Massenhaftes Fischsterben - Quecksilber in Wasserproben aus Oder nachgewiesen

Fr 12.08.22 | 13:02 Uhr
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Ein verendeter Döbel und andere tote Fische schwimmen in der Oder bei Brieskow-Finkenheerd. (Quelle: dpa/F. Hammerschmidt)
dpa/F. Hammerschmidt
Video: rbb|24 | 11.08.2022 | Material: rbb24 Brandenburg aktuell, rbb24 Spezial | Bild: dpa/F. Hammerschmidt

Das massenhafte Fischsterben beunruhigt seit Tagen die Menschen in Brandenburg an der Grenze zu Polen. Es gibt Hinweise, dass ein hoch toxischer Stoff den Fluss durchläuft. Nach rbb-Informationen wurde in Wasserproben nun Quecksilber festgestellt.

Das rbb Fernsehen sendet um 20:15 Uhr eine Sondersendung zum Fischsterben.

 

Wasserproben aus der Oder haben eine hohe Belastung mit Quecksilber ergeben. Das hat das Brandenburger Landeslabor festgestellt. Die Werte sollen nach rbb-Informationen so hoch sein, dass das Testergebnis nicht darstellbar sei und die Testung wiederholt werden müsste.

Ob das auch die Ursache für den Tod Tausender Fische ist, sei aber noch nicht klar, sagte der Leiter der Umweltverwaltung von Märkisch-Oderland dem rbb am Freitagmorgen. "Seit gestern Abend gibt es die ersten Ergebnisse. Die haben wir zwar noch nicht offiziell, aber es deutet in der Tat doch auf eine massive Belastung mit Quecksilber hin als ein Faktor", sagte der Leiter der Umweltverwaltung im Kreis Märkisch-Oderland, Gregor Beyer, am Freitagmorgen im rbb24 Inforadio. "Ob das der alleinige ist, wissen wir nicht."

Umweltverwaltung verärgert über ausbleibende Warnung aus Polen

Die These, dass zu wenig Sauerstoff die Ursache für das Fischsterben sein könnte, habe die Kreisverwaltung von Anfang an verworfen. "Mittlerweile wissen wir das auch", sagte Beyer. "Wir haben, völlig ungewöhnlich, sogar mehr Sauerstoff in der Oder.

"Über die Herkunft des Quecksilbers oder anderer Giftstoffe werde momentan viel spekuliert, sagte Beyer. "Der ganz ärgerliche Teil dieser Sache ist, dass die Einträge, die offensichtlich aus Richtung Polen kamen, nicht gemeldet wurden über die entsprechenden Warnsysteme, so dass wir erst reagieren konnten, als ein Fischsterben direkt zu beobachten war."

Laut Umweltbundesamt ist Quecksilber für Mensch und Tiere giftig. Da es vom Organismus nicht ausgeschieden werden kann, reichert es sich im Körper an.

30-Zentimeter-Wasserwelle durch die Oder gegangen

Nach Angaben der polnischen Umweltschutzbehörde wurde das Fischsterben wahrscheinlich von einer Wasserverschmutzung durch die Industrie ausgelöst. "Wir wissen durch verschiedene Messungen, die wir sofort erheben konnten, dass eine 30-Zentimeter-Wasserwelle durch die Oder gegangen ist", so Beyer. "Ob das die Welle ist, die auch diese Giftstoffe mitgeführt hat, wissen wir noch nicht hundertprozentig."

Ergebnisse aus Polen werden erst Ende der Woche erwartet: Das Nachbarland wird die Untersuchungsergebnisse aus der Oder frühestens am Sonntag vorlegen können. Bislang habe das Staatliche Forschungsinstitut in Puławy noch keine Fische erhalten, sagte der Leiter Krzysztof Niemczuk am Freitag der Nachrichtenagentur PAP. "Wir warten noch immer und gehen davon aus, dass uns die erste Partie von Fischen für die Untersuchungen heute Abend erreicht."

Spurensuche nach der Ökokatastrophe in Bildern

Umweltministerium: hoch toxischer Stoff durchläuft Oder

Das brandenburgische Umweltministerium hatte am späten Donnerstagnachmittag mitgeteilt, dass ein noch unbekannter, hoch toxischer Stoff die Oder durchlaufe. Erste Analyse-Ergebnisse zeigten übereinstimmend, dass vor einigen Tagen eine starke Welle organischer Substanzen durch Frankfurt an der Oder gegangen sei und sich seitdem flussabwärts fortsetze, aktuell bis Schwedt. Die Auswirkungen auf das Ökosystem ließen auf synthetische chemische Stoffe, sehr wahrscheinlich auch mit toxischer Wirkung für Wirbeltiere schließen.

