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Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 13.08.2022 | Steffi Lemke im Interview | Quelle: imago images

Umweltkatastrophe in der Oder

Suche nach Ursache für Fischsterben geht weiter - Polen schließt Quecksilber-Theorie aus

Nach dem massenhaften Fischsterben in der Oder wird weiter nach der Ursache gesucht. Polen glaubt nicht an Quecksilber als Auslöser. In Mecklenburg-Vorpommern wurden laut Umweltministerium bisher noch keine Kadaver gesichtet.

Hinweis: Das in rbb24 Brandenburg aktuell angekündigte Interview mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke ist per obigem Playbutton abrufbar.

Das Umweltministerium in Mecklenburg-Vorpommern hat bislang noch keine Informationen darüber, dass tote Fische im deutschen Teil des Stettiner Haffs entdeckt wurden. Darüber berichtete am Sonntag der NDR.

Am Samstag hatte ein rbb-Reporter von Helfern, die an der Oder Fischkadaver eingesammelt haben, erfahren, dass auch im Stettiner Haff Kadaver entdeckt worden seien.

Wie der NDR am Sonntag unter Berufung auf das Ministerium schreibt, hätten weder die Wasserschutzpolizei noch Anwohner etwas Derartiges gemeldet. Allerdings gehe Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Bachkhaus (SPD) davon aus, dass zeitnah Kadaver im vorpommerschen Teil des Stettiner Haffs entdeckt werden könnten.

Hunderte Helfer sammeln Fischkadaver ein

Im Osten Brandenburgs sind hunderte Helfer damit beschäftigt, tote Tiere einzusammeln. Laut einem Sprecher des Kreises Märkisch-Oderland waren etwa 300 Einsatzkräfte schon am Samstagmorgen vor Ort. Sie seien mit Handschuhen, Gummistiefeln und Wathosen ausgerüstet. Zum Teil kämen auch Boote zum Einsatz.

Es werde damit gerechnet, dass mehrere Tonnen Fisch zusammenkommen werden. Die Helfer würden die Kadaver in Müllsäcke packen, die an mehreren Standorten gesammelt und dann in Container gebracht werden. Die Einsammel-Aktion erstrecke sich über eine Uferlänge von 80 Kilometern.

In der Nähe von Schwedt (Uckermark) sind die Kadaver nach Angaben der Kreisverwaltung in eine Verbrennungsanlage gebracht worden. Die Fische würden in einer vom Landesumweltamt zugelassenen Anlage entsorgt, sagte die Sprecherin der Kreises, Ramona Fischer, am Samstag. Die Verbrennungsanlage sei in Schwedt auf dem Gelände der Raffinerie PCK.

Polen: Quecksilber nicht die Ursache des Fischsterbens

Nach polnischen Angaben ist in der Oder ein hoher Salzgehalt nachgewiesen worden. Das habe die Untersuchung von Proben aus Polen und Deutschland ergeben, teilte Polens Umweltministerin Anna Moskwa am Samstag mit.

Am Samstagabend schloss die Ministerin zudem erhöhte Quecksilberwerte als Ursache für das Fischsterben in der Oder aus. Dies hätten die ersten toxikologischen Untersuchungsergebnisse von Proben toter Fische ergeben, schrieb Moskwa auf Twitter. "Das staatliche Veterinärinstitut hat sieben Arten getestet. Es hat Quecksilber als Ursache für das Fischsterben ausgeschlossen." Man warte nun auf die Ergebnisse von Untersuchungen auf andere Schadstoffe.

Quelle: rbb

Minister Vogel geht von gelösten Salzen aus

Auch Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) nannte große Mengen an gelösten Salzen als eine der Ursachen für die verendeten Fische in der Oder. Neue Laborergebnisse vom Freitag hätten erhöhte Salzfrachten in dem Fluss aufgezeigt, erklärte er am Freitagabend in rbb24 Brandenburg Aktuell. Dies sei "absolut atypisch". Man könne daraus schließen, dass diese ursächlich für den Tod der vielen Fische seien. Diese Ergebnisse seien aber noch nicht abschließend, weitere Ergebnisse werden demnach erwartet.

Ob auch Quecksilberwerte erhöht sein könnten, wie es erste Untersuchungen gezeigt haben, werde weiter überprüft. Vogel betonte, dass Quecksilber als Fischgift langfristig wirke. Nach derzeitigem Erkenntnisstand sei Quecksilber aber nicht in solchen Mengen in die Oder eingebracht worden, dass es hätte Fischsterben auslösen können.

