Umweltkatastrophe in der Oder - Suche nach Ursache für Fischsterben geht weiter - Polen schließt Quecksilber-Theorie aus

So 14.08.22 | 14:11 Uhr
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Archivbild: Stettiner Haff, Anklamer Stadtbruch am 07.08.2015. (Quelle: imago images)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 13.08.2022 | Steffi Lemke im Interview | Bild: imago images

Nach dem massenhaften Fischsterben in der Oder wird weiter nach der Ursache gesucht. Polen glaubt nicht an Quecksilber als Auslöser. In Mecklenburg-Vorpommern wurden laut Umweltministerium bisher noch keine Kadaver gesichtet.

Hinweis: Das in rbb24 Brandenburg aktuell angekündigte Interview mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke ist per obigem Playbutton abrufbar.

Das Umweltministerium in Mecklenburg-Vorpommern hat bislang noch keine Informationen darüber, dass tote Fische im deutschen Teil des Stettiner Haffs entdeckt wurden. Darüber berichtete am Sonntag der NDR.

Am Samstag hatte ein rbb-Reporter von Helfern, die an der Oder Fischkadaver eingesammelt haben, erfahren, dass auch im Stettiner Haff Kadaver entdeckt worden seien.

Wie der NDR am Sonntag unter Berufung auf das Ministerium schreibt, hätten weder die Wasserschutzpolizei noch Anwohner etwas Derartiges gemeldet. Allerdings gehe Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Bachkhaus (SPD) davon aus, dass zeitnah Kadaver im vorpommerschen Teil des Stettiner Haffs entdeckt werden könnten.

Hunderte Helfer sammeln Fischkadaver ein

Im Osten Brandenburgs sind hunderte Helfer damit beschäftigt, tote Tiere einzusammeln. Laut einem Sprecher des Kreises Märkisch-Oderland waren etwa 300 Einsatzkräfte schon am Samstagmorgen vor Ort. Sie seien mit Handschuhen, Gummistiefeln und Wathosen ausgerüstet. Zum Teil kämen auch Boote zum Einsatz.

Es werde damit gerechnet, dass mehrere Tonnen Fisch zusammenkommen werden. Die Helfer würden die Kadaver in Müllsäcke packen, die an mehreren Standorten gesammelt und dann in Container gebracht werden. Die Einsammel-Aktion erstrecke sich über eine Uferlänge von 80 Kilometern.

Spurensuche nach der Ökokatastrophe in Bildern

In der Nähe von Schwedt (Uckermark) sind die Kadaver nach Angaben der Kreisverwaltung in eine Verbrennungsanlage gebracht worden. Die Fische würden in einer vom Landesumweltamt zugelassenen Anlage entsorgt, sagte die Sprecherin der Kreises, Ramona Fischer, am Samstag. Die Verbrennungsanlage sei in Schwedt auf dem Gelände der Raffinerie PCK.

Polen: Quecksilber nicht die Ursache des Fischsterbens

Nach polnischen Angaben ist in der Oder ein hoher Salzgehalt nachgewiesen worden. Das habe die Untersuchung von Proben aus Polen und Deutschland ergeben, teilte Polens Umweltministerin Anna Moskwa am Samstag mit.

Am Samstagabend schloss die Ministerin zudem erhöhte Quecksilberwerte als Ursache für das Fischsterben in der Oder aus. Dies hätten die ersten toxikologischen Untersuchungsergebnisse von Proben toter Fische ergeben, schrieb Moskwa auf Twitter. "Das staatliche Veterinärinstitut hat sieben Arten getestet. Es hat Quecksilber als Ursache für das Fischsterben ausgeschlossen." Man warte nun auf die Ergebnisse von Untersuchungen auf andere Schadstoffe.

Karte zu dem Fischsterben in der Oder und der Warnung vor Wassernutzung.(Quelle:rbb)
| Bild: rbb

Minister Vogel geht von gelösten Salzen aus

Auch Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Grüne) nannte große Mengen an gelösten Salzen als eine der Ursachen für die verendeten Fische in der Oder. Neue Laborergebnisse vom Freitag hätten erhöhte Salzfrachten in dem Fluss aufgezeigt, erklärte er am Freitagabend in rbb24 Brandenburg Aktuell. Dies sei "absolut atypisch". Man könne daraus schließen, dass diese ursächlich für den Tod der vielen Fische seien. Diese Ergebnisse seien aber noch nicht abschließend, weitere Ergebnisse werden demnach erwartet.

Ob auch Quecksilberwerte erhöht sein könnten, wie es erste Untersuchungen gezeigt haben, werde weiter überprüft. Vogel betonte, dass Quecksilber als Fischgift langfristig wirke. Nach derzeitigem Erkenntnisstand sei Quecksilber aber nicht in solchen Mengen in die Oder eingebracht worden, dass es hätte Fischsterben auslösen können.

