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Quelle: imago images/Christian Thiel

Interview | Betriebswirtschaftslehre-Professorin Lori Seward

"Dass die Tesla-Fabrik erst hochgefahren wird, kann ein Vorteil sein"

Stockende Lieferketten, steigende Preise und Krieg in der Ukraine - Die Grünheider Tesla-Fabrik geht in unsicheren Zeiten an den Start. Business-Professorin Lori Seward erklärt, was das für das Werk bedeutet.

rbb|24: Frau Seward, Lieferketten stocken weltweit. Was sind dabei die größten Probleme für das Grünheider Tesla-Werk?

Lori Seward: Die Ressourcen und Rohstoffe für die Produktion sind eigentlich vorhanden. Das Problem ist, sie in die Fabriken zu bekommen. Die Menschen haben wegen der Pandemie sehr viel gespart. Jetzt wo die Pandemie abflaut, gibt es eine riesige Nachfrage nach allen möglichen Produkten, etwa nach Haushaltsartikeln, aber auch Autos. Diese plötzliche Nachfrage verursacht die Krise mit den Lieferketten. Außerdem fehlen wegen des Kriegs in der Ukraine viele LKW-Fahrer in der EU.

Zur Person

Wegen dieser Lieferprobleme ist es für die Grünheider Tesla-Fabrik zum Beispiel schwer, Batterien aus der Tesla-Fabrik in Shanghai zu beziehen. Gut möglich, dass die Batteriefabrik in Grünheide jetzt noch schneller hochgefahren wird. Aber selbst dann muss Tesla viele Rohstoffe immer noch aus vielen Teilen der Welt einkaufen. Das Grünheider Werk bezieht etwa Stoßdämpfer aus Tschechien. Diese und viele andere Autoteile dürften gerade schwerer zu bekommen sein.

Die Grünheider Tesla-Fabrik wird gerade erst hochgefahren. Ist sie daher durch die stockenden Lieferketten besonders gefährdet?

Ich denke, die Tatsache, dass die Tesla-Fabrik erst hochgefahren wird, ist eher ein Vorteil. So kann Tesla von Anfang einplanen, mit größeren Vorräten bei Zulieferprodukten und Rohstoffen zu arbeiten. Gerade das Hochfahren eröffnet hier Spielraum, um mit Logistikproblemen und knappen Arbeitskräften umzugehen. Außerdem: Falls die Fabrik ihre Produktionsziele nicht erreicht, wird das nicht so negativ gesehen, weil das Werk ja erst noch hochgefahren wird.

Was kann Tesla in Grünheide noch tun, um mit der Situation umzugehen?

Tesla sagt, dass sie mehr Teile in ihren Fabriken selbst herstellen als andere Autohersteller. Dadurch hat das Unternehmen mehr Kontrolle über die Wertschöpfungskette und kann besser mit den aktuellen Störungen umgehen. In Grünheide hat Tesla zum Beispiel eine japanische Lackieranlage installiert. Andere Autohersteller würden wahrscheinlich auf ein externes Lackier-Unternehmen setzen, das nah an der Fabrik liegt. Tesla bringt das stattdessen unter einem Dach zusammen.

Was sind die Nachteile?

Man braucht zum Beispiel eine größere Belegschaft mit mehr Fähigkeiten. Dafür muss man die entsprechenden Mitarbeiter finden, ausbilden und im Unternehmen halten. Das kostet Geld und kann eine echte Herausforderung sein, gerade in Zeiten des aktuellen Arbeitskräftemangels.

Und es gibt noch einen Nachteil: Je mehr Teile man selbst produziert, anstatt sie von Subunternehmern einzukaufen, desto schwieriger wird die Qualitätskontrolle. In China musste Tesla mehr als 120.000 Autos zurückrufen. Das könnte mit Problemen bei der Qualitätskontrolle zu tun haben. Schließlich könnte auch die Innovationsfähigkeit leiden. Tesla gilt ja als sehr innovativ. Aber wenn man mehr selbst produziert, lädt man sich als Unternehmen auch die ganze Verantwortung für Innovation selbst auf. Wenn man dann noch bestimmte Produktionszahlen erreichen muss, können Innovationen in der Prioritätenliste schnell nach unten rutschen. Kooperationen mit anderen Unternehmen, die sich dann auch um neue Ideen und Innovationen kümmern, sind da manchmal effektiver.

Tesla denkt Autos mehr von der Software her als andere Hersteller. Bietet das in der aktuellen Situation eine Chance?

Ja. Ein Beispiel ist die Chip-Knappheit: In dieser Situation hat Tesla einfach mehr generische Standard-Chips gekauft - die waren nämlich noch relativ gut verfügbar - und haben dann ihre Programmier-Codes angepasst. So konnte Tesla, anders als andere Autohersteller, auf die Chip-Krise reagieren. Andererseits ist es aber auch eine Herausforderung, genügend Programmierer für solche Lösungen anzustellen. So musste Tesla in China - wie schon erwähnt - mehr als 120.000 Autos wegen Software-Probleme zurückrufen. Es ist also ein Balance-Akt.

Frau Seward, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview für rbb|24 führte Philip Barnstorf. Einen Auszug daraus, können Sie im rbb|24-Podcast "Giga Grünheide" nachhören.

Die Kommentarfunktion wurde am 17.05.2022 um 17:20 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

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