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Audio: Antenne Brandenburg |19.12.2019 | Quelle: dpa - Bildfunk

Interview | Forstexperte zu Weihnachtsbäumen

"Das ist ein bedenklicher Cocktail, der da aufgetragen wird"

Auch in diesem Jahr werden wohl wieder mehr als 20 Millionen Weihnachtsbäume verkauft. Umweltexperte Pierre Ibisch sieht das kritisch, denn Weihnachtsbäume werden mit Giften gespritzt und wachsen auf Flächen, auf denen richtiger Wald stehen könnte.

rbb: Herr Ibisch, so kurz vor den Festtagen strömen die Menschen zu den Baumhändlern und Baumärkten, wo von Großanbietern mehr als 70 Prozent der Bäume abgesetzt werden. Wo stammen unsere Weihnachtsbäume für das Wohnzimmer denn her?

Pierre Ibisch: Die üblichen Bäume werden vor allem auf Plantagen, in darauf spezialisierten Betrieben, oder nebenher von Förstern angebaut. Überwiegend sind es Baumarten, die nicht in Deutschland heimisch sind, wie beispielsweise die beliebte Nordmanntanne. Sie werden aber meistens hier produziert und wachsen vor dem Verkauf zwischen zehn bis 15 Jahre. In vielen Betrieben herrscht noch ein konventioneller Anbau. Also müssen wir uns klar machen, dass Weihnachtsbäume im Grunde wie ein landwirtschaftliches Produkt gezüchtet werden.

Zur Person

Pierre Leonhard Ibisch ist Biologe und Professor für "Nature Conservation" an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNE).

Die wenigstens Bäume stammen also direkt aus einem richtigen Wald, sondern von großen Plantagen. Sind diese Bäume gesundheitlich unbedenklich? Oder was holen sich Käufer mit den Bäumen ins Haus?

Was für Plantagenbesitzer angeboten wird sind Mittel, die gegen Schädlinge und Krankheiten helfen sollen. Das ist teilweise schon ein bedenklicher Cocktail, der da aufgetragen wird und auch nachweisbar ist. Das sind Stoffe wie Glyphosat, Lambda Cyhalothrin oder "Karate Forst flüssig", die dafür sorgen sollen, dass die Bäume makellos bleiben.

Wir müssen realistisch sein, dass wir diesen Mitteln auch über unsere Nahrungsmittel oder in der Umwelt fast täglich ausgesetzt sind. Da wird der Weihnachtsbaum, der wenige Tage im Wohnzimmer steht, keinen großen Ausschlag geben. Allerdings sind das alles Stoffe, die in der Natur im Wasser oder im Boden landen, dort jedoch nichts zu suchen haben. Das belastet ebenfalls die Insektenwelt. Und das alles nur, damit wir ein paar Wochen im Jahr einen Weihnachtsbaum genießen können.

Neben echten Bäumen gibt es ja dann auch noch Alternativen, wie die Plastiktanne oder Weihnachtsbäume im Blumentopf zum Wiederauspflanzen: Wie stehen Sie zu den Alternativen?

Plastikbäume sind energetisch sehr ungünstig. Dies gilt sowohl für die Herstellung, wie die Entsorgung als Plastikmüll. Das ist als Alternative ohne Relevanz. Die Bäume im Topf, die man ins Wohnzimmer stellt, um sie danach auszupflanzen, sind eine Möglichkeit. Allerdings wird sie nicht jeder auspflanzen können. Die Bäume wachsen auch nicht immer an. Es gibt jedoch weitere Alternativen, die kreativ sind. Es gibt zum Beispiel mittlerweile Bäume aus Holz zum Zusammenstecken und schmücken, die immer wieder verwendet werden können.

Trotz der Alternativen müssen wir uns überlegen, wie diese wunderbare Tradition mit den Weihnachtsbäumen auch weiterentwickelt werden kann. Das wäre wichtig, denn mich macht Zusehens der Flächenverbrauch besorgt. Wir haben diese knappe Ressource Boden und müssen uns gut überlegen, was wir damit anfangen. Da wo eine Weihnachtsbaum-Plantage wächst, könnte auch ein Wald entstehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Frank Schmid von rbbKulturradio.

Sendung: Antenne Brandenburg, 19.12.2019, 14:15 Uhr

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