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Video: Brandenburg Aktuell | 11.10.2019 | Agata Horbacz | Quelle: rbb/Philip Barnstorf

Parlamentswahl in Polen

Was denken Polen in Brandenburg über die Wahl?

Nationalismus, europäische Integration, Sozialreformen: Große Themen bestimmen die Wahl am Sonntag in Polen. Auch viele Brandenburger Polen werden ihre Stimme abgeben. Philip Barnstorf hat mit einigen von ihnen gesprochen.

In Polen ist am Sonntag Parlamentswahl. Seit 2015 regiert dort die rechtskonservative Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS). Auch diesmal liegt sie in Umfragen vorn. Manche trauen ihr sogar die absolute Mehrheit zu. Ob die PiS weiter alleine regieren kann, darüber entscheiden auch die in Brandenburg und Berlin lebenden Polen. Mehr als 10.000 von ihnen haben sich für die Wahl registrieren lassen - mehr als doppelt so viele wie noch bei der Europawahl. 

Adreanna Rosa | Quelle: rbb/Philip Barnstorf

Kulturaustausch gegen Nationalismus?

Adrianna Rosa stammt ursprünglich aus Koszalin an der polnischen Ostseeküste und studiert an der Frankfurter Universität Viadrina Kulturwissenschaft. Neben dem Studium organisiert sie grenzübergreifende Kulturveranstaltungen wie das Unithea-Theaterfestival. "Viele deutsch-polnische Projekte, wie zum Beispiel Jugendbegegnungen, können nicht mehr stattfinden, weil regionale Vertreter der PiS-Regierung sie nicht unterstützen", sagt die 24-Jährige. Auch kritisiert sie Zensur in der Stückeauswahl an polnischen Theatern. "Auf keinen Fall PiS", sagt Rosa deshalb zu ihrer Wahl, die sie am Sonntag in der polnischen Botschaft in Berlin treffen wird.

Gregor Wiczorek | Quelle: rbb/Philip Barnstorf

Liberale Versäumnisse

Auch Gregor Wiczorek ist kein Freund der Rechtskonservativen in seinem Herkunftsland Polen. Aber der Cottbuser Journalist findet auch Gutes an der mächtigen Regierungspartei. Die hatte 2016 das sogenannte 500 plus Kindergeld eingeführt. Seitdem erhalten Familien mit geringem Einkommen gut 100 Euro pro Monat für jedes Kind. Wohlhabendere Familien erhalten die Leistung ab dem zweiten Kind. "Die Liberalen haben immer gesagt, dass Polen sich sowas nicht leisten könne. Und plötzlich geht das doch. Da hat einfach der politische Wille gefehlt", kritisiert der 45-Jährige, der schon als Jugendlicher nach Deutschland gekommen ist.  

Kulturkampf und Spaltung

Wieczorek stört sich stattdessen an der spaltenden Politik der PiS, etwa wenn deren Vertreter politische Gegner als "Volksverräter" diffamieren. "Da sind schon solche Feindbilder entstanden, dass Politik mit Sachverstand und weniger Emotion schwierig ist", sagt der Journalist. Diesen "Kulturkampf" spürt er sogar unter einigen seiner Verwandten, die in Polen leben. "Die sind genauso polarisiert wie der Rest der Gesellschaft." Er versuche, politische Themen zu vermeiden, wenn er dort sei. Wieczorek hat zwar noch die polnische Staatsbürgerschaft aber am Sonntag wird er dennoch zuhause bleiben. "Mein Lebensmittelpunkt ist in Deutschland. Und Leute, die nicht mehr in Polen leben, sollen sich da nicht einmischen", sagt Wieczorek.    

Einseitige Medien

Natalia Majchrzak denkt da anders. Die Frankfurterin hat sich extra in Slubice registrieren lassen, damit ihr Weg zur Urne nicht weit ist. Ihrer Meinung nach steht viel auf dem Spiel. "Bei dem was mit dem Verfassungsgericht passiert, befürchte ich, dass die Demokratie in Polen gefährdet ist", sagt sie. Für die allein erziehende Mutter sind aber auch die PiS-freundlichen Medien schuld. "Mich ärgert, dass die öffentlichen Medien, vor allem die Nachrichten, sehr einseitig berichten", erzählt Majchrzak, die sich beim Kooperationszentrum Frankfurt Slubice um grenzübergreifende Sprachkurse kümmert. Die Bildungsexpertin rechnet zwar mit einem Sieg der PiS, sagt aber auch: "Bei vielen meiner polnischen Bekannten und Verwandten in Berlin und Brandenburg wächst das Bewusstsein für die Probleme in Polen."

Beitrag von Philip Barnstorf

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