Polen sucht Verantwortliche mit Belohnung von 210.000 Euro

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte am Freitag erklärt, dass wahrscheinlich absichtlich "riesige Mengen chemischer Abfälle" in den Fluss gekippt worden seien. Dadurch sei ein schwerer Umweltschaden entstanden, der erst in mehreren Jahren behoben sein könnte. Die polnischen Behörden haben inzwischen eine Belohnung von umgerechnet 210.000 Euro für Hinweise auf die mutmaßlichen Verursacher ausgelobt.

Bundesumweltministerin: Zusammenarbeit hat nicht funktioniert

Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) machte sich am Samstag in Frankfurt (Oder) ein Bild von der Lage. Sie forderte, aus der Umweltkatastrophe zu lernen und die Oder als Naturraum zu begreifen, der dem Schutz diene. Man sollte nicht versuchen, Flüsse zu Wasserstraßen oder Abwasserkanälen zu machen, sagte sie rbb24 Brandenburg aktuell. Es sei sicher, dass die deutsch-polnische Zusammenarbeit in diesem Fall nicht funktioniert habe. Die deutsche Seite sei viel zu spät informiert worden.

Lemke kündigte eine bessere Zusammenarbeit mit Polen wegen des Fischsterbens an. Das habe sie mit ihrer polnischen Amtskollegin Anna Moskwa besprochen. So solle es eine gemeinsame Expertenbewertung der Situation geben und einen Austausch der Analyseergebnisse. In Brandenburg werden Ergebnisse zum Fischsterben am Montag erwartet.

Für den frühen Sonntagabend war nach Angaben von Lemkes Ministerium ein Treffen in Stettin geplant, an dem neben Lemke und Moskwa auch Polens Infrastrukturminister Andrzej Adamczyk sowie die Umweltminister von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, Axel Vogel (Grüne) und Till Backhaus (SPD), teilnehmen sollten.

Die Bürgermeisterin von Schwedt, Annekathrin Hoppe (SPD), hat das Fischsterben in der Oder als Umweltkatastrophe nie dagewesenen Ausmaßes bezeichnet. Der Nationalpark Unteres Odertal habe große Befürchtungen, dass die Auswirkungen so riesig seien, dass sie sich auch über Jahre hinziehen, sagte Hoppe im rbb24 Inforadio am Samstag. "Für uns ist diese Vergiftungssituation, die sich jetzt in der Oder aufgebaut hat, eine Umweltkatastrophe von noch nie dagewesenem Ausmaß." Auch der Tourismus sowie die Weide- und Fischwirtschaft seien stark beeinträchtigt.

Vogel: keine Hinweise aus Polen

Offiziell habe der Umweltminister nach wie vor keine Informationen von polnischer Seite, dass Chemieabfall in den Fluss gekippt worden sei. Vogel stehe im Kontakt mit dem polnischen Umweltministerium und der Marschallin vom Lebuser Land. "Alle polnischen Behörden zeigen deutlich an, dass sie selber zu wenig wissen, dass sie auf Informationen von uns vertrauen", so der Grünen-Politiker.

Es gebe Hinweise darauf, dass bei Opole, in der Nähe von Wrocław im Süden Polens, Ende Juli Stoffe in die Oder gelangt seien. Allerdings könne keine Aussage darüber getroffen werden, welche Stoffe das genau seien. Außerdem gebe es keine Erkenntnisse darüber, inwieweit sich diese in den Fischen angereichert haben.

Der Nationalpark Unteres Odertal bei Schwedt in der Uckermark wurde vor mehr als 25 Jahre gegründet und gilt als Deutschlands einziger Flussauen-Nationalpark. Das Gebiet an der deutsch-polnischen Grenze hat eine Länge von 50 Kilometern und erstreckt sich über eine Fläche von mehr als 10 000 Hektar. Er zieht sich am westlichen Uferrand der Oder von Hohensaaten im Süden bis Staffelde im Norden. Wasservögel und andere Zugvögel nutzen das Areal als Rastgebiet.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.08.2022, 13:20 Uhr

90 Kommentare

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  1. 90.

    Also wenn der Horizont nicht über die Elbe hinausgeht, hier mal eine Suchaufgabe für sie
    "fischsterben sauerstoffmangel europa" oder Lokal ".... deutschland"
    Den Denksport überlasse ich Ihnen.

  2. 88.

    Und dann noch die reichen Vorkommen von reinem Lithium. Die Teewurst vom Brandenburger ist lecker, die Aussagen oft Kappes. Dabei war das schon in der Mittelstufe ein spannendes Chemie-Experiment.
    https://youtu.be/7_S2KA6Rs3k

  3. 86.

    Südamerika, nicht Südafrika! Dabei wird zudem die Kinderarbeit beim Co-Bergbau im Kongo angeführt, was aber die Handynutzer wenig ebenso wenig stört wie die Verbrennerfahrer, die mehr Co unter der Haube haben wie so mancher Tesla-Fahrer.

  4. 85.

    Sie vergessen einen Faktor: die Wassertemperatur und davon abhängig ist der maximale Sauerstoffgehalt. Zudem bei Niedrigwasser ist die „Belüftung“ durch Strömung minimal. Bei der Selbstreinigung die Sie erwähnen wird ebenfalls Sauerstoff bei den Abbauprozessen verbraucht!

