, Arbeitsplätze und Einsatzmöglichkeiten wird er viele finden, sollte er irgendwann nicht mehr kandidieren.

  4. 3.

    Würden die Grünen eine vernünftige Politik machen und nicht nur mit Verboten, neuen Vorschriften, immer neuen Ideen bezüglich der Flüchtlinge aufwarten, dann könnte man sogar mit ihnen leben. So aber liegt meine große Hoffnung darauf, dass si die 5% nicht erreichen. Ich hoffe es bleibt nicht nur ein Taum.

  5. 2.

    "Raschke, Jahrgang 1982 und gebürtiger Lübbener, ist studierter Politikwissenschaftler. " Was macht so einer eigentlich, wenn ihn die Politik nicht mehr ernährt? In etlichen ostdeutschen Landtagen werden wohl die Grünen nicht mehr lt. aktuellen Vorhersagen ins Parlament kommen.

  6. 1.

    Immer mehr Parteien senken die Quoten für jede einzelne. Nun müssen die grünen Spitzenkandidaten halt zittern dass ihre Partei über 5 Prozent kommt.