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Audio: Inforadio | 04.07.2021 | Christoph Reinhardt | Quelle: dpa/E. Contini/rbb24

Wahlprogramm-Check

Das planen die Berliner Parteien in der Sicherheitspolitik

Keine Freiheit ohne Sicherheit, ohne Sicherheit keine Freiheit. Die Berliner Parteien positionieren sich in der Mischung zwischen beiden zwar oft bewusst gegeneinander – liegen aber in vielen Fragen erstaunlich dicht beisammen. Von Christoph Reinhardt

Hinweis: Die Reihenfolge der Parteien richtet sich nach dem Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl 2016: SPD 21,6 Prozent; CDU 17,6 Prozent; Linke 15,6 Prozent; Grüne 15,2 Prozent; AfD 14,2 Prozent; FDP 6,7 Prozent

SPD

SPD: Soziale Sicherheit

Kernzitat: "Sicherheit ist auch der Schutz vor sozialem Abstieg, Armut und gesellschaftlicher Ausgrenzung."

Die SPD präsentiert sich bürgerlich: Ausdrücklich ja zum starken Staat, ausdrücklich nein zu Sperrmüll, Drogenhandel und gewaltorientierten Hausbesetzungen.

Aber anders als die Konservativen betonen die Sozialdemokraten die sozialen Voraussetzungen der Sicherheitspolitik. Jugendfreizeitstätten und Seniorenarbeit gehören für sie genauso zur Sicherheitsarchitektur wie Schuldnerberatung, Frauenhäuser und Obdachlosenhilfe.

Die Polizei soll einerseits bürgernah sein, mit Kontaktbereichsbeamten, Fahrradstaffeln und mobilen Wachen. Und andererseits entschieden vorgehen vor allem gegen die organisierte, Clan- und Wirtschafts-Kriminalität sowie Intensivtäter.

Um auch im Netz schlagfähig zu sein, soll die Polizei-IT besser ausgestattet werden. Die Vielfalt beim Polizeinachwuchs will die SPD fördern, Racial Profiling und rechtsextreme Positionen sollen keine Chance in der Berliner Polizei haben. Für die Bekämpfung von Hasskriminalität soll es mehr Kapazitäten geben.

Migrantische Geschäfte, jüdische und muslimische Einrichtungen sollen besser geschützt werden. Mit einem Landespräventionsgesetz will die SPD u.a. gegen Jugendkriminalität vorgehen, eine mögliche staatlich kontrollierte Abgabe von Cannabis soll in einem Modellprojekt zunächst untersucht werden.

CDU

CDU: Sicher und sauber, immer und überall

Kernzitat: "Der Schutzmann an der Ecke muss wieder zum normalen Straßenbild gehören."

Sicherheit und Recht und Ordnung: Für die CDU ist das Herzenssache - und die Polizei ist ihr Garant. Keine andere Partei geht so tief ins Detail: 1.000 zusätzliche Stellen, bestmögliche Ausrüstung, ein neues Polizeigesetz, und in den Bezirken eine Stadtpolizei der Ordnungsämter.

Allein zwölf Maßnahmen nennt das Wahlprogramm, um die Polizei zu stärken, plus 36 weitere Vorschläge für noch mehr Sicherheit. Von Taser bis Bodycam, von IT-Modernisierung bis zum Polizei-Ehrenmal. Schluss mit dem Misstrauen gegenüber der Polizei, lautet das Credo.

Wo andere Parteien Videoüberwachung begrenzen wollen, fordert die CDU "Videoschutz", flächendeckend an allen kriminalitätsbelasteten Orten. Wo andere gegen Staatstrojaner wettern, fordert die Union die Quellen-Telekommunikationsüberwachung auch zur Prävention.

Gefährder sollen "hinreichend lange" in Präventivhaft, gegen Clankriminalität soll es eine Sondereinheit geben und eine Initiative für mehr Vermögensabschöpfung.

Statt Legalisierung von Cannabis will die CDU null Toleranz und Strafverfolgung schon ab fünf Gramm Eigenbedarf.

Auch den Verfassungsschutz will die CDU stärken. Rechtsextremistische und antisemitische Veranstaltungen sollen untersagt, die Al-Nur-Moschee soll möglichst geschlossen werden und für linke Gewalttäter soll es eine eigene Gefährderdatei geben.

Linke

Linke: Sicher vor dem Staat

Kernzitat: "Eine gute Sozialpolitik ist immer noch die beste Kriminalpolitik."

Die Linke sieht die staatlichen Behörden keineswegs als Garanten der öffentlichen Sicherheit, sondern eher als Gefahr für die Grundrechte. Den Verfassungsschutz will sie ganz abschaffen und als ersten Schritt V-Leute abschalten. Auch bei der Polizei.

Die Polizei soll reformiert werden, gegen Korpsgeist, Rassismus und ein Klima des Wegschauens. Statt verdachtsunabhängiger Kontrollen soll es ein gesetzliches Verbot von Racial Profiling geben, Videoüberwachung nur bei zwingendem Bedarf, der präventive Einsatz von Massendaten beim "Predictive Policing" wird abgelehnt.

Stärken wollen die Linken die Bürgerrechte - beim Datenschutz beziehungsweise bei Auskunftsrechten der von Polizeimaßnahmen Betroffenen.

Eine Entlastung der Ermittler versprechen sich die Linken durch die Entkriminalisierung von Cannabis, kleinen Lebensmitteldiebstählen oder Schwarzfahren. Stigmatisierende Begriffe wie "Clankriminalität" sollen weg.

Statt neuer Befugnisse soll es individuelle Sicherheitskonzepte geben, die soziale Problemlagen berücksichtigen. Kiezorientierte Gewalt wollen die Linken unter anderem mit Straßensozialarbeit und freien Trägern begegnen.

