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Quelle: dpa/Arne Immanuel Bänsch

"Weiße Flecken" in Brandenburg

Wieso nicht alle Mobilfunk-Löcher gestopft werden sollen

Funklöcher in Brandenburg - sollte das bald Geschichte sein? Unwahrscheinlich: Eine Vollversorgung ist nämlich gar nicht vorgesehen, zumindest nicht für alle Haushalte. Eine Initiative des Bundes will trotzdem Lücken schließen. Von Anna Bordel

Wer in Brandenburg auf dem Berlin-Kopenhagen-Radweg unterwegs ist, dürfte schon wenige Meter nach der Oranienburger Ortsmarke die Mobilfunkbalken auf dem Telefon vermissen. Auch im Regio nach Frankfurt (Oder) - eine der am meisten befahrenen Bahnstrecken Brandenburgs - verschwinden die Fahrgäste so häufig im Funkloch, dass Telefonieren kaum möglich ist. In der Uckermark wiederum wissen viele Hauseigentümer:innen, dass sie zum Anrufen mit dem Smartphone an die nächste Straßenlaterne gehen müssen - oder in ihren Gemüsegarten.

Alle, die in Brandenburg wohnen oder häufiger dort unterwegs sind, wissen, wie löchrig der Mobilfunkempfang hier sein kann. Netzanbieter geben jedoch auf Nachfrage an, Brandenburg vollständig mit mindestens 2G zu versorgen. Wie kann das sein?

Mobilfunkempfang in Ostprignitz-Ruppin

Müllautos spüren Funklöcher auf

Das Mobilfunknetz in Brandenburg ist löchrig, teils steht nicht einmal 2G, der Standard zum reinen Telefonieren, zur Verfügung. Der Landkreis Ostprignitz-Ruppin will wissen, wo sich die Funklöcher befinden, und nutzt dafür: Müllwagen. Von Marie Günther

Flächendeckend meint nicht die ganze Fläche eines Bundeslandes

Der "Breitband-Monitor" der Bundesnetzagentur [breitband-monitor.de] zeigt auf einer Karte, dass Brandenburg flächendeckend mindestens mit 2G-Netz versorgt ist, an den allermeisten Stellen sogar mit 4G. Der Ausbau des 5G-Netzes ist demzufolge bereits vielerorts abgeschlossen. Wie kommen also die vielen Funklöcher zustande?

Die Antwort findet sich wie so häufig im Kleingedruckten. Denn "vollständig" meint nicht die gesamte Fläche des Bundeslandes, sondern lediglich die allermeisten Haushalte. Sehr ländliche Gegenden mit wenigen Haushalten, Straßen, Zugtrassen oder Wasserwegen fielen bislang aus dem Raster - oder tun es immer noch.

Dabei bekommen Mobilfunkbetreiber durchaus Vorgaben, wo sie Mobilfunk anbieten müssen. Wenn sie in regelmäßigen Abständen von der Bundesnetzagentur das Recht erwerben, Netzfrequenzen zu nutzen, knüpft diese die Nutzungsrechte an immer wieder neue Auflagen. Und so sehen die Versorgungsauflagen aus dem Jahr 2019 vor, dass die Netzbetreiber bis Ende 2022 98 Prozent aller Haushalte, alle Bundesautobahnen, die wichtigsten Bundesstraßen und Schienenwege mit Mobilfunk versorgen müssen [bundesnetzagentur.de].

Behörden sollen "Verhältnismäßigkeit" wahren

Allerdings wird nicht genau definiert, welches die wichtigen Straßen und Schienenwege sind. Und auch nicht, wo die zwei Prozent der Haushalte liegen, die nicht versorgt werden müssen. So weiß niemand genau, wie viele "weiße Flecken" - also Gebiete ohne Netz - es in Brandenburg überhaupt gibt und wo sie liegen.

Dazu kommt ein weiteres Problem: Nicht alle Netzanbieter bieten überall Mobilfunk an. Wer also beispielsweise einen Vertrag mit O2-Netz hat, aber neben einem Telekom-Mast steht, hat nicht unbedingt Empfang - auch das ist nicht als "Lücke" registriert.