Polen sucht Verantwortliche mit Belohnung von 210.000 Euro

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte am Freitag erklärt, dass wahrscheinlich absichtlich "riesige Mengen chemischer Abfälle" in den Fluss gekippt worden seien. Dadurch sei ein schwerer Umweltschaden entstanden, der erst in mehreren Jahren behoben sein könnte. Die polnischen Behörden haben inzwischen eine Belohnung von umgerechnet 210.000 Euro für Hinweise auf die mutmaßlichen Verursacher ausgelobt.

Bundesumweltministerin: Zusammenarbeit hat nicht funktioniert

Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) machte sich am Samstag in Frankfurt (Oder) ein Bild von der Lage. Sie forderte, aus der Umweltkatastrophe zu lernen und die Oder als Naturraum zu begreifen, der dem Schutz diene. Man sollte nicht versuchen, Flüsse zu Wasserstraßen oder Abwasserkanälen zu machen, sagte sie rbb24 Brandenburg aktuell. Es sei sicher, dass die deutsch-polnische Zusammenarbeit in diesem Fall nicht funktioniert habe. Die deutsche Seite sei viel zu spät informiert worden.

Lemke kündigte eine bessere Zusammenarbeit mit Polen wegen des Fischsterbens an. Das habe sie mit ihrer polnischen Amtskollegin Anna Moskwa besprochen. So solle es eine gemeinsame Expertenbewertung der Situation geben und einen Austausch der Analyseergebnisse. In Brandenburg werden Ergebnisse zum Fischsterben am Montag erwartet.

Für den frühen Sonntagabend war nach Angaben von Lemkes Ministerium ein Treffen in Stettin geplant, an dem neben Lemke und Moskwa auch Polens Infrastrukturminister Andrzej Adamczyk sowie die Umweltminister von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, Axel Vogel (Grüne) und Till Backhaus (SPD), teilnehmen sollten.

Die Bürgermeisterin von Schwedt, Annekathrin Hoppe (SPD), hat das Fischsterben in der Oder als Umweltkatastrophe nie dagewesenen Ausmaßes bezeichnet. Der Nationalpark Unteres Odertal habe große Befürchtungen, dass die Auswirkungen so riesig seien, dass sie sich auch über Jahre hinziehen, sagte Hoppe im rbb24 Inforadio am Samstag. "Für uns ist diese Vergiftungssituation, die sich jetzt in der Oder aufgebaut hat, eine Umweltkatastrophe von noch nie dagewesenem Ausmaß." Auch der Tourismus sowie die Weide- und Fischwirtschaft seien stark beeinträchtigt.

Massives Fischsterben in der Oder

Umweltminister Vogel kritisiert offen polnische Informationspolitik

Noch immer ist die Ursache für das massive Fischsterben in der Oder nicht geklärt. Behörden warnen davor, mit dem Flusswasser in Kontakt zu kommen. Brandenburgs Umweltminister Vogel kritisiert die polnische Informationspolitik. Das rbb Fernsehen sendet um 20:15 Uhr eine Sondersendung zum Fischsterben.

Vogel: keine Hinweise aus Polen

Offiziell habe der Umweltminister nach wie vor keine Informationen von polnischer Seite, dass Chemieabfall in den Fluss gekippt worden sei. Vogel stehe im Kontakt mit dem polnischen Umweltministerium und der Marschallin vom Lebuser Land. "Alle polnischen Behörden zeigen deutlich an, dass sie selber zu wenig wissen, dass sie auf Informationen von uns vertrauen", so der Grünen-Politiker.

Es gebe Hinweise darauf, dass bei Opole, in der Nähe von Wrocław im Süden Polens, Ende Juli Stoffe in die Oder gelangt seien. Allerdings könne keine Aussage darüber getroffen werden, welche Stoffe das genau seien. Außerdem gebe es keine Erkenntnisse darüber, inwieweit sich diese in den Fischen angereichert haben.

Der Nationalpark Unteres Odertal bei Schwedt in der Uckermark wurde vor mehr als 25 Jahre gegründet und gilt als Deutschlands einziger Flussauen-Nationalpark. Das Gebiet an der deutsch-polnischen Grenze hat eine Länge von 50 Kilometern und erstreckt sich über eine Fläche von mehr als 10 000 Hektar. Er zieht sich am westlichen Uferrand der Oder von Hohensaaten im Süden bis Staffelde im Norden. Wasservögel und andere Zugvögel nutzen das Areal als Rastgebiet.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.08.2022, 13:20 Uhr

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