Aber bei aller Kritik gilt das linke Prinzip der guten Arbeit auch für die Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden: Höhere Besoldung soll es genauso geben wie gute Stellenausstattung und eine Einstellungsoffensive.

Grüne

Grüne: Vorbeugen ist besser als Repression

Kernzitat: "Die beste Form der Kriminalitätsbekämpfung wirkt, bevor eine Straftat begangen wird."

Strafrecht darf für die Grünen nur das letzte Mittel sein. Darum setzen sie sich für Entkriminalisierung ein - beim Besitz von Drogen ebenso wie bei Fahren ohne Fahrschein oder Majestätsbeleidigung. Zuständig für das Strafrecht ist allerdings der Bund, sodass das grüne Landes-Wahlprogramm vor allem auf Prävention setzt.

Die Rolle der Polizei dabei: ansprechbar sein, Vertrauen schaffen - auf Augenhöhe mit dem Bürger, sei es zu Fuß, auf dem Fahrrad oder in einer mobilen Wache. Gerne mit familienfreundlichen Arbeitszeiten, besserer Bezahlung und Neueinstellungen.

So divers wie die Stadt soll die Polizei sein, ohne Racial Profiling, verdachtslose Kontrollen, Online-Durchsuchung und Staatstrojaner. Videoüberwachung soll auf das Nötigste begrenzt werden.

Die Ausstattung der Polizei wollen die Grünen ebenso verbessern wie Hilfsangebote nach Angriffen im Dienst, allerdings sollen die Sicherheitsbehörden transparenter werden und aktiver als bisher auf die Opfer von Straftaten zugehen, um sie besser zu unterstützen.

Ein Untersuchungsausschuss soll die Ermittlungen zur Neuköllner Anschlagserie aufarbeiten. Den Berliner Verfassungsschutz und sein V-Leute-System wollen die Grünen in seiner jetzigen Form zumindest mittelfristig abschaffen.

AfD

AfD: Viel hilft viel

Kernzitat: "Der Öffentlichkeit darf nicht weiter Sand in die Augen gestreut werden."

Beim Thema Sicherheit gilt für die AfD vor allem ein Prinzip: mehr davon. Mehr Polizisten, mehr Waffen, Taser, Bodycams und mehr Videoüberwachung. Mehr Rechte für die Polizei, vom finalen Rettungsschuss bis zur Schleierfahndung, mehr Datenspeicherung. Mehr Geld für die Beamten.

Und vor allem: mehr Ausweisungen. Für die Abschiebung ausländischer Krimineller will die AfD eine Sondereinheit gründen. Kinder aus Clans sollen keinen Anspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit haben, hochkriminelle Angehörige der organisierten Kriminalität möglichst ausgebürgert werden.

Die Polizeistatistik soll künftig die Nationalität beziehungsweise den Migrationshintergrund erfassen und mutmaßlich deutschenfeindliche Hintergründe von Straftaten. Die rot-rot-grünen Gesetzesänderungen sollen rückgängig gemacht werden, der Polizeibeauftragte, das Antidiskriminierungs- beziehungsweise das reformierte Polizeigesetz seien Ausdruck von unverhohlener Polizeifeindlichkeit.

Straßenprostitution soll verboten werden. Für Linksextremisten dürfe es "keine Rabatte" mehr geben, bei Angriffen gegen die Polizei müsse der Staat die Ordnung durch eine Null-Toleranz-Politik wiederherstellen.

Religiöser Extremismus soll schon in den Schulen bekämpft werden, Islamisten sollen stärker überwacht werden, um Gefährder früher erkennen und ausweisen zu können.

FDP

FDP: Hart gegen Dealer, weich bei weichen Drogen

Kernzitat: "Eine ausufernde anlasslose Erfassung und Speicherung von Daten [...] lehnen wir ab, da sie völlig unverdächtige Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht stellen."

Sicherheit ist für die Liberalen eine Frage des Zusammenhalts. Darum sollen vor allem die Bürger gestärkt werden, nicht die Polizei. Prävention, Aufklärung und Aussteiger-Programme sind dabei wichtiger als Behördenbefugnisse: Anlasslose Kontrollen an kriminalitätsbelasteten Orten will die FDP abschaffen ebenso wie den Unterbindungsgewahrsam sowie die massenhafte Auswertung von Autokennzeichen, Mobilfunkzellen oder die Überwachung durch Staatstrojaner.

Um den Austausch von Polizei und Bürgern zu verbessern, setzt die FDP auf Kontaktbereichsbeamte und eine bessere Verzahnung von Polizei, Schulen und Jugendhilfe. Racial Profiling geht aus Sicht der Liberalen gar nicht, aber das rot-rot-grüne Antidiskriminierungsgesetz wollen sie wieder abschaffen.

Die regulierte Abgabe von Cannabis soll für Volljährige legalisiert werden, Drogenkonsumenten sollen Hilfsangebote bekommen, statt strafrechtlich verfolgt zu werden. Mehr Härte soll der Staat dagegen gegen Dealer zeigen - und Eigentum zum Beispiel im Fall von Hausbesetzungen konsequent schützen.

Vom Verfassungsschutz erwarten die Liberalen künftig mehr Schlagkraft – erreichen wollen sie dies durch eine Fusion mit dem Brandenburger Verfassungsschutz und eine wirksame parlamentarische Kontrolle.

Hinweis: Die Reihenfolge der Parteien richtet sich nach dem Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl 2016: SPD 21,6 Prozent; CDU 17,6 Prozent; Linke 15,6 Prozent; Grüne 15,2 Prozent; AfD 14,2 Prozent; FDP 6,7 Prozent

Sendung: Inforadio, 30.06.2021, 6 Uhr

Beitrag von Christoph Reinhardt

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