Nach Ansicht von Netzexperten liegt genau hier der Kern des Problems: Wie soll etwas "repariert" werden, wenn der Ort der Schwachstelle unbekannt ist? Wenn bislang sogar das Interesse zu fehlen schien, diese überhaupt ausfindig zu machen?

Wieso nicht 100 Prozent der Haushalte versorgt werden müssen oder gar die gesamte Fläche des Landes, dafür hat die Bundesnetzagentur eine einfache Antwort: "Behördliche Versorgungsauflagen müssen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit wahren. Eine noch weitergehende Auflage wäre nach Einschätzung der Bundesnetzagentur rechtswidrig gewesen", teilte Fiete Wulff, Sprecher der Bundesnetzagentur dem rbb auf Nachfrage mit.

Aufwändige Suche nach "weißen Flecken"

Und so bleiben weiterhin Gegenden unversorgt, die nicht die nötige Besiedelung oder für wichtig erachtete Verkehrsadern vorzuweisen haben. Ein Beispiel: die nahezu unbewohnte Gegend in einem Teil der Beetzseeheide in Märkisch Luch bei Havelsee. Hier sind keine Haushalte mit Netz zu versorgen, demnach sind Mobilfunkbetreiber auch nicht verpflichtet, Funkmasten aufzustellen und die Region mit Netz zu versorgen - was sie entsprechend auch nicht tun. Es führen mehrere Straßen, eine Bahntrasse und verschiedene Rad- und Wanderwege durch die Gegend. Alle Menschen, die diese nutzen, haben keinen Mobilfunk-Empfang - ein weißer Fleck auf der Karte also.

Seit einiger Zeit gibt es aber jemanden, der genau solche Punkte aufspürt: Ernst Ferdinand Wilmsmann, Geschäftsführer der Mobilinfrastrukturgesellschaft mbH (Mig). Das Unternehmen wurde vor einem Jahr von der Bundesregierung gegründet und bekommt 1,1 Milliarden Euro dafür, Funklöcher in ganz Deutschland zu finden und für ihr Verschwinden zu sorgen. Und zwar indem sie Funkmasten aufstellen und Netzbetreiber motivieren, ihre Antennen dort anzubringen.

Bislang kein Funkmast aufgestellt

Schwierigstes Unterfangen: Zuerst muss die Mig die Flecken anhand von Daten der Netzbetreiber ausfindig machen und überprüfen, ob diese für eine sogenannte Mobilfunk-Förderung in Frage kommen, denn auch für sie ist nicht jedes Loch interessant. "Natürlich ist es unser Ziel, so viele Haushalte wie möglich mit Mobilfunk zu versorgen, oftmals liegen die Funklöcher jedoch in dünn besiedelten Regionen und Waldgebieten. Deshalb ist es umso wichtiger, zu analysieren, was es dort genau gibt. Dazu zählen zum Beispiel Verkehrswege, also Kreisstraßen, Gemeindestraßen oder ähnliches. Aber auch touristische Hotspots wie Wander- und Radwege sind interessant, denn wo sich Menschen bewegen, kann es auch zur Mobilfunknutzung kommen", so Wilmsmann. Plant der Netzbetreiber in den nächsten drei Jahren selbst keinen Ausbau vor Ort, übernimmt die Mig Flecken - wie die Beetzseeheide - in ihr Förderprogramm.

In Brandenburg sind es derzeit 40 Flecken, die auf Förderung untersucht werden, 666 in ganz Deutschland. 27 dieser Brandenburger Gegenden wurden bereits als vom Bund förderwürdig eingestuft.

Ein Funkmast aufgestellt wurde bislang aber noch nicht. "Eine der großen Herausforderungen ist die Standortsuche für den Mast", erklärt Wilmsmann. "Der Mast selbst ist schnell aufgebaut. Aber Grundstücksbesitzer warten ja nicht darauf, dass wir als Mig vorbeikommen und ihr Grundstück für einen Mobilfunkmast gewinnen wollen. Da ist nicht nur viel Überzeugungsarbeit notwendig, sondern bis zum unterschriftsreifen Vertrag braucht es auch eine gewisse Zeit."

