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Audio: rbb24 inforadio | 04.04.2022 | Saskia Ludwig | Quelle: Patrick Pleul/dpa

Hauptstadtregion hängt am Schwedter Sprittropf

Habeck übernimmt Kontrolle bei Gazprom - Was wird mit dem PCK?

In einem bislang einmaligen Rechtsakt hat Deutschland die Kontrolle über ein großes Unternehmen übernommen. Bei Gazprom Germania hat nun die Bundesnetzagentur das Sagen. Verstaatlich Habeck jetzt das PCK Schwedt? Von Georg-Stefan Russew

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will die Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energieimporten verringern - und nimmt dabei auch die betreffende Infrastruktur ins Visier. Der Grünen-Politiker sagte am Montag in Berlin, Deutschland sei in den vergangenen vier Wochen "überraschend" gut vorangekommen. "Im nächsten Schritt ist - gerade in Bezug auf Öl - die Willkür und die Abhängigkeit von russischer Beeinflussung der Infrastruktur zu lösen und zu überwinden." Daran arbeite man mit Hochdruck.

Erster Schritt war am Montagnachmittag, dass Habeck die Kontrolle über Gazprom Germania übernahm, indem er die Bundesnetzagentur als Treuhänderin einsetzte. Dies diene dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit. "Der Schritt ist zwingend notwendig", so Habeck. Eine entsprechende Anordnung soll noch am Montag im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. Hintergrund der Entscheidung zu Gazprom sind demnach unklare Rechtsverhältnisse sowie der Verstoß gegen die Meldepflicht im Rahmen der Außenwirtschaftsverordnung.

Verstaatlichung als Gedankenspiel

Was das konkret für die PCK-Raffinerie in Schwedt (Uckermark) bedeutet, sagte Habeck nicht. Noch immer soll die Raffinerie fast vollständig vom russischen Ölmulti Rosneft übernommen werden. Bis dato hält das Unternehmen knapp 54 Prozent der PCK-Anteile. Weil sich der britisch-niederländische Mineralölkonzern Shell aus Schwedt zurückziehen will und Rosneft ein Vorkaufsrecht besitzt, wollen die Russen ihren Unternehmensanteil auf mehr als 90 Prozent ausbauen. Das Wirtschaftsministerium überprüft aktuell diesen Deal.

Allerdings spielt die Bundesregierung einem Medienbericht zufolge mit dem Gedanken, deutsche Töchter russischer Staatskonzerne zu verstaatlichen [handelsblatt.de]. Laut Habeck sei Rosnefts PCK-Geschäftsmodell, russisches Öl günstig zu bekommen und zu raffinieren. "Und deswegen müssen wir diese Frage lösen, wenn wir auch dieses letzte Drittel der Öl-Unabhängigkeit von Russland hinbekommen wollen", sagte Habeck. "Aus meiner Sicht ist das die politische Aufgabe."

Rückenwind aus Brandenburg

Für die Brandenburger CDU sei eine Enteignung Rosnefts ein denkbarer Weg. Die energiepolitische Sprecherin der Landtagsfraktion Saskia Ludwig sprach sich für eine Verstaatlichung der PCK-Raffinerie aus. "Putin hat angekündigt, bestimmte Unternehmen in Russland verstaatlichen zu wollen. Insofern kann ich der Idee von Herrn Habeck [...] tatsächlich etwas abgewinnen", so Ludwig.

Die Frage für sie sei aber, wie die Versorgung gesichert werden kann. "Also wir haben starke Industrien. Dazu gehört das PCK. Wenn die nicht mehr produzieren könnte, hätte das massive Auswirkungen auf Lieferketten und Arbeitsplätze", sagte Ludwig weiter.

Der Wirtschaftsverband Fuels und Energie wies auf die Bedeutung des PCK in Berlin und Brandenburg hin. "Mehr als 90 Prozent der hier benötigten Treibstoffe wird in Schwedt hergestellt", sagte Verbandssprecher Alexander von Gersdorff. Sollte Schwedt wegfallen, könnte das nur schwerlich kompensiert werden, stimmte auch der Verbandssprecher des Garagen- und Tankstellengewerbes, Hans-Jürgen Rühlemann ein. Eine Ausweitung des Energie-Embargos mit der Abschaltung der Russland-Pipeline "Druschba" hätte weitreichende Konsequenzen, denn neben Schwedt hänge auch die Raffinerie in Leuna (Sachsen-Anhalt) dran. Mit Kesselwagen könne man Treibstoff in die Region holen. Aber das wäre nicht ausreichend, so von Gersdorff.

Was die Schwedter Raffinerie angehe, so habe diese zwar auch eine Pipeline zum Ölhafen Rostock und könnte auch darüber versorgt werden. Ein sofortiger Ausstieg aus Gas- und Öllieferungen würde Deutschland aber mehr schaden als Russland, betonte der Fraktionsvorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Jan Redmann.

Weiteres Sanktionspaket der EU in Aussicht

Auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Brandenburger Landtag, Daniel Keller, ist dagegen, sofort auf Energie-Importe aus Russland zu verzichten. Er sagte dem rbb am Montag, zwar seien die Bilder aus dem ukrainischen Ort Butscha, in dem zahlreichen Zivilisten getötet worden sind, erschreckend. Der Ruf nach einem sofortigen Stopp der Importe sei aber zu kurz gegriffen. Es sei nötig, die Unabhängigkeit von russischen Importen so schnell wie möglich herzustellen. Alle Verantwortungsträger müssten aber klar sagen, dass das nicht heute geschehen werde. Wenn es um wirtschaftliche und finanzielle Aspekte gehe, müsse man Haltung zeigen. Allerdings seien Öl und Benzin auch für die Infrastruktur oder Rettungsdienste nötig.

Sein Bündnisgrüner Amtskollege Benjamin Raschke mahnte beim Thema Energie-Embargo zur Vorsicht. Wenn man sich für einen solchen Schritt entscheide, müsse man das lange durchhalten können. Das Energiesystem in Brandenburg und ganz Deutschland sei aber leider abhängig von russischem Erdgas. Der nächste wichtige Schritt sei ein weiteres, auf europäischer Ebene abgestimmtes Sanktionspaket.

Große Sorgen und Ängste bei Beschäftigten

Die PCK-Beschäftigen sehen den Entwicklungen um eine mögliche Verstaatlichung besorgt entgegen. "Prinzipiell ist es so, dass es Eigentümerwechsel in Unternehmen gibt", sagte Rolf Erler von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie. "Wenn das jetzt so ein erzwungener Eigentümerwechsel wird, dann heißt das, dass da eine Menge an Veränderung auf die Beschäftigten zu kommt und keiner kann einschätzen, was das bedeuten würde", so der Bezirksvorsitzende für Berlin und Brandenburg. Natürlich würde das aber "große Sorgen und Ängste bei den Beschäftigten auslösen, egal was da und vor welchem Hintergrund das passiert".

Erler unterstrich zudem, dass die PCK-Mitarbeitenden nicht stellvertretend für Putins Angriffskrieg mit Gräueltaten gegen die ukrainische Zivilbevölkerung in Haftung genommen werden dürften, weil sie für einen russischen Ölmulti - Rosneft - arbeiteten.

Sendung: rbb24 inforadio, 04.04.2022, 15 Uhr

Beitrag von Georg-Stefan Russew

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