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Audio: rbb24 Inforadio | 02.09.2022 | Jens-Christian Gussmann | Quelle: imago images/Matthias Koch

Union vor dem Spiel gegen München

Wieso aus dem Bayern-Jäger tatsächlich ein Gejagter werden könnte

Das Spitzenspiel des 5. Spieltags steigt im Stadion an der Alten Försterei. Der 1. FC Union empfängt als Tabellenzweiter Spitzenreiter Bayern München. Trainer Urs Fischer ist voller Vorfreude - und fordert vor allem eine Eigenschaft. Von Johannes Mohren

Das Thema der Woche ...

... lässt sich in einen Begriff fassen: Bayern-Jäger. Die Liga schaut - mal wieder - erstaunt nach Köpenick. Es ist das Spitzenspiel, das am 5. Spieltag An der Alten Försterei stattfindet, wenn der Tabellenerste Bayern München beim -zweiten 1. FC Union antritt (Sa., 15:30 Uhr). Etwas unerwartet mag das sein, gänzlich überraschend aber nicht. Es ist vielmehr ein Zeugnis der Arbeit des Teams von Urs Fischer, das in den vergangenen Jahren zuverlässig den nächsten Schritt machte, wenn viele den Scheitel der Entwicklung erreicht sahen.

Lob für den 1. FC Union gibt es dafür vor dem Gipfeltreffen auch von einem, der eher als Polterer bekannter ist. "Sehr sympathisch", sagte Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß anerkennend, "sehr erfolgreich. Mir gefällt das. Die machen einen Super-Job!" Umgarnen lässt sich Union davon - wie gewohnt - nicht. Daran ändern zehn Punkten aus den ersten vier Spielen ebenso wenig wie saisonübergreifend elf ungeschlagene Partien in Folge. Das ist bekanntlich ebenfalls eine Qualität der Berliner. "Es ist eine Momentaufnahme. Wir haben nicht den Spitzenkampf im Kopf", formulierte Fischer seine Absage an die Bayern-Jäger-Ambitionen.

Höhenflug geht weiter

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Der Schweizer denkt in anderen Kategorien. "Wir werden nicht zufrieden sein, sondern wollen in jedem Spiel eine gewisse Entwicklung haben und wollen besser werden", sagte er. Die Anzeichen, dass er selbst auch über sein aktuelles Vertragsende 2023 hinaus Teil dieses Prozesses sein wird, verdichten sich. "Ich kann's mir auch vorstellen", sagte der 56-Jährige in Anspielung auf eine entsprechende Aussage von Union-Geschäftsführer Oliver Ruhnert. "Was ich sagen kann: Wir befinden uns in Gesprächen. Schauen wir mal."

Zum Angeben

Bayern reist mit einer wahrhaft beeindruckenden Spitzenspiel-Serie nach Köpenick. Seit 2015 - und somit ganze 18 Mal in Folge - verloren die Münchner das Duell Tabellenerster gegen -zweiter nicht. 13 Mal bejubelten sie in dieser Zeit drei Punkte, fünf Mal gab es ein Unentschieden. Dass es auch anders geht, zeigte vor mehr als sieben Jahren aber der VfL Wolfsburg. Und wie: Bas Dost und Kevin de Bruyne sicherten den "Wölfen" damals am 18. Spieltag ein deutliches 4:1 gegen den Spitzenreiter. Dabei schenkten sie dem Team von Pep Guardiola in nur einem Spiel so viele Gegentore ein, wie es zuvor in der gesamten Hinrunde kassiert hatte.

Der Gegner

Was es brauche, um gegen Bayern München zu bestehen? Fischer wählte einen Dreiklang - mit drei Mal ein und demselben Wort: "Mut, Mut, viel Mut", sagte der Trainer. Die Liste der gegnerischen Qualitäten, die er kurz darauf aufzählte, war dann auch entsprechend lang. Der Schweizer lobte die Wucht, die der Tabellenführer entfalte, seine wahnsinnige Geschwindigkeit, die Einzelspieler, die Duelle individuell entscheiden könnten - oder kurz und nüchterner zusammengefasst: "Sie spielen das im Moment wirklich sehr gut." Er verspüre "wahnsinnige Vorfreude" auf das Duell mit der "besten Mannschaft in Deutschland, wenn nicht europäisch oder weltweit".