  5. 83.

    Nach dem reinen Lithium in Südafrika wird es jetzt ja noch abenteuerlicher: "Unklar ist allerdings, ob LG Chem in Polen tatsächlich die komplette Batterie inklusive der Zelle produziert oder einzelne Teile aus der Heimat importiert. " findet man in Ihrer Quelle.

  6. 82.

    Die Batteriefabrik bei Breslau hat den Anspruch, selbst die Batterien herzustellen, nicht aus importierten Einzelteilen etwas zusammenzubauen. Link: https://www.elektroauto-news.net/2017/lg-baut-europas-groesste-batteriefabrik-elektroautos

  7. 81.

    Wenn man "hochgiftig" nicht von ätzend unterscheiden kann^^

    Und bezüglich der Elbe:
    Die Denksportaufgabe, warum die Flussmündung der Elbe, insbesondere im Bereich des Hafens unter Sauerstoffmangel leidet überlasse ich Ihnen. Sie schaffen das, kleiner Tipp: ein wie naturnahen "Fluss" ist der Hamburger Hafen?

  8. 80.

    Aber das ist doch kein Widerspruch. Die Fließgeschwindigkeit nimmt ja durch die künstliche Elbvertiefung ab und zudem sinkt das gelöste O2 bei steigender Temperatur. Soweit ist das Fischsterben in der Hamburger Elbe erklärbar im Gegensatz zur Oder, hier ist bei ähnlichen natürlichen Randbedingungen die O2 Lösung viel zu hoch und das beißt sich auch mit der gegenkoppelten gemessenen hohen Salzkonzentration und spricht eher für unnatürliche Oxydation.

  9. 78.

    Was Sie hier wieder besseres Wissen machen ist strafbar. Sie verleumden und das hat Konsequenzen auf für ihre Unterstützung.

  10. 77.

    Selbstverständlich ist Lithium in reiner Form giftig.
    Es gibt Beispiele, wo Kinder, die dort arbeiten mußten, schwer erkrankt sind.
    Das darf aber nicht in die Öffentlichkeit kommen, ihrer Meinung nach, da das schädlich für Tesla wäre.
    Wenn sich der Verdacht eines Zusammenhang zur Oder bestätigt wird das auch für ihre Bude Konsequenzen haben.
    Dann sollten sie sich einen anderen Job suchen.
    Aber sehen sie es positiv. Sie brauchen dann hier Sonntags nicht mehr arbeiten.

  11. 76.

    Durch Dresden plätschert doch die Elbe. Hab' da was für sie:
    https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Zu-wenig-Sauerstoff-in-der-Elbe-Groesstes-Fischsterben-seit-langem,fischsterben376.html

  12. 75.

    Hab' mal gegoogelt. Also gesund ist das Zeug nicht und umwelttechnisch
    "Metallisches Lithium reagiert mit Stickstoff, Sauerstoff und Wasserdampf bei Anwesenheit von Luft. Infolgedessen bildet sich auf der Lithiumoberfläche eine Oxidschicht, es entsteht das Hydroxid (LiOH), Lithium Karbonat (Li2CO3) und Lithiumnitrid (Li3N). Lithiumhydroxid stellt eine mögliche, bedeutsame Gefahr dar, weil es extrem ätzend ist. Spezielle Aufmerksamkeit sollte den Wasserorganismen gegeben werden."
    https://www.lenntech.de/pse/elemente/li.htm
    War übrigens gleich der erste Treffer.

  13. 74.

    Welche Chemieabfälle darf die Industrie denn in Gewässer einleiten? Wäre mir jedenfalls neu.
    Aber ich denke sie wissen schon, wie ich das meinte, mit der regelmäßigen „Spülung“ in den allseits beliebten großen Verdünner „Mare Balticum“.

  14. 73.

    Lithium hochgiftig? Oh man...

    Sind wohl alternative Fakten von ihnen als alternativen "Experten".

    Google ist ihr Freund, dann machen Sie sich nicht mehr lächerlich

  15. 72.

    Sie sollten mal "Selbstreinigung eines Fließgewässers" googeln.

    Flüsse haben eher nicht Probleme mit dem Sauerstoffgehalt, weil die permanent umgewälzt werden durch die Strömung. Ihr Teich ist damit nicht vergleichbar bzw. Muss eben künstlich umgewälzt/belüftet werden.

    Von einem so eifrigen ZNS Schreiber würde ich die Unterscheidung stehendes Gewässer und Fließgewässer eigentlich voraussetzen. Bio 7 oder. 8 Klasse...

  16. 71.

    Egal, wodurch das Fischsterben in der Oder ausgelöst, wurde. Es muss lückenlos aufgeklärt werden. Umwelt
    Unfälle dieser Art fallen nicht vom Himmel. Vertuschen wäre die schlechteste Option. Die Verursacher müssen ermittelt und zur Verantwortung gezogen werden.

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