Die stellvertretende Leiterin der polnischen Umweltschutzbehörde, Magda Gosk, sagte: "Alles deutet darauf hin, dass die Verschmutzung der Oder, die zum Sterben zahlreicher Fische geführt hat, industriellen Ursprungs sein könnte." Die Behörde versuche, mit Drohnenüberflügen potenzielle Verschmutzungsquellen aufzuspüren und festzustellen, wie der Zustand des Flusses sei. Man untersuche, um welche Substanz es sich handele und "vor allem, wer diese Substanz wo in die Oder eingeleitet hat", sagte Gosk weiter.

Polnische Wasserbehörde spricht von zehn Tonnen verendeter Fische

Einen Gesamtüberblick über die Zahl der verendeten Fische in Polen und Deutschland gibt es laut brandenburgischen Behörden bisher nicht. Der Chef der polnischen Wasserbehörde, Przemyslaw Daca, sagte am Donnerstag, Mitarbeiter seiner Behörde, Angler und freiwillige Helfer hätten insgesamt zehn Tonnen verendeter Fische geborgen. "Das zeigt, dass wir es mit einer gigantischen und entsetzlichen Umweltkatastrophe zu tun haben."

Das Fischsterben in der Oder, die derzeit Niedrigwasser führt, beunruhigt seit Tagen die Menschen in Brandenburg an der Grenze zu Polen. Fischermeister Henry Schneider aus dem Kreis Oder-Spree sagte: "Sowas haben wir noch nicht erlebt. Tote Fische sind überall zu sehen. Es sind viele." Die Geschäftsführerin des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Antje von Brook, kritisierte: "Diese ökologische Katastrophe hätte kein solches Ausmaß, wenn deutsche und polnische Behörden intensiver zusammengearbeitet hätten." Eine umfassende politische Aufarbeitung sei nötig.

Kritik an polnische Behörden und Regierung wächst

Auch in Polen wächst derweil die Kritik an einer zu langsamen Reaktion der Behörden und der Regierung auf das Fischsterben. Oppositionsführer Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) sprach von "einem der größten Umweltskandale der vergangenen Jahre – nicht nur in Polen". Auch der Bürgermeister des Ortes Krosno Odrzańskie an der Oder, Marek Cebula (PO), kritisierte am Freitag in der Zeitung "Gazeta Wyborcza" die polnischen Behörden. Deutschland habe nach nur zwei Tagen Nachweise auf Quecksilber als mögliche Ursache des Fischsterbens gefunden. "Polens Regierung weiß dies bis heute nicht, obwohl die Katastrophe bereits zwei Wochen zurückliegt", sagte der Bürgermeister.

Inzwischen hat die polnische Regierung zu der Kritik Stellung genommen und mitgeteilt, dass sie bereits Ende Juli auf Hinweise auf das Fischsterben reagiert habe. Ab dem 26. Juli habe es erste Hinweise gegeben, daraufhin seien Wasserproben entnommen und tote Fische geborgen worden. Ab dem 28. Juli hätten die Proben auf einen ungewöhnlich niedrigen Sauerstoffgehalt des Wassers hingewiesen. Am 4. August sei eine toxische Substanz in Proben aus dem Ort Olawa festgestellt worden. Am 9. August sei bei der Staatsanwaltschaft Anzeige erstattet worden.

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.08.2022, 21 Uhr

93 Kommentare

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  1. 93.

    Könnten Sie vom Stammtisch auch einen Straftatbestand benennen?

  2. 92.

    Sie sind ja ein ganz schlauer!

    Zwischen Drogen und Umweltdelikten besteht jetzt welcher Zusammenhang?

    Aber schon Recht die Grünen wollen ja alles verbieten was dem Stammtisch gefällt, wie zum Beispiel die Entsorgung von Schadstoffen in Flüssen. Unverschämt, wo bleibt die Freiheit.....

  3. 91.

    Ich verstehe die Unfähigkeit des LUA nicht, seit Dienstag gibt es diese Umweltkatastrophe , bisher Stand Freitag war man nicht in der Lage Wssseranalyse fachmännische Auszuwerten und die Ursache zu finden, die Kadaver liegen immer noch rum, hier sollte dringen die Verantwortlichen vor den Staatsanwalt

  4. 90.

    Gab es da nicht mal die Weisheit der Cree- Indianer?

  5. 89.

    Wenn der Woiwode recht behält, dann, Gott sei gedankt, dass die Warthemündung verschont bleibt.