Personal

Bei Union fehlen:

Einer Mannschaft, die viel und gerne den Ball hat. 61,9 Prozent Ballbesitz hatte das Team von Julian Nagelsmann in den ersten vier Spielen und lag damit an der Spitze der Liga. Union hingegen kam nur auf 43,3 Prozent (unterboten nur von Schalke 04). "Es wird wichtig sein, auch im Spiel mit dem Ball mutig zu sein", sagt Fischer deshalb, "wenn du nur dem Ball hinterherläufst, wenn du gegen sie nur verteidigen musst, dann wird das eine Aufgabe, die man fast nicht lösen kann."

So könnte Union spielen

Urs Fischer muss Diogo Leite in der Innenverteidigung ersetzen. Der Neuzugang - bisher in allen vier Spielen über 90 Minuten auf dem Platz - fehlt mit einer Brustkorbprellung. "Es ist nicht allzu schlimm, aber es wird für das Spiel nicht reichen. Ich hoffe, dass er dann in der nächsten Woche wieder ins Training einsteigen kann", sagte Fischer. Viel spricht dafür, dass Paul Jaeckel für ihn in die Startelf rutscht.

Spannend wird die Besetzung der Außenpositionen. Auf Schalke saß Christopher Trimmel nur auf der Bank. Niko Gießelmann kam in die Anfangsformation und der "polyvalente" Julian Ryerson rückte von der linken auf die rechte Seite. Durchaus möglich, dass der Kapitän in der Rotation nun in die erste Elf zurückkehrt. Ryerson dürfte gegen die schnellen Bayern-Stürmer gesetzt sein. Er bewies schon im Derby gegen Herthas Dodi Lukebakio, wie gut er solche Tempo-Spieler ausbremsen kann. Im Mittelfeld ist Andràs Schäfer eine Wechseloption.

Mögliche Startelf: Rönnow - Jaeckel, Knoche, Doekhi - Ryerson, R. Khedira, Trimmel - Haberer, Schäfer (oder Thorsby) - Jordan, Becker

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Die Prognose

Über die Qualität von Bayern München ist - auch in diesem Vorbericht - jede Menge geschrieben worden. Und dennoch ist die These keinesfalls vermessen, dass Union die Spitzenspiel-Serie des deutschen Rekordmeisters am Samstag bricht. Gründe lassen sich dafür vorne wie hinten finden.

So zeigte zum einen zuletzt Borussia Mönchengladbach - wenn auch mit ein bisschen Glück -, dass sich die Offensive des Tabellenführers mit Kompaktheit zwar nie kontrollieren, aber doch ein wenig ausbremsen lässt. Und genau diese Disziplin hat Union noch deutlich besser perfektioniert als Gladbach. Seit der letzten Niederlage kassierte der 1. FC Union in elf Spielen nur neun (!) Gegentore. Übrigens zwei weniger als Bayern im selben Zeitraum, die zudem in dieser Phase fünf Punkte weniger holten.

Zum anderen scheint die Offensive des 1. FC Union wie gemacht für das Duell. Sheraldo Becker und Jordan (Er hat bei der Deutschen Fußball-Liga den Wunsch hinterlegt, auf die Nennung des Nachnamens Siebatcheu zu verzichten, Anm. d. Red.) ist aktuell das quantitativ beste der Liga. Gerade der 36-km/h-schnelle Becker dürfte - einmal mit einem der risikoreichen Pässe klug in die Tiefe geschickt - auch von der Bayern-Abwehr schwer zu halten sein. Zumal die Köpenicker wie kein anderes Team das können, was es gegen die Münchner braucht: Aus wenigen Chancen viel machen. Auf Schalke erzielten sie sechs Tore, obwohl der - statistisch ermittelte - Wert der "Expected Goals" (erwartete Tore) gerade einmal bei 1,6 lag.

Der rbb|24-Tipp: Union Berlin bejubelt einen 2:1-Heimsieg.

Sendung: rbb24, 01.09.2022, 18 Uhr

Beitrag von Johannes Mohren

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