Funklochsuche mit dem Wanderrucksack

Etwa zwei bis drei Jahren plant die Mig ein, bis tatsächlich ein Funkmast steht und der weiße Fleck damit beseitigt ist. Zumindest für manche: Das Unternehmen sichert vor dem Aufstellen des Mastes ab, dass mindestens ein Netzanbieter diesen auch nutzen möchte und seine Antennen dort anbringt. Dass ihn mehrere nutzen, sei zwar laut Wilmsmann wünschenswert, könne aber nicht garantiert werden. In ein paar Jahren dürften also in einigen entlegenen Winkeln mehr Masten stehen. Den Anspruch alle Löcher im Netz zu finden und zu stopfen, hat auch dieses Unterfangen nicht.

Da, wo die Masten des Bundes vorerst nicht ankommen, helfen sich einzelne Landkreise selbst. So zum Beispiel im Landkreis Ostprignitz-Ruppin, in dem seit dem Sommer Müllautos ein Jahr lang Funklöcher aufspüren. "Der Vorteil ist, dass Müllautos auch den entlegensten Hof erreichen", meint Alexander von Uleniecki, Sprecher des Landkreises.

In den Wald kommen sie allerdings auch nicht. Daher wolle man ab Oktober zudem Funklochsuchgeräte an Freizeitsportler wie Wanderer und Radfahrer ausgeben, die im Naturpark Stechlin-Ruppiner Land unterwegs sind, erklärt von Uleniecki: "Das sind kleine Kästen, die passen in jeden Rucksack."

"Im Wald möchte man zwar auch nicht unbedingt Netz haben - um runterzukommen", sagt der Kreissprecher, betont aber: "An Parkplätzen oder touristischen Hotspots wie dem Heideturm wäre funktionierendes Internet schon gut und wichtig - für Notrufe, aber auch um mal Fotos an Freunde zu verschicken." Die Funklöcher, die in diesem Jahr gefunden werden, wolle der Landkreis dann den Mobilfunk-Anbietern vorlegen und sie auffordern, für den Ausbau des Netzes zu sorgen.

Gemeinsame Infrastruktur in Zukunft möglich

Den Ausbau an Verkehrswegen werden Mobilfunk-Anbieter aber auch ohne erneute Aufforderung angehen müssen: Versorgungsauflagen sehen vor, dass bis 2024 alle Bundesstraßen, alle Landes- und Staatsstraßen, die Seehäfen und wichtigsten Wasserstraßen sowie alle Schienenwege mit Mobilfunk versorgt werden. Dass diese Auflagen Verkehrswege miteinbeziehen, werten Netzexperten wie Tomas Rudl von netzpolitik.org als Erfolg. Dennoch müssten die Bedingungen für Netzbetreiber noch weiter gehen, weg von der Versorgung der Haushalte hin zu den Flächen, auf denen nur sehr wenige oder auch gar keine Menschen wohnen, findet er.

Das wird vermutlich nicht möglich sein, ohne dass sich Netzanbieter in Zukunft die Infrastruktur, also zumindest die Masten und die Stromversorgung teilen. Auch lokales Roaming, also dass sich das Telefon automatisch in das vor Ort vorhandene Netz einwählt, wäre denkbar.

Für die Bundesnetzagentur wäre es möglich, diese Maßnahmen für manche Regionen anzuordnen. "Den Netzbetreibern wurde ein Verhandlungsgebot zu Kooperationen auferlegt", teilte Wulff von der Bundesnetzagentur mit. In diesem Verhandlungsgebot, das dem rbb vorliegt, wird darauf verwiesen, dass Netzanbieter über geteilte Infrastruktur und Roaming-Möglichkeiten verhandeln können. Nach "anordnen" klingt das allerdings nicht.

Sendung:

Beitrag von Anna Bordel

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