  6. 88.

    Bullshit! Verfolgen Sie den Thread, öffnen Sie den Link oder halten Sie sich raus, wenn sich Erwachsene unterhalten.

  7. 86.

    Hat Ihnen jemand Bier trinken verboten? Dann bestell'ln Se sich een neuet und lassen Se Ihrn Frust am Stammtisch ab!

  8. 85.

    Ist das wieder ein Beispiel für: 'Der Markt regelt alles.'?
    Bloße Gewinnmaximierung, wie sie in 'unserem System' gefeiert wird, schließt vielleicht auch das System der Entsorgung ein...?

  9. 84.

    Echte Sauerei! Man findet einfach keine Worte.
    Unser schönes Odertal mit seinen Biotopen. Die Auswirkungen auf Fauna, Flora und Habitate ist für mich unvorstellbar.
    Achtsamkeit ist beim Umweltschutz noch mehr gefragt und unbedingt notwendig!
    Alte Standorte prüfen, auch PCK u. a. und immer den Word-Case vor Augen haben.
    Erste Schlußfolgerung: Weniger Wachstumsdrang und mehr Verzicht mit Achtsamkeit.

  10. 83.

    Nein, Wildtiere trinken kein Oderwasser. Die gehen alle in die Wildschänke und bestellen ein frisches Helles.

  11. 81.

    Wer auf die Beiträge der polnischen öffentlich-rechtlichen Medien (allen voran TVP) hört, ist nicht ernst zu nehmen. Es ist der Propagandaapparat in den Händen der regierenden PIS-Partei. „Seit der Medienreform der Polnischen Regierung 2016 steht TVP unter der Aufsicht des Rates Nationaler Medien. Intendant ist Jacek Kurski (PiS) (Quelle: wikipedia.de)

  12. 80.

    Dort wird aber auch versucht alles fleißig zu vertuschen.

  13. 79.

    Ganz Schlau...

    "sind die Grünen die einzigen relevanten politischen Akteure sie FÜR Vorschriften und Kontrolle dieser eintreten. Natürlich sind dann die Grünen wieder Schuld"

    Richtig, im Verbieten wollen sind jene ganz Groß. Nur in Berlin sämtliche Drogen erlauben wollen ist die andere grüne Seite, Meister.

    Und nun, die Fische sind tot, der Fluss vergiftet - da hilft jetzt ein Verbot oder was? Und vor allem wollen die Grünen denn auch noch in Polen die Aufsicht führen? Jetzt wird es albern.

    Die Polen machen häufig Nägel mit Köppen - das ist gut so. Nur in diesem Fall - gar nicht.

  14. 78.

    Das ist nur die Spitze des Eisbergs: "Nach Schätzung der Polizeibehörde Europol wird beim illegalen Handel mit normalem Müll europaweit pro Jahr "bis zu zehn Milliarden Euro Gewinn gemacht", so Pressesprecher Jan Op Gen Oorth."

    https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/Deutscher-Muell-auf-illegalen-Deponien-in-Polen,muell932.html

  15. 77.

    Ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu. Man darf aber nicht alles auf die Politik schieben. Parteien können ja nur etwas bewirken, wenn sie eine entsprechende große aktive Bürgerbewegung hinter sich wissen. Die sehe ich inzwischen eher im Widerstand GEGEN Windkrafträder in ihrer Nähe etc. Und das Geschrei, nur weil jetzt ein paar Gebäude um Mitternacht (!) nicht mehr angestrahlt werden...

  16. 76.

    Ja richtig, sie löschen mit so einer Giftstoffeinleitung ganze Biotope aus. Die Strafen für solche Umweltverbrechen können nicht hoch genug sein, egal ob nun fahrlässig (Einsparung an Sicherheitsmaßnahmen) oder gar mit Vorsatz (billiges Entsorgen) gehandelt wurde.

  17. 75.

    Der Gedanke ist mir auch gekommen - keine Natur mehr, keine Hindernisse mehr für Atomkraftwerk und Schifffahrtskanal.
    Das von polnischer Seite ordentlich was vertuscht wird, ist ja offensichtlich. Ich finde es bedauerlich, dass Herr Woidke
    dazu offenbar keine Meinung hat. Ist er nicht sogar Polenkoordinator des Bundes? Na dann!

  18. 74.

    Ich denke an die Nahrungskette. Tote oder fast tote Fische werden von Vögeln gefressen, die Oder überschwemmt auch Flachgebiete, wo Störche und andere Tiere ihre Nahrung finden. Saufen Wildtiere das Wasser?

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