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Quelle: dpa/M. Kuehn

Streit um Oder-Ausbaupläne

Neue Staustufen in Polen verlagern Probleme weiter stromabwärts

Polen plant neue Staustufen für die Oder – ein umstrittenes Projekt, das unter anderem Umweltschützer kritisieren. Doch auch ohne die neuen Staustufen hätte der Fluss ein Problem. Von Fred Pilarski

Polen will die Oder ausbauen – viel stärker als dies bislang mit Deutschland verabredet wurde. Aus polnischen Unterlagen geht hervor, dass allein im Bereich der Grenzoder neun Staustufen geplant sind.

Umweltschützer kritisieren die Vorhaben. "Die Oder würde sich in eine Kette von Stauseen verwandeln, die Vielfalt der Lebensräume und Arten verlorengehen", sagt Sascha Maier, Gewässerreferent beim Bund für Umwelt- und Naturschutz. Fäulnisprozesse in den neu angestauten Flächen könnten zunächst zu einem klimaschädlichen Methanausstoß führen.

Andreas Schmidt von der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) in Karlsruhe hält einen Komplett-Ausbau der Oder, wie ihn Polen plant, nur theoretisch für machbar. "Da ist technisch nichts illusorisch dran", sagt er dem rbb. Solche Flussregulierungen würden jedoch etliche Milliarden kosten und seien wegen erheblicher Eingriffe in die Ökosysteme nicht mehr zeitgemäß.

Erosionsschäden hinter der letzten Staustufe

Doch ohne neue Staustufen gäbe es ein anderes Problem, wie man an der neuesten Staustufe der Oder in Malczyce, unterhalb von Breslau (Wroclaw) besichtigen kann. Die Fluss-Sperre lässt die Oder dort an die 400 Meter breit werden und erzeugt eine etwa viereinhalb Meter große Höhenstufe.

Nötig geworden sei der Bau durch Erosionsschäden, die von der nächsten stromauf liegenden Staustufe in Brzeg Dolny ausgegangen waren, erklärt Marian Szpak, Betriebsleiter in Malczyce. Die Oder hatte sich hinter der Staustufe mehrere Meter tief in ihr Bett gegraben. Der Flussquerschnitt war eingeengt, der Grundwasserspiegel in der Umgebung deutlich gesunken.

Das Problem verlagere sich stromabwärts

Frei fließende Flüsse schieben Sand und Geröll vor sich her. Bei stauregulierten Flüssen bleibt das Material in den Staustufen hängen, auf dieses Problem weist Szpak hin. Bekommen sie hinter der letzten Staustufe ihr natürliches Gefälle zurück, müssen aber die Last von Sand und Geröll nicht mitschleppen, graben sie sich tiefer ein. Die Probleme verlagern sich mit dem Bau jeder neuen Staustufe also immer weiter stromabwärts.

Für Wasserbauer wie Marian Szpak hieße die Konsequenz daraus, immer weiter zu bauen. Die Staustufen-Kaskade – einst von preußischen Wasserbauern am Oberlauf begonnen – müsste demnach die gesamte Oder bis zur Ostseemündung erfassen.

Erfahrungen vom Rhein

Das deckt sich mit den polnischen Regierungsplänen zum Komplett-Ausbau der Oder. Diese sind wiederum Teil einer noch größeren Vision: Der einer Donau-Oder-Elbe-Verbindung, die auch von Tschechien gefördert wird.

Was aber wäre die Alternative zum fortwährenden Staustufenbau? Der Rhein hat hinter der letzten Staustufe Iffezheim ein ähnliches Problem. Dort lässt die Bundeswasserstraßenverwaltung seit 1978 jedes Jahr Hunderttausende Tonnen Kies in den Fluss kippen, um die Erosion auszugleichen. Eine teure Lösung, die für die Oder technisch kaum übertragbar scheint. Dort ist das Flussbett nicht aus grobem Kies, sondern eher aus Sand. Der wäre dann buchstäblich wie gewonnen, so zerronnen. Langfristig stelle sich die Frage, so BUND-Experte Sascha Maier, ob ein Rückbau der Staustufen am Oberlauf nicht sinnvoller wäre.

Sendung: Antenne Brandenburg, 16.11.2021, 15 